4.74.3.1 - Entwurf zu einem Medaillenaufsatz, Aufriß



4.74.3.1 - Entwurf zu einem Medaillenaufsatz, Aufriß


Inventar Nr.: GS 6144
Bezeichnung: Entwurf zu einem Medaillenaufsatz, Aufriß
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Zeichner/-in
Datierung: 1803
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Graubraun, braun laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: keine Angabe
Maße: 34 x 24,4 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen:


Katalogtext:
Die sorgfältig ausgeführte Entwurfszeichnung Heinrich Christoph Jussows zeigt in strenger Vorderansicht ein in kleinem Format gehaltenes Denkmal. Das Monument ruht auf einer flachen Standplatte mit gekehltem Blattfries, über der sich der Sockel nach oben hin, zu einem friesartigen Element mit horizontalem Blattstab, stark einzieht. Vor den - auf dem Blatt dargestellten - beiden vorderen Ecken des Sockels erhebt sich je ein geflügelter Löwe in hockender Stellung. Zwischen dem Löwenpaar findet sich eine Akanthusranke mit mittlerer Palmette. Die Sockelinschrift ist nur angedeutet, aber nicht ausgeführt. Die mit einem Eierstab gezierte obere Abschlußplatte des Sockels nimmt das vielteilige Mittelstück des Kleinmonuments auf: Die auf einer flachen, runden Basis stehende Gestalt der behelmten Victoria, die in der erhobenen linken Hand einen Lorbeerkranz, in der gesenkten rechten einen Palmzweig hält, wird von kriegerischen Attributen gerahmt und hinterfangen: Zu ihren Füßen liegen ein Rammbock mit Widderkopf und ein Helm, zu den Seiten finden sich ein ovaler und drei polygonale Schilde (ein kleiner und zwei große), ein Schwert und ein Säbel - jeweils nur mit dem Griff sichtbar -, ein Köcher, ein Stabbündel mit Beil, sog. Fasces, sowie zwei Feldzeichen.
Die dominierende obere Partie des Medaillenaufsatzes bildet eine große Rundscheibe, die über den Flügeln der Victoria zu schweben scheint. Die auf der Innenkante der äußeren Rahmung mit einem Blattfries - identisch mit jenem am Fuß - gezierte Scheibe wird außen zu beiden Seiten von zwei Lorbeerzweigen eingefaßt, die sich im Scheitelpunkt überschneiden und zugleich den bekrönenden Kurhut tragen. In die Scheibe sind fünf Kreise eingetragen: ein größerer mittlerer Kreis und vier kleinere, kreuzförmig angeordnete Kreise.
Die durch den klaren Aufbau wie durch die anschauliche Darstellung der plastischen und der architektonischen Elemente charakterisierte Zeichnung, die bislang keine Einordnung erfahren hat, läßt sich als Entwurf zu einem Medaillenaufsatz, der sogenannten Trophäe (Silber, gegossen, ziseliert, punziert, graviert, gelötet; Email; Perlen; H. 61,5 cm, Br. 28,0 cm; Standplatte: 20,6 x 20,6 cm; obere Scheibe: Dm. 22,5 cm; Beschauzeichen: Kleeblattwappen für Kassel mit Jahresbuchstaben L [Neuhaus/Richter 15]; Meisterzeichen: KOMPFF für Heinrich Wilhelm Kompff [Meister 1783, Hofgoldschmied 1801, gest. 1825; Neuhaus/Richter 110a; s. Katalog Schleswig 1996, S. 34, Nr. 52, Abb. 17; Seelig 1998, S. 164-169 u. S. 170, Nr. 166, mit Abb.), bestimmen, die Kurfürst Wilhelm I. von Hessen 1805 seinem in Schleswig residierenden Bruder Carl (zu Carl von Hessen vgl. Katalog Schleswig 1996, u. a. mit dem Beitrag von Jens Ahlers: Carl von Hessen - eine biographische Skizze [S. 9-15] sowie Witt/Wulf 1997) schenkte und die sich heute in Schloß Glücksburg bei Flensburg befindet. Die Ausführung der Silberarbeit erfolgte durch den Kasseler Goldschmied Heinrich Wilhelm Kompff in den Jahren 1803-1805. Die weitgehend in Gußtechnik realisierte "Trophäe" läßt gegenüber dem Entwurf signifikante Unterschiede erkennen. Der Sockel ist stärker eingeschwungen, so daß er kräftiger erscheint. Wesentlich größer ist die Schrifttafel, die auf der Vorderseite folgende Inschrift trägt: "WILHELM I / KURFUERST VON HESSEN/SEINEM GELIEBTEN BRUDER / KARL / LANDGRAFEN ZU HESSEN." Die Rückseite des vollplastisch angelegten Kleinmonuments weist allein die Jahreszahl "1805" auf. Ferner zeigt die rechte Seite der Standplatte die Inschrift: "H. W. KOMPFF. FECIT. IN CASSEL" (überdies ist die Standplatte mit dem Meisterzeichen Kompffs sowie mit dem Kasseler Beschauzeichen versehen). Die Schwänze der an den vier Ecken in diagonaler Anordnung hockenden Löwen sind miteinander verschlungen; die auf der Zeichnung wiedergegebene Akanthusranke mit Palmette ist jetzt fortgefallen. Die Gestalt der Victoria, die nicht mehr - wie in der Zeichnung - das auf Minerva verweisende Medusenhaupt auf dem Gewand trägt, ist weniger zusammengefaßt und stärker bewegt; zudem ist die Haltung der Arme leicht abweichend. Vor allem erhebt sich die Siegesgöttin jetzt vor dem Stamm eines Lorbeerbaums, aus dem die um die Rundscheibe geführten beiden Lorbeerzweige hervorgehen. Überdies spielen die militärischen Trophäen in der silbernen Ausführung der "Trophäe" eine entscheidende Rolle. So wird nun der Schaft des Monuments durch zwei stattliche Fahnen, die - streng genommen - kein antikisches Motiv bilden, deutlich vergrößert. Zudem tritt auf der Rückseite des Monuments, vor dem Stamm des Lorbeerbaums, eine Keule - wohl die des Herkules - in Erscheinung, auf der ein Helm ruht.
Vor allem aber läßt die Silberausführung die Bedeutung der im Falle der Zeichnung in die Scheibe eingetragenen Kreise erkennen: Hier handelt es sich um goldene Medaillen, die in der Weise in die glatte Silberfläche eingelassen sind, daß sie von beiden Seiten gesehen werden können. Gegenüber dem Entwurf ist die Zahl der Medaillen von fünf auf neun erhöht. Die größte Medaille nimmt die Mitte ein, die übrigen acht Medaillen sind im Kreis um das Zentrum angeordnet. Die in der Mitte befindliche Medaille des Jahres 1803 (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 2, S. 108, Nr. 2750) zeigt auf dem Revers die Erlangung der Kurwürde - in Gestalt der Krönung des von kriegerischen Trophäen hinterfangenen hessischen Löwen mit dem Kurhut - und auf dem Avers das Reiterbildnis Wilhelms I. unter Bezug auf die Erstürmung Frankfurts 1792 und das daran gemahnende Hessendenkmal (vgl. GS 6051). Als seitliche Rahmung findet sich links und rechts jeweils die kleinere sog. Hanauer Kurmedaille von 1803 (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 2, S. 107f., Nr. 2748; s. auch: Denkmünze der Stadt Hanau, auf die an Hessen gekommenen Kurwürde. In: Denkwürdigkeiten 1805, S. 472-474). So ist die horizontale Mittellinie der Scheibe ganz der Gewinnung der Kurwürde gewidmet. Die Einnahme Frankfurts 1792, die den Anspruch Hessen-Kassels auf die Kurwürde maßgeblich begründete (Losch 1922, S. 5-8; Losch 1923, S. 203-204 u. 230-240), ist auf zwei weiteren Medaillen im unteren Bereich dargestellt: Unten in der Mitte findet sich die Medaille mit dem Porträt Wilhelms IX. und der Darstellung der Erstürmung Frankfurts (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 2, S. 93, Nr. 2674), unten rechts - von vorn gesehen - die Medaille mit dem erwähnten Hessendenkmal (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 2, S. 93f., Nr. 2675), das mit seinen antikischen Trophäen wiederum an den Formenapparat des Medaillenaufsatzes denken läßt. Die Medaille unten links gilt der Vermählung des Erbprinzen Friedrich (des nachmaligen Königs Friedrich I. von Schweden) mit der kurbrandenburgischen Prinzessin Louise Dorothea im Jahr 1700 (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 2, S. 455, Nr. 1901), die im folgenden Jahr, durch die Rangerhöhung ihres Vaters, den Titel einer königlichen Prinzessin erlangte. Demselben Ereignis ist die oben rechts befindliche Medaille gewidmet (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 2, S. 454f., Nr. 1900). Gleichsam das Gegenstück bildet die oben links befindliche Medaille, welche die Heirat des Erbprinzen Friedrich, des späteren Landgrafen Friedrich II., mit Prinzessin Maria von England 1740 glorifiziert (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 4, S. 79f., Nr. 4934). Oben in der Mitte befindet sich die große Medaille auf Landgraf Wilhelm VIII., nach Jacob C. C. Hoffmeister die "schönste aller hessischen Medaillen", die wahrscheinlich aus dem Jahr 1748 stammt (Hoffmeister 1862-1880, Bd. 2, S. 531f., Nr. 2272). So steht hier wohl nicht zufällig das Bildnis des Großvaters über den zwei Darstellungen seines Enkels Wilhelms IX./I. Im Zusammenhang mit dem Medaillengestell ist speziell das Revers der letztgenannten Medaille von Interesse, das einen Obelisken mit dem hessischen Löwen zeigt: Kompositorisch bezeichnet der Obelisk exakt die Mittelachse der Scheibe; zudem wird hier - ähnlich wie bei dem erwähnten Hessendenkmal - erneut der Gedanke des Monumentes angeschlagen.
Der bekrönende Kurhut der silbernen "Trophäe" ist als Juwelierarbeit konzipiert: Der Hermelinaufschlag ist in Silber gearbeitet, der rote Samt in opakem rotem Email wiedergegeben, die acht Bügel sind mit Perlschnüren besetzt, der bekrönende Reichsapfel trägt blaues transluzides Email über guillochiertem Grund. Das bekrönende Kreuz fehlt.
Im Verhältnis zur ausgeführten Silberfassung erscheint der Entwurf, der durch den strengen Klassizismus Jussows bestimmt ist, insgesamt weit konsequenter in der Ausbildung der einzelnen Elemente: dem ausgeprägten Sockel, dem vergleichsweise knappen Schaft und der großen Scheibe mit dem bekrönenden Kurhut. Im Vergleich zur Jussowschen Zeichnung kommt eine mit keiner Beschriftung versehene Radierung, die wohl ebenfalls aus dem Nachlaß Jussows stammt (vgl. GS 6158), bei seitengewendeter Darstellung der Ausführung wesentlich näher. Das betrifft die gesamte Proportion wie etwa auch die Haltung der jetzt sehr stattlichen Löwen mit den verschlungenen Schwänzen oder die Gestalt der Victoria (die hier nur, in Berücksichtigung der Seitenverkehrung, noch nicht die endgültige Kopfwendung zeigt). Ganz im Gegensatz zum gezeichneten Entwurf steht hier die Intention im Vordergrund, die einzelnen Elemente kompositorisch stärker miteinander zu verbinden. So ragen Kopf und Arm der Siegesgöttin in die große Scheibe hinein, was freilich zur Überdeckung der untersten Medaille führt; darum ist die Frauenfigur in der Ausführung wieder kleiner gebildet. Überdies sind in der Radierung die militärischen Attribute und besonders die Fahnen breit entfaltet, so daß sie seitlich sogar über die Scheibe hinausragen. Auch hier zeigt sich in der Ausführung eine deutliche Reduzierung. Auffallenderweise fehlen in der Radierung noch die Fasces zu Füßen der Victoria. So ist anzunehmen, daß das Blatt zu einem Zeitpunkt entstand, als - wie unten zu erörtern ist - die im Zuge der Realisierung des silbernen Kleindenkmals hinzugekommenen kriegerischen Attribute noch nicht vorgesehen waren. Ob möglicherweise ein Zustand des Blattes mit Beschriftung existiert (z. B. auch als gefaltete Beilage in einer zeitgenössischen Zeitschrift), läßt sich nicht nachweisen. Zumindest ist anzunehmen, daß die Radierung auf Jussow zurückgeht, der - nach Aussage der später zu diskutierenden Archivquellen - das Projekt der "Trophäe" vom ersten bis zum letzten Stadium begleitete.
Der Vergleich mit der Zeichnung und der Radierung erweist, daß im Verlauf der Planung und Ausführung die vergleichsweise architektonisch-strenge Ausbildung des ersten Jussowschen Entwurfs abgeschwächt wird, während zugleich - wohl durch den Einfluß der mit der Umsetzung und Ausführung beauftragten Künstler und Kunsthandwerker im Bereich der Bildhauerei und der Goldschmiedekunst - die plastischen Züge stärker hervortreten bei einer ausgeprägt räumlich-körperlichen Ausformung der einzelnen Komponenten. Zugleich gewinnt die "Trophäe" an Homogenität der Erscheinung, so daß zum Beispiel jetzt die Flügel der Victoria und die Fahnen sich stärker zusammenschließen und gleichsam ohne Zäsur in den Kontur der Scheibe übergehen.
Die Planungs- und Ausführungsgeschichte des Medaillenaufsatzes ist detailliert in einem unveröffentlichten Archivalienfaszikel dokumentiert, das sich im Hessischen Landesmuseum in Kassel befindet (Acta, die Verfertigung eines Medaillen Gestelles von Silber in Form einer Trophée [...] betreffend; mhk, Hessisches Landesmuseum, Archiv, Akten Münzen und Medaillen). Am 6. Dezember 1803 legte Heinrich Christoph Jussow Kurfürst Wilhelm I. eine erste Kostenschätzung über das Silberwerk vor; damals war der auf Jussow zurückgehende Entwurf bereits vom Kurfürsten genehmigt worden. In den sich anschließenden Gesprächen mit verschiedenen Künstlern und Kunsthandwerkern wurden deren Voranschläge geprüft und zugleich um etwa 10-20 % reduziert. Die Anfertigung des Holzmodells wurde dem Bildhauer Johann Christian Ruhl (Riedl 1993) gegen ein Honorar von 80 Reichstalern übertragen. Hinsichtlich der Ausführung der Silberarbeit setzte sich der Hofgoldschmied Heinrich Wilhelm Kompff (Neuhaus 1998, S. 303-320, bes. S. 314, Nr. 110) gegen Johannes Adam Kördel (Neuhaus 1998, S. 314, Nr. 104) und Jacques Louis Clément (Neuhaus 1998, S. 314, Nr. 108) durch; der Arbeitslohn betrug hier, ohne Material, 400 Reichstaler. Besondere Schwierigkeiten bereitete der als Bekrönung des Monuments vorgesehene Kurhut. Als Alternativen wurden Ausführungen mit Perlen- und Brillantenbesatz auf dem Hermelin erörtert; doch entschloß man sich letztlich wohl aus Kostengründen dazu, allein die acht Bügel des Kurhuts mit Perlschnüren auszuzieren. Da die Schätzung des Kasseler Juweliers (Johann) Friedrich Heydloff (Neuhaus 1998, S. 315, Nr. 114) als zu hoch angesehen wurde, vergab man die Ausführung des Kurhuts, durch Vermittlung des in der Rentkammer zu Hanau tätigen Kammerrats Johann Heinrich Doering (HHCSAC 1803, S. 63) an den Hanauer Fabrikanten Johannes Böhm (Scheffler 1976, S. 475, Nr. 247), der sein Handels- und Fabrikhaus - nach der Aussage Doerings - "auf den Trümmern des vor einigen Jahren gescheiterten Leonhardischen" Unternehmens etabliert hatte (hier handelt es sich wohl um das in Konkurs gegangene Geschäft des Johann Conrad Leonhard, der 1798 in Hanau gestorben war [Scheffler 1976, S. 467, Nr. 229]). Zuvor hatten andere Hanauer Fabrikanten keine präzise Schätzung abgeben wollen, da sich "wegen dazu erforderlichen besonderen, hernach nicht im gewöhnlichen Fabrications Gang weiter brauchbarer Modelle [...] und dergleichen, Gewinn und Verlust unmöglich voraus bestimmen laße" (die Äußerung belegt deutlich, daß die Hanauer Werkstätten schon gegen 1800 primär auf dem Gebiet der Serienfabrikation tätig waren).
Am 6. Januar 1804 legte der Kurfürst die für die Anfertigung der "Trophäe" vorzusehenden Beträge fest. Gleichzeitig bestimmte er, daß das erforderliche Silber der kurfürstlichen Silberkammer zu entnehmen sei. Noch im selben Monat wurde ein silbervergoldetes Kaffee- und Teeservice schwedischer Probe mit den Initialen FRS zur Einschmelzung freigegeben. Demnach war das Service in Schweden für den dem Hause Hessen-Kassel entstammenden König Friedrich I. gearbeitet worden, der von 1720 bis 1751 in Schweden regierte und seit 1730 in Personalunion zugleich Landgraf von Hessen-Kassel war. So ergibt sich für das der Einschmelzung preisgegebene Service wohl eine Datierung zwischen 1720 und 1751. Entsprechend dem Fortschreiten der Arbeit wurden die erforderlichen Silbermengen dem Goldschmied Kompff jeweils "in kleinen Quantitäten" ausgehändigt (die Abgabe des Services ist auch in dem im Hessischen Staatsarchiv Marburg bewahrten Inventar der Kasseler Silberkammer vermerkt; StAM Best. 4b, 428, S. 128 und 730; nach frdl. Mitteilung von Dr. Reiner Neuhaus).
Im Herbst 1804 waren die Silberpartien der "Trophäe" weitgehend fertiggestellt. Kompff hatte dem Werk, über seinen ersten Kostenvoranschlag hinaus, noch eine Standarte, eine Adlerfahne, ein Stabbündel, einen Bogen und einen Palmzweig hinzugefügt. Im Oktober des Jahres bat der Goldschmied um die Übergabe der goldenen Medaillen aus dem im Museum Fridericianum befindlichen Münzkabinett. Am 12. November legte dessen Direktor, Hofrat Dr. Ludwig Völckel (Lohr 1984, S. 10; Riedl 1993, S. 41, Anm. 116), ein Verzeichnis der neun Medaillen vor; zwei Tage später wurden sie der Hofkämmerei ausgeliefert und anschließend Kompff übergeben. Mit der Ausführung der in Silber gedrehten Fassungen der Medaillen beauftragte Kompff den Hofmechanikus Ernst Matthias Stolz (HHCSAC 1803, S. 4; Hoffmeister/Prior 1885, S. 120), der dafür 25 Reichstaler 8 Albus in Rechnung stellte.
Ebenfalls im Oktober 1804 drängte Kompff auf die Fertigstellung des Kurhutes. Hierzu berichtete Doering aus Hanau, daß das Handels- und Fabrikhaus Böhm "nach vielen fruchtlos abgelaufenen Versuchen", insbesondere die purpurrote Emaillierung zu realisieren, schließlich den Auftrag nach Genf weitergegeben habe (Genf war im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, neben Paris, das führende Zentrum der europäischen Emailkunst). Offensichtlich traf der fertiggestellte Kurhut wohl Anfang 1805 in Kassel ein. In der letzten Januarwoche oder in den ersten Februarwochen 1805 wurde die Widmungsinschrift von dem Kasseler Münzgraveur Wilhelm Körner (HHCSAC 1804, S. 62; Hoffmeister/Prior 1885, S. 60; Forrer 1907, S. 199; Thieme/Becker 1907-1950, Bd. 21, S. 177-178) - gegen Zahlung von 2 Reichstalern 16 Albus - aufgebracht. Die genaue Datierung ergibt sich aus dem Wortlaut der Inschrift: Dort wird Wilhelms Bruder Carl als Landgraf zu Hessen bezeichnet; den Landgrafentitel aber hatte Wilhelm I. seinen beiden Brüdern, die zuvor als Prinzen tituliert worden waren, erst am 25. Januar 1805 verliehen (Hessen 1996, S. 342). Knapp einen Monat später, am 21. Februar, wurde der Medaillenaufsatz aus Kassel abgesandt, wie aus den 1996 veröffentlichten Erinnerungen Kurfürst Wilhelms I. hervorgeht: "und am 21. ließ ich eine Trophäe aus massivem Silber, mit goldenen Medaillen besetzt, nach Schleswig expedieren, die ich meinem Bruder Karl als Gegengabe für eine Kanone übersandte, welche er mir im Jahr zuvor geschenkt" (Hessen 1996, S. 342).
Nach der Versendung des Medaillenaufsatzes reichte Kompff Anfang März 1805 seine Abschlußrechnung ein, die Hofintendant Johann Troemmer wenig später dem Hofmarschallamt vorlegte. Aus der Rechnung sowie aus dem damit verbundenen Vorgängen ergeben sich weitere Details, besonders im Hinblick auf das Silber- und Goldmaterial und dessen Feingehalt (z. T. sind entsprechende Rechnungen des Münzrats Dietrich Heinrich Fulda beigefügt; HHCSAC 1803, S. 62), der in der Kasseler Münze die Feingehaltsproben durchführte). So verwendete Kompff für die Blätter des Lorbeerkranzes Feinsilber mit einem Feingehalt von 15 Lot 14 Grän, während die "Mark rauh Silber" nur 12 Lot 13 Grän Feingehalt aufwies. Das Gesamtgewicht des für die "Trophäe" aufgewendeten Silbers betrug 43 Mark 6 Lot. Hingegen hatte Kompff aus der Silberkammer Silber mit dem Gewicht von 49 Mark 5 3/4 Lot erhalten. Das verbliebene Quantum gab er in der Form von Bruchsilber an die Hofkämmerei zurück. Für Kompff war mit der Übernahme des Kaffee- und Teeservices aus der Silberkammer eine erhebliche finanzielle Einbuße verbunden: Aus Zeitgründen war es dem Goldschmied nicht möglich gewesen, beim Einschmelzen des vergoldeten Silbers das Gold vollständig zu extrahieren; so mußte er nun der Hofkämmerei 84 Reichstaler 6 Albus 8 Heller für 7 Lot 8 3/4 Grän Gold vergüten. Doch bedeutete es für Kompff zumindest einen gewissen finanziellen Ausgleich, daß er anschließend den Auftrag zur Ausführung verschiedener Tafelsilberteile erhielt, welche - ihrem Silberquantum nach - die zur Ausführung der "Trophäe" aus der Kasseler Silberkammer abgegebenen Stücke ersetzen sollten.
Jede Deutung des Medaillenaufsatzes ist eng mit der ursprünglichen Bestimmung der "Trophäe" verknüpft, die von Anfang an als Geschenk Wilhelms I. an seinen Bruder gedacht war und auch späterhin im Besitz der Familie verblieb. Zunächst befand sich der Medaillenaufsatz wohl in Schloß Gottorf, dem Amtssitz des Landgrafen Carl, der als Statthalter die dänische Krone in den Herzogtümern Schleswig und Holstein repräsentierte. Möglicherweise wurde die "Trophäe" auch in der an der Schlei gelegenen Sommerresidenz Louisenlund verwahrt. Nach dem Tod des Landgrafen Carl (1744-1836), der seit 1766 mit Prinzessin Louise (1750-1831), Tochter König Friedrichs V. von Dänemark, verheiratet war, fiel ein Teil seines Kunstbesitzes - insbesondere die in Schloß Louisenlund befindlichen Objekte - an seine jüngste Tochter Louise Caroline (1789-1867), die seit 1810 mit Herzog Wilhelm von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck (seit 1825 -Glücksburg) vermählt war. Verschiedene Kunstgegenstände aus dem Nachlaß des Landgrafen Carl, die in den Besitz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg gelangten, befinden sich heute in Schloß Glücksburg und sind dort auch ausgestellt, wie etwa das Berliner Vogelservice der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (Pietsch 1986, S. 40-45, bes. S. 42f.).
Wilhelm und sein Bruder Carl, die beiden ältesten Söhne Landgraf Friedrichs II., waren schon in ihren Kinder- und Jugendjahren einander eng verbunden. In Kopenhagen und Göttingen wurden sie zusammen unterrichtet, bewohnten ein gemeinsames Zimmer und reisten zusammen (Ahlers 1996, S. 9). Im Alter von 15 Jahren trat Carl in dänische Dienste, da sich für ihn als zweitgeborenen Sohn nur außerhalb Hessens die Möglichkeit einer raschen Karriere bot (Ahlers 1996, S. 10). Doch Carls enge Beziehungen zu Hessen wie zu seinem Bruder Wilhelm blieben auch während der folgenden Jahrzehnte bestehen. Als Wilhelm IX. 1803 die Kurwürde für Hessen-Kassel erlangte (fortan trug er den Namen Wilhelm I.), reiste Carl nach Kassel, um an den Feierlichkeiten am 15. Mai 1803 teilzunehmen (Katalog Schleswig 1996, S. 34f., Nr. 53; Ahlers 1996, S. 13); der Prinz hatte seinen Bruder von der Reise absichtlich nicht unterrichtet, um ihn mit seiner Anwesenheit in Kassel zu überraschen. Etwa ein halbes Jahr später gab Kurfürst Wilhelm I. den Medaillenaufsatz in Auftrag, mit dem er - nach der für ihn und das Haus Hessen-Kassel scheinbar so bedeutsamen Rangerhöhung - seinen jüngeren Bruder zu ehren beabsichtigte, zugleich auch als Dank für das Geschenk der Kanone, wie aus dem zitierten Tagebucheintrag Wilhelms I. hervorgeht. Die Auszeichnung bediente sich dabei demonstrativ der Sprache der militärischen Attribute, wohl auch unter Bezug auf das kriegerische Präsent des Landgrafen Carl, der selbst zunächst vor allem seine Laufbahn als Militär absolviert hatte.
Vor diesem biographischen Hintergrund wird es verständlich, daß sich die oben aufgeführten Medaillen, die in die als Denkmal des Hauses Hessen-Kassel konzipierte "Trophäe" eingesetzt sind, nicht nur auf Wilhelm IX./I. und die Erlangung der Kurwürde, sondern besonders auch auf Verbindungen der landgräflichen Familie mit kurfürstlichen oder königlichen Häusern beziehen - sind doch auch die Heirat des Landgrafen Carl mit der dänischen Königstochter Louise sowie die Heirat seiner Tochter Marie Sophie Friederike mit dem nachmaligen dänischen König Friedrich VI. im Jahr 1790 glänzende Beispiele solcher königlichen Beziehungen des Hauses Hessen-Kassel (Siemer 1992, S. 3150).
Wie aus den erörterten Quellen hervorgeht, beruhen Entwurf und Modell der silbernen "Trophäe" auf der Zusammenarbeit von Heinrich Christoph Jussow und Johann Christian Ruhl, die schon bei früheren Werken - wie etwa dem Hessendenkmal (vgl. GS 6051) oder auch verschiedenen Ausstattungsgegenständen der Kasseler Schlösser - gemeinsam tätig waren. Im Falle des Medaillenaufsatzes hatte Ruhl bei der Umsetzung des zeichnerischen Entwurfs in die plastische Erscheinung verhältnismäßig großen Spielraum, so daß er maßgeblich zur definitiven Gestalt der "Trophäe" beitrug. Bemerkenswert erscheint die Tatsache, daß Ruhl ein wohl mehrteiliges Holzmodell fertigte, das den Ausgangspunkt für den Silberguß bildete. Somit wurde hier in einer ausgesprochen traditionellen Technik des bildhauerischen Goldschmiedemodells gearbeitet, nicht etwa im Medium von Wachs oder Ton (Katalog München 1989, S. 16-22, Lorenz Seelig). Stilistisch läßt die recht bewegte Figur der Victoria mit weich fallender Gewandung eine keineswegs strenge Spielart des Klassizismus erkennen. Zum Vergleich sei hier etwa auf die um 1813 in der Werkstatt Franz Jakob Schwanthaler entstandenen Eckfiguren des Ersten Münchner Krönungswagens im Marstallmuseum in Schloß Nymphenburg verwiesen (Petzet/Wackernagel 1967, S. 18, Abb. 29-32).
Zweifellos gehört der Medaillenaufsatz zu jenen Zeugnissen der Kasseler Hofkunst, die ihre unmittelbare Entstehung der Erlangung der Kurwürde verdanken. Als wichtigstes Denkmal sei hier nur das von Jussow geplante Wilhelmshöher Tor genannt, für dessen Bekrönung u. a. zwei ruhende Löwen vorgesehen waren (vgl. GS 5863). Ihrer unmittelbaren Motivik nach ist Kompffs "Trophäe" verschiedenen Ausstattungsstücken zur Seite zu stellen, die Wilhelm I. wohl 1803 für den neu eingerichteten Audienzsaal des Kasseler Residenzschlosses in Auftrag gab (Heppe 1995, S. 272-274). Hier fertigte Ruhl nach Jussows Entwürfen 1804 den - heute in Schloß Fasanerie befindlichen - Thronsessel (Schenk zu Schweinsberg 1972, S. 38, Abb. 34; Riedl 1993, S. 268, GrafKat. 41; Heppe 1995, S. 273f., Abb. 140), dessen aufwendig geschnitzte Bekrönung unmittelbar mit den kriegerischen Attributen des Medaillenaufsatzes zu vergleichen ist, bis hin zum Schuppenmotiv des Pfeilköchers (auch die geflügelten Löwen begegnen dort, nun als Lehnenstützen). Gleiches gilt für den ebenfalls von Ruhl nach Jussows Angaben gefertigten Rahmen für das von Wilhelm Böttner ausgeführte Gemälde der Huldigung der Generäle vor Wilhelm I. (Schenk zu Schweinsberg 1972, S. 60, Abb. 57); dessen Trophäenbekrönung weist u. a. auch das die Mittelachse bezeichnende Motiv der helmbekrönten (Herkules-)Keule auf. Deutliche Verwandtschaft zeigen ferner zwei geschnitzte Gueridons (Riedl 1993, S. 268f., GrafKat. 42) - wie der Gemälderahmen heute gleichfalls in Schloß Fasanerie -, die vermutlich aus dem Audienzsaal des Residenzschlosses stammen. Hier findet sich das Motiv der lagernden Eckfiguren des Sockels in Gestalt von geflügelten Sphingen - und nicht Löwen -, das Jussow von antiken Altären und Kandelaberpostamenten übernommen hat, wie sie sich in seinen römischen Zeichnungen nach Marmormonumenten in den vatikanischen Sammlungen finden (vgl. z. B. GS 6149). Ähnliche Bildungen begegnen einige Jahre früher auch bei Charles Percier (Ottomeyer/Pröschel 1986, Bd. 1, S. 343, Abb. 5.5.3.), der ebenfalls auf römische Vorbilder zurückgreift, so daß sich hier - wohl ohne direkte Abhängigkeit - Analogien zu den wenig späteren Arbeiten von Jussow und Ruhl ergeben. Bemerkenswert ist in solchem Zusammenhang der Hinweis in dem 1803 veröffentlichten Bericht über die neuen Räume des Residenzschlosses, daß das "ganze Ameublement [...] unter der Direktion des Hrn. Hofmarschalls, Grafen von Bohlen [...] verfertigt worden" (Denkwürdigkeiten 1803, S. S. 494). Friedrich Ludwig Graf von Bohlen war nach Aussage der Archivalien wiederum die maßgebliche Kraft, die seitens des Hofmarschallamts die Ausführung des Medaillenaufsatzes betrieb (s. HHCSAC 1803, S. 1).
In der deutschen Goldschmiedekunst des frühen 19. Jahrhunderts nimmt Heinrich Wilhelm Kompffs "Trophäe" eine Sonderstellung ein, die komplexe Ableitungen erfordert. An erster Stelle bildet der Medaillenaufsatz ein ausgesprochenes Kleinmonument aus kostbarem Material, wie es besonders im Bereich der fürstlichen Repräsentation begegnet. Die wohl einfachste Form ist die silberne Ausführung eines geläufigen Denkmaltypus, wie der Reiterdarstellung (genannt sei etwa die silberne Reiterstatuette König Friedrichs IV., ein Neujahrsgeschenk der Königin Louise von Dänemark, 1701 ausgeführt von Andreas Norman oder Nordmand in Kopenhagen; Katalog Florenz 1994, S. 120, Nr. 25). Typologisch bemerkenswerter ist das Kleindenkmal in einer spezifischen Gestalt, wie sie dem großformatigen Monument nicht möglich ist; verwiesen sei hier besonders auf die silberne Ehrentafel Johann Andreas Thelotts aus den Jahren um 1726-1729, die das Haus Wittelsbach verherrlicht (Katalog München 1994, S. 399-402, Nr. 97, Lorenz Seelig). Im Hinblick auf die "Trophäe" des Landgrafen Carl am bedeutsamsten ist die Form des explizit militärischen Kleinmonuments, das insbesondere Trophäen als kriegerische Attribute in reichlichem Maße einsetzt. Einen Höhepunkt der Gattung bildet das Schreibzeug "Tschesme" in der St. Petersburger Eremitage, das 1775 von Barnabé-Augustin de Mailly in Paris ausgeführt wurde (Katalog Leningrad 1986, Abb. 180-182; Mabille 1986, S. 318).
Über den Bereich des kleinplastischen Denkmals hinaus sind im Falle der "Trophäe" verschiedene Motivstränge formaler wie inhaltlicher Art zu fassen. Zumindest äußerlich ergeben sich bemerkenswerte Übereinstimmungen mit den Scheiben- und speziell den Strahlen- oder Sonnenmonstranzen, bei denen ein auf einem Sockel sich erhebender Engel die Gloriole mit dem Schaugefäß trägt (Thoma/Brunner 1970, S. 93, Nr. 104); dabei kann in ähnlicher Weise der Strahlenkranz auf den Flügeln des Engels ruhen. Freilich handelt es sich hier um äußerliche Parallelen, die nicht im Sinne einer "Säkularisierung" sakraler Formen gedeutet werden dürfen (im übrigen ließ Wilhelm IX. in seinem Kasseler Residenzschloß schon zu Beginn seiner Regierungszeit Gemälde und Skulpturen entfernen, die auf den Katholizismus seines Vaters Friedrich II. verwiesen; Heppe 1995, S. 274).
Speziell das Motiv des Baumes, der vornehmlich auf der Rückseite der silbernen "Trophäe" sichtbar wird, führt zu einer der möglichen Wurzeln des Typus. So existieren speziell bei den Habsburgern kleinplastische Monumente in Form von Bäumen, die - im Sinne eines Stammbaums - an ihren Zweigen Bildnisse der dem Hause angehörenden Herrscher tragen (Eichler/Kris 1927, S. 38, Abb. 10; Katalog Wien 1987, S. 104, Nr. 127). Als analoges Beispiel in der Medaillenkunst siehe die 1687 datierte Medaille Kaiser Leopolds I. mit dem Habsburger Stammbaum in Form von Bildnismedaillons, die - kreisförmig um das Bildnis Leopolds I. geordnet - die Zweige eines Baumes einnehmen (Domanig 1907, Nr. 686, Taf. 77), hier bestehen wiederum Verbindungen zu Wurzel Jesse-Darstellungen sowie etwa zu böhmischen Altären, die Heiligenbildnisse in Rankenwerk zeigen (Katalog München 1993, S. 104, Nr. 14). So werden zugleich das kräftige Wachstum und der ungefährdete Fortbestand der Dynastie verbildlicht, ganz im Sinne panegyrischer Schriften, die zur Veranschaulichung der scheinbar gesicherten Existenz eines Herrschergeschlechts das Motiv des immergrünen Baumes aufgreifen (Henkel/Schöne 1967, Sp. 202-206, s. v. Lorbeer; bes. Sp. 205f. zur Verbindung von Lorbeerbaum und bekrönender Kaiserkrone). Bei der "Trophäe" Heinrich Wilhelm Kompffs ist freilich der Stammbaumgedanke weniger manifest, wenngleich sich die Medaillen auf das Haus Hessen-Kassel und auf die Vorfahren Wilhelms I. bzw. auf dessen Vorgänger im Herrscheramt beziehen. Sinnfälliger ist der aus dem Lorbeerstamm hervorwachsende Lorbeerkranz, der - gleich einem Siegeskranz - die Scheibe mit den goldenen Medaillen umschließt und den bekrönenden Kurhut trägt, gleichsam als Frucht der ständigen Bemühungen wie der militärischen Unternehmungen Wilhelms IX./I. Der auch farblich hervorgehobene Kurhut wird damit zum wichtigsten Element der "Trophäe". Hier ergibt sich eine Parallele zur erwähnten Ehrentafel des bayerischen Herrscherhauses, bei der der bayerische Kurhut - mit ebenfalls blau geschmelztem Reichsapfel - als dominierendes Motiv die architektonisch verbildlichte "Domus Bavarica" mit den Darstellungen der Regenten überfängt.
Zugleich steht Kompffs "Trophäe" in der Tradition der mit Münzen und Medaillen besetzten Goldschmiedewerke (Nau 1979, S. 65-93; Katalog Hanau 1985, S. 37-53 [Hermann Schadt]; Kluge 1987, S. 129-146; Irmscher 1992, Heft 4, S. 11-14). Meist handelt es sich dabei - im Gegensatz zum Kasseler Kleinmonument - um Gefäße oder Geräte, die zumindest potentiell dem Gebrauch, etwa im Rahmen des Trinkzeremoniells, dienen können. In vereinzelten Fällen zeigt sich hier die Tendenz, die Münzen oder Medaillen unter dem Gesichtspunkt eines verbindenden Programms - vor allem aber im Kontext von Dynastie oder Territorium - zusammenzustellen. Vornehmlich seit dem 18. Jahrhundert wird zudem das Bestreben deutlich, den Objekten ausgeprägten Schaucharakter zu verleihen und etwa Kannen und hohen Bechern markante Ansichtsseiten zu geben (Katalog Nürnberg 1982, S. 215, Nr. 338 sowie S. 212, Abb. 71). Zudem neigt man nun - besonders seit dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts - dazu, den zwischen den Münzen und Medaillen sichtbaren Grund der Wandung nicht mit Dekor zu beleben, sondern glatt zu belassen, so daß sich die großen Münzen und Medaillen vor dem polierten Fond abheben (Katalog Nürnberg 1982, S. 207; Klaus Pechstein). So greift die Kasseler "Trophäe" durchaus Züge der Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts auf, freilich im Sinne einer prononciert denkmalhaften Präsentation. Hier macht sich überdies die den Münzen und Medaillen per se innewohnende Tendenz der Zusammenstellung nach dekorativen Gesichtspunkten bemerkbar, was nicht zuletzt auch für die Münzen und Medaillen als Sammelobjekt gilt. Verwiesen sei etwa auf die Münzsammlung des Nürnberger Rats, die ehemals in eine silberne Tafel montiert war (Katalog Nürnberg 1982, S. 205; Hermann Maué). Schließlich ist auch die kreisförmige Anordnung der neun Medaillen selbst an Prinzipien angelehnt, wie sie sich in der Medaillenkunst finden, indem z. B. Porträtmedaillons im Rund um einen zentralen Bildnistondo plaziert sind (Domanig 1896, S. 24f., Nr. 288, Taf. XLII).
In der Folge der komplexen Motive, die Kompffs Medaillenaufsatz miteinander kombiniert, ist auch das Trophäenarrangement zu nennen, das dem Objekt in den zeitgenössischen Quellen seinen Namen "Trophäe" gegeben hat (zum Begriff und zur Motivik der Trophäe s. Klemm 1979, S. 244-250). Primär sind hier im großplastischen Bereich etwa Grabmäler oder auch ephemere Dekorationen (Popelka 1994, u. a. Abb. 85 u. 146) zu nennen, die vorrangig der Verherrlichung eines Heerführers dienen. Eine weitere Quelle der Inspiration stellen graphische Inventionen dar, wie der von Sébastien Le Clerc ausgeführte Stich zu Ehren Herzog Karls von Lothringen (Watzdorf 1962, Bd. 1, S. 220, Abb. 283), der zwei Ruhmesgöttinnen vor einem von Trophäen eingefaßten Obelisken zeigt. Nicht zuletzt sind plastische Trophäen im kleinen Format - außerhalb des Bereichs der ausgesprochenen "Kammermonumente" - zu nennen, wie die türkischen Trophäen mit Gefangenen, die zu dem 1770/72 für Katharina II. gefertigten Tafelaufsatz der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin gehören (Katalog Kassel 1997/2, S. 154-159, Nr. 108-136, bes. S. 158, Nr. 130). Nur am Rande sei hier ein Beispiel aus einer gänzlich anderen Sphäre genannt, das auf die Siege Konstantins des Großen verweist: das in Gubbio bewahrte Heiligkreuz-Reliquiar Giovanni Giardinis aus dem frühen 18. Jahrhundert - in Form einer Trophäe mit Fahnen sowie zumeist, aber nicht ausschließlich, römischen Feldzeichen und sonstigen antiken Waffen -, das in einem zeitgenössischen Stich Maximilian Joseph Limpachs reproduziert ist (Montagu 1996, S. 119, Abb. 185-186). Daß gerade im frühen 19. Jahrhundert, in der Ära der napoleonischen Kriege, Trophäenbildungen in dekorativem Kontext großen Anklang fanden, erweisen besonders entsprechende Uhren und Leuchter aus vergoldeter Bronze, die sich weitgehend auf antikische Waffenarrangements beschränken (Ottomeyer/Pröschel 1986, Bd. 1, Taf. XXXVI u. XXXVII).
Gerade die Tatsache, daß sich für die Kasseler "Trophäe" keine unmittelbaren Vorbilder anführen lassen, vielmehr verschiedenartige Anregungen zu einem durchaus selbständigen Gebilde von eigenwilliger Form verschmolzen sind, unterstreicht die außerordentliche Originalität des Medaillenaufsatzes, der aus der Zusammenarbeit verschiedener Kasseler Künstler und Kunsthandwerker - unter maßgeblicher Prägung durch Heinrich Christoph Jussow - hervorgegangen ist; möglicherweise war an der Konzeption auch der genannte Kasseler Antiquar Ludwig Völckel beteiligt, ein Schwager des Bildhauers Johann Christian Ruhl. So bildet die silberne "Trophäe", die eine vermittelnde Stellung zwischen der Plastik einerseits sowie der Goldschmiede- und der Medaillenkunst andererseits einnimmt, eine bemerkenswerte Leistung des deutschen Klassizismus vor der unmittelbaren Einwirkung des "style Empire", der in Kassel schon wenige Jahre später mit dem Königreich Westfalen Einzug hält (für großzügige Unterstützung und kollegiale Hilfe bin ich Dr. Ekkehard Schmidberger sehr zu Dank verpflichtet; für weitere wichtige Hinweise danke ich Dr. Christiane Lukatis, Dr. Reiner Neuhaus, Dr. Hans Ottomeyer und Dr. Peter Volk; allen Dank sage ich ferner Herrn Bodo Paeske, der mir 1997 in Schloß Glücksburg die Untersuchung der "Trophäe" ermöglichte, die ich dort 1985 identifiziert und mit dem unbekannten Aktenfaszikel in Kassel in Verbindung gebracht hatte).
Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [LS]


Literatur:
Seelig 1998, S. 166; Katalog Kassel 1999/CD-Rom; Katalog Kassel 1999/1, S. 258, Kat.Nr. 110


Letzte Aktualisierung: 28.07.2015



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum