12.5.5.6 - Entwurf zu einem oberbayrischen oder Tiroler (?) Bauernhaus, Grund- und Aufriß



12.5.5.6 - Entwurf zu einem oberbayrischen oder Tiroler (?) Bauernhaus, Grund- und Aufriß


Inventar Nr.: GS 16768
Bezeichnung: Entwurf zu einem oberbayrischen oder Tiroler (?) Bauernhaus, Grund- und Aufriß
Künstler: Johann Daniel Wilhelm Eduard Engelhard (1788 - 1856), Zeichner/-in
Datierung: um 1830
Geogr. Bezug: Schweiz
Technik: Graphit, Feder in Schwarz
Träger: Papier
Wasserzeichen: "J WHATMAN / 1825"
Maße: 50 x 38,8 cm (Blattmaß)
Maßstab: zwei bezifferte Maßstäbe mit Maßeinheit "Métres"
Beschriftungen: oben links: "G." (Graphit)
oben rechts: "17." (Graphit)


Katalogtext:
Das Blatt zeigt detaillierte Auf- und Grundrisse eines zweieinhalbgeschossigen Bauernhauses mit Bundwerk-Fachwerk, wie es in Oberbayern und Tirol vorkommt. Es handelt sich um den Typus eines "Einheitshauses", das Wohnung, Stall und Scheune in einem langgestreckten Gebäude vereinigt (vgl. Aufleger 1904, S. V). Der Wohnbau ist dabei völlig aus Mauerwerk errichtet, während Stall und Scheune nur im Erdgeschoß über Mauerwerk verfügen, die Obergeschosse aber aus hölzernem Bundwerk, dessen Schalbretter durch Andreaskreuze gesichert sind, bestehen. Dieser Fachwerktypus, seit dem 17./18. Jahrhundert im Alpenraum verbreitet, war vor allem zwischen 1830 und 1860 sehr beliebt (Binding/Mainzer/Wiedenau 1989, S. 110).
Der Aufriß der Längsseite zeigt die charakteristische Gliederung, wobei im mittleren Teil über dem durch zwei Türen zugänglichen Stall im ersten Geschoß eine auffällige Laube mit Bienenhäusern angebracht ist. Das mit Steinen beschwerte Schindeldach besitzt auf dem Dachfirst an der Stirnseite ein kleines Glockengestell sowie im Zentrum einen größeren Taubenschlag auf einer Holzstütze. Unter der Rampe auf der Rückseite des Gebäudes ist noch ein Stall ("Gänsestall") untergebracht.
Anhand der beiden Grundrisse, die mit einem Maßstab in "Mètres" versehen sind, wird deutlich, daß es sich um ein "Flurhallenhaus" handelt, bei dem der Flur die Längsachse des Hauses bildet (Aufleger 1904, S. V). Im Erdgeschoß finden sich dementsprechend im vorderen Bereich des Gebäudes zu seiten des Flurs zunächst eine Wohn- und eine Schlafstube, dahinter folgt die Küche mit der "Speise u. Milch-Kammer" auf der einen sowie einer "Branntweinbrennerey" auf der anderen Seite. Im angrenzenden Stallbereich folgen neben der "Knechtkammer" zunächst die Verschläge für die Pferde, dann diejenigen für das übrige Vieh. Im hinteren Bereich, der durch massive Wände unterteilt ist, befindet sich neben einem Schweine- und einem Schafstall eine "Holz- und Wagen Remise". Im Obergeschoß wird im Wohnbereich die Einteilung der unteren Etage beibehalten. Neben zwei Stuben, deren eine als "Gast-Zimmer" gekennzeichnet ist, befinden sich hier die "Magd Kammer" sowie eine "Geschirr-" eine "Obst-" und eine "Flachs u. Hanf-Kammer". Der hintere Scheunenbereich ist komplett für die Getreidelagerung vorgesehen. Die beiderseits vorgelegten Lauben sind auf der einen Seite mit dem schon erwähnten "Bienenhaus", auf der anderen Seite mit einer "Samendarre" ausgestattet.
Die beiden Aufrisse von Vorder- und Rückfront des Gebäudes sind wiederum mit einem Maßstab in "Métres" versehen. Die aus verputztem Mauerwerk bestehende Vorderseite bietet sich ohne Balkon mit fünf Fensterachsen in regelmäßiger Reihung dar. Über den beiden Hauptgeschossen ist hier noch eine halbes Kniestockgeschoß erkennbar, das neben einem Rundbogenfenster im Zentrum noch vier kleine Lünetten-Fensteröffnungen aufweist. Ein über dem mittleren Fenster eingezeichneter Flaschenzug läßt vermuten, daß auch hier landwirtschaftliche Erzeugnisse gelagert wurden. Die Rückseite zeigt über dem gemauerten Erdgeschoß die über die zentrale Rampe zugängliche Scheune im oberen Bereich, die komplett in Bundwerk mit Schalbrettern und Andreaskreuzen errichtet ist.
Die Darstellungsweise und die Markierung mit Buchstaben und Nummer lassen vermuten, daß Engelhard hier eine Abbildung aus einem zeitgenössischen Architekturwerk kopiert hat. 1821-1826 veröffentlichte beispielsweise Carl Friedrich von Wiebeking in seiner umfangreichen "Theoretisch-practisch-bürgerlichen Baukunde" in Bd. 4 "Von den Gebäuden des Landbauern" zahlreiche entsprechende Abbildungen, die Engelhard für seine - aufgrund des Wasserzeichens von 1825 - um 1830 zu datierende Darstellung als Vorbild gedient haben könnten.
Stand: Mai 2005 [UH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 20.09.2017



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