2.7.7.1 - Kassel-Wilhelmshöhe, Werkzeichnung zum "Jussow-Tempel", Grund- und Aufriß



2.7.7.1 - Kassel-Wilhelmshöhe, Werkzeichnung zum "Jussow-Tempel", Grund- und Aufriß


Inventar Nr.: GS 5812
Bezeichnung: Kassel-Wilhelmshöhe, Werkzeichnung zum "Jussow-Tempel", Grund- und Aufriß
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Architekt/-in
Datierung: 1817/18
Geogr. Bezug: Kassel-Wilhelmshöhe
Technik: Graphit, Feder in Grauschwarz
Träger: Papier
Wasserzeichen: Blauw-Wappenschild mit Diagonallinien und "D", "C" und "B" (untere Hälfte)
Maße: 51 x 33,5 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: mittig links: "der Modul der Säulen hat 9 Zoll und 1 part ½ Zoll" (Graphit, Feder in Braun)
in der Darstellung: Maßangaben (Feder in Braun)


Katalogtext:
Der sog. Jussow-Tempel, ursprünglich als "Tempel am Bassin" oder "Fontainentempel" bezeichnet, wurde 1816-1818 auf einem kleinen Hügel nördlich des Fontänenteichs an der Einmündung des Wasserlaufs errichtet. Es handelt sich um einen Tholos korinthischer Ordnung, dessen halbrund gewölbte Tambourkuppel sich deutlich über den Säulenumgang erhebt.
Die Zeichnung zeigt Grund- und Aufriß dieses Gartentempels. Die zwölf Säulen des Umgangs ruhen auf einem vierstufigen Podest. Vier große Türöffnungen ermöglichen den Zugang zum Tempelinnern. Über den Säulen, deren Kapitelle im Aufriß ausgespart sind, erhebt sich ein Architrav mit zwei diagonal auskragenden, profilierten Gesimsen, deren zweifache Abtreppung im Kranzgesims des Tambour wiederholt wird. Maßangaben belegen die sorgfältig ausgewogenen Proportionen des kleinen Baues. Die mit Graphitschraffuren angedeuteten Umrisse geben eine zweite, größere Variante wieder, die verwirklicht wurde.
Für die besondere Form des Tempels als Tholos mit überhöhter Tambourkuppel lassen sich Vergleichsbeispiele in englischen Landschaftsgärten nachweisen, wie der "Tempel der alten Tugenden" in Stowe oder der "Temple of Victory" in Kew (vgl. Manuskript Schuchard/Dittscheid). Letztendlich geht der Typus aber auf Bramantes Tempietto in Rom zurück, der durch die Architekturbücher von Serlio und Palladio weite Verbreitung gefunden hat. Das Studium derartiger Publikationen war unverzichtbarer Bestandteil der Architektenausbildung. So findet sich das Vorbild für die in Jussows Plan ausgesparten korinthischen Kapitelle mit der charakteristischen Akanthusblüte in einer eigenhändigen Nachzeichnung einer korinthischen Ordnung (vgl. GS 6346), die auf Vignolas Buch der Säulenordnungen zurückgeht.
Die Rechnungen des Gelbgießers Marenholdt über die Lieferung von Kapitellen und Konsolen aus Zink vom September 1817 (StAM Best. 7b1, Nr. 321) sowie weitere Baurechnungen aus den Jahren 1816-1818 (StAM Best. 300 E 12/17) bezeugen, daß der Tempel gleichzeitig mit der unterhalb gelegenen kleinen Säulenhalle errichtet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Parkgestaltung schon weitgehend abgeschlossen. Im selben Zeitraum wurden interessanterweise aber auch die Kaskaden beim Tempel verändert, wie ein erhaltenes Kostenverzeichnis belegt (StAM Best. 300 E 12/18). Daraus kann man schließen, daß die Positionierung des Tempels am Fontainenteich sehr bewußt im Rahmen der Planung von Blickpunkten im unteren Bereich des Parks erfolgte, zumal der hölzerne Apollotempel auf dem benachbarten Schneckenberg zu diesem Zeitpunkt schon in schlechtem Zustand war und wenig später abgebrochen wurde. Auf einer kolorierten Lithographie von Johann Heinrich Bleuler ist diese Einbindung in den Gesamtzusammenhang der Parkanlagen deutlich zu erkennen.


Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/1, S. 200 [UH]


Literatur:
Holtmeyer 1910, S. 331; Paetow 1929, S. 48; Katalog Kassel 1958, S.30f., Nr. 79; Katalog Kassel 1999/CD-Rom; Katalog Kassel 1999/1, S. 200, Kat.Nr. 65


Letzte Aktualisierung: 09.04.2015



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