12.5.3.1 - Entwurf zu einer Villa, Aufriß



12.5.3.1 - Entwurf zu einer Villa, Aufriß


Inventar Nr.: L GS 5542
Bezeichnung: Entwurf zu einer Villa, Aufriß
Künstler: Simon Louis Du Ry (1726 - 1799), Zeichner/-in
Datierung: um 1755
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, grau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: "PL" (ligiert)
Maße: 51,4 x 87,3 cm (Blattmaß)
Maßstab: unbezifferter Maßstab ohne Maßeinheit
Beschriftungen: verso: "S. L. du Ry, Schloss-Entwurf (um 1755)" (Graphit)


Katalogtext:
Der Entwurf zu einem frei stehenden Gebäude in der Tradition italienischer Gartenvillen zeigt das Bestreben Du Rys, den überkommenen Bautypus in eine zeitgemäße Architektursprache umzusetzen.
Bei der Darstellung der Hauptfront fällt dabei der Kontrast der stereometrischen Gesamtform zum reichen Schmuck durch Skulpturen und Ornamente auf. Vor allem die beiden deutlich vortretenden Risalite mit großen glatten Wandflächen, die akzentuierte horizontale Gliederung bis hin zu einer das Dach verdeckenden gestuften Attika über dem Kranzgesims bewirken das blockhafte Erscheinungsbild. Dieser architektonischen Grundstruktur, die Ähnlichkeit mit der Villa Borghese in Rom aufweist, ist der Bauschmuck bei aller Vielfältigkeit untergeordnet. Ungewöhnlich und für Simon Louis Du Rys Werk singulär sind dabei die auf wuchtigen Postamenten plazierten Freiskulpturen vor dem Erdgeschoß. In der zentralen offenen Vorhalle bilden zwei große Vasen vor rundbogigen Nischen sowie eine von Löwen flankierte Büste über dem Portal entsprechende plastische Akzente. Mit den von Girlanden behängten Löwen, die eine Tatze auf eine Kugel stützen, kommt auf den Risaliten ein weiterer auffälliger und an dieser Stelle etwas befremdlicher Skulpturenschmuck hinzu.
Während sich Du Ry in der Architektursprache um Modernität bemühte, setzte er bei der Bauplastik und dem skulpturalen Schmuck in bemerkenswertem Umfang auf Zitate antiker und barocker Vorbilder in Rom. Diese können teilweise konkret benannt werden, nicht zuletzt, weil sie in zwei erhaltenen Skizzenbüchern des Architekten erscheinen. So gehen etwa die weiblichen Figuren rechts der Vorhalle auf die Figuren einer Isis sowie einer Priesterin in den Kapitolinischen Museen zurück (Stuart Jones 1912, S. 15, 354, Taf. 88 u. S. 345f., Nr. 6, Taf. 86; frdl. Hinweis von Simone Vogt). Du Ry hatte sie abgezeichnet und mit dem Vermerk "au capitole" versehen (mhk, Graphische Sammlung, Marb. Dep. II, 413.6, fol. 2r). Ebenfalls auf dem Kapitol zeichnete er einen zylindrischen "Pied d’esteaux portans Statues" (Livre d’etudes faites à Rome en 1753 […], mhk, Graphische Sammlung, GS 1625, fol. 12r), der als Postament der Vasen in der Vorhalle wieder erscheint. Für die Brüstungsreliefs der Erdgeschoßfenster wiederum diente ein Relief in der Villa Borghese als Vorlage, das einen schreitenden und Girlanden tragenden Putto zeigt (GS 1625, fol. 84r). Auch bei weiteren Motiven wie den Reliefs über den Risaliten mit Darstellungen eines Triumphzugs und einer Opferszene oder den Friesen mit sitzenden Greifen und Girlanden haltenden Adlern dürfte Du Ry auf antike Stücke zurückgegriffen haben, die bislang jedoch noch nicht sicher identifiziert werden konnten. Zu den Antikenzitaten treten mit den Portal- und Fensterrahmungen sowie den Wandnischen ausgesprochen barocke Architekturelemente italienischer Prägung.
Der Entwurf stellt in dieser Verknüpfung ausgeprägt frühklassizistischer Architektursprache mit barocken Elementen sowie bemerkenswert intensiven Antikenzitaten einen Sonderfall im erhaltenen zeichnerischen Oeuvre Simon Louis Du Rys dar. Das Blatt bildet mit zwei weiteren Stücken, der Wiedergabe der Fontana di Trevi (Marb. Dep. 38) und dem Entwurf für einen Gartentempel (L GS 12817), eine Gruppe von Zeichnungen, die aufgrund ihrer großen Formate und aufwendigen Ausführung einen sehr repräsentativen Charakter aufweisen. Aufgrund des gemeinsamen Wasserzeichens eines ligierten PL mit Sicherheit während des Romaufenthalts oder in unmittelbarer zeitlicher Nähe entstanden (vgl. auch die während des Romaufenthalts entstandenen Blätter L GS 13836, L GS 13837, L GS 13841 u. Marb. Dep. 38 mit diesem Wasserzeichen), könnten diese Darstellung als Proben des zeichnerischen und entwerferischen Könnens zur Vorlage beim Landgrafen gedacht gewesen sein. Anders als bei den beiden genannten Blättern ist das vorliegende allerdings nicht ganz vollendet worden, wie aus der fehlenden Rahmung ersichtlich wird.
Erwähnung verdient, daß einige der verwendeten Motive sich nochmals bei dem Entwurf zu einem Gartentempel finden, der später von Du Rys Kasseler Schüler Johann Henrich Wolff vollendet wurde (L GS 12817, ebenfalls Wasserzeichen mit ligiertem PL). Hier erscheinen die großen Vasen auf den zylindrischen Postamenten ebenso wie die Löwen mit Kugeln sowie die Freiskulpturen.
Stand: August 2007 [GF]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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