2.7.1.6 - Kassel-Wilhelmshöhe, Aquädukt, Entwurf, Aufriß von Süden



2.7.1.6 - Kassel-Wilhelmshöhe, Aquädukt, Entwurf, Aufriß von Süden


Inventar Nr.: GS 5840
Bezeichnung: Kassel-Wilhelmshöhe, Aquädukt, Entwurf, Aufriß von Süden
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Architekt/-in
Datierung: 1788
Geogr. Bezug: Kassel-Wilhelmshöhe
Technik: Graphit, Feder in Grau, grau und blau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: keine Angabe
Maße: 37,6 x 53,2 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "Fuß"
Beschriftungen: unten rechts: "noch aufzufüllendes Erdreich / gegenwärtiges Erdreich / Tiefe des Kessels worin die Kaskade fällt / Boden des kleinen Bassins." (Feder in Grau)


Katalogtext:
Bei der hier dargestellten Ansicht von Süden handelt es sich um eine Weiterführung der Planung von Anfang 1788 (vgl. GS 5848). Schon die fast identischen Blattabmessungen deuten darauf hin, daß Jussow seinem Grundriß kurze Zeit später den Aufriß folgen ließ. Wohl angesichts der topographischen Gegebenheiten geht Jussow noch einen Schritt weiter, indem er die Anzahl der Aquäduktbögen auf zehn erhöht und somit die römische Wasserleitung um vier Bögen nach Osten verlängert. Den Abschluß bildet ein unvollendeter 14. Bogen, dessen Abbruchkante bereits bewachsen ist. Das ruinöse Bild wird durch Steine verstärkt, die am Fuße des letzten Pfeilers liegen. Es entsteht der Eindruck, daß dies die Reste des zusammengestürzten Bogens sind.
Für die Verlängerung ist die Nivellierung eines Höhensprungs notwendig. Handschriftliche Anmerkungen zum gegenwärtigen Niveau und zum noch aufzufüllenden machen die bevorstehende Bodenmodellierung deutlich. Die erste Version des Aquädukts reichte lediglich bis zu dieser Geländeschwelle. Am Schattenwurf ist sehr gut erkennbar, daß der mittlere Teil des Aquädukts mit vier Bögen nach vorne versetzt ist; der Aquädukt verläuft also nicht geradlinig, sondern soll nach Süden ausschwenken.
Der Tempel mit Halbkugelkalotte ist einem Kastell gewichen (vgl. GS 9550 u. GS 5847). Es soll zwischen dem 12. und 13. Bogen - von Westen gezählt - errichtet werden. Gurt- und Kranzgesims laufen weiter, so daß das eingeschobene Bauwerk ein integrativer Bestandteil des Aquädukts bleibt. Oberhalb des Kranzgesimses soll ein schmalerer Turm aufgesetzt werden. Der Turm hat auf allen vier Seiten ein halbkreisförmiges Bogenfenster. Darüber brechen die Wände in einer ruinösen Mauer ab, auf der Sträucher wuchern. Der halb eingefallene Turm und der abgebrochene letzte Bogen evozieren das Bild einer römischen Ruine. Sie steht im künftigen Landschaftsgarten als ein Symbol für die Vergänglichkeit.
Das Wasser wird direkt in den Turm geführt und dort um 90 Grad nach Süden umgelenkt. Es strömt über einen senkrecht zum Kastell gestellten Bogen und stürzt von dort in die Schlucht. Erst mit dieser Verlängerung des Aquädukts in Richtung Osten wurde die Stelle erreicht, an der das Wasser über 30 m tief in das Tal des Peneus fallen konnte. Frühere Entwürfe des Wasserfalls sind dagegen vergleichsweise unspektakulär (vgl. GS 5845).
Der Bau des Aquädukts verlief zunächst zügig, kam dann aber 1791 wegen Nachgründungen im sandigen Untergrund ins Stocken. 1789 sind bereits "sämtliche Pfeiler und Bogen" errichtet (Bauchronik Jussow, Weißenstein am 20. September 1793; StAM Best. 6a, Nr. 59, fol. 44). Über das ganze Jahr 1790 waren die Maurer mit der Schließung der Bögen beschäftigt. "Bis auf den letzten nach dem tiefen Thale zu" konnten bis September alle Bögen geschlossen werden. Da die zwei Pfeiler des letzten Bogens um 2 Fuß erhöht werden mußten, verzögerte sich die Fertigstellung des Aquädukts erneut (Baurapport Du Ry vom 4.-9. Oktober 1790; StAM Best. 6a, Nr. 153, fol. 11-12). Der Bau des "Thurms" begann 1790 (Jussow an Wilhelm IX. vom 1. Oktober 1790; StAM Best. 300, E 12 Nr. 10, fol. 38). Doch erst im Oktober 1791 konnte das Kreuzgewölbe eingezogen werden (Jussow an Wilhelm IX. vom 11. Oktober 1791; StAM Best. 300, E 12 Nr. 10, fol. 40). Unterdessen waren schon 1789 die Futtermauern für die Felsschlucht unter dem Wasserfall erbaut worden (Bauchronik Jussow, Weißenstein am 20. September 1793; StAM Best. 6a, Nr. 59, fol. 44). Um diese Zeit begannen auch die landschaftsgärtnerischen Arbeiten mit der Anlage des Bachlaufs durch das Peneustal (Bericht Jussow, Weißenstein am 20. September 1790; StAM Best. 6a, Nr. 153, fol. 5). Bis Frühjahr 1792 wurden "Felsen im Kessel" verlegt (Bauchronik Jussow, Weißenstein am 20. September 1793; StAM Best. 6a, Nr. 59, fol. 44). Die "steinernen Candeln" für die Wasserrinne hatte man ab 1790 begonnen. Im Juli 1791 waren 80 Fuß verlegt, so daß Du Ry mit dem Anlassen des Wassers im August rechnete (Bericht Du Ry, Kassel am 15. Juli 1791; StAM Best. 6a, Nr. 153, fol. 15-17).

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [HB]


Literatur:
Katalog Kassel 1958, S. 25, Nr. 66 (mit Abb.); Katalog Kassel 1999/CD-Rom; Becker 2005, Abb. 94; Becker/Karkosch 2007, S. 139, Abb. 139


Letzte Aktualisierung: 31.10.2022



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