1.27 "Fürstenhaus"


Die 1805 durch Kurfürst Wilhelm I. begonnene Anlage eines sechseckigen Platzes sollte am Übergang von der Oberneustadt zur Wilhelmshöher Allee einen repräsentativen Stadteingang schaffen, dessen einheitliche Architektur von dem neuen Wilhelmshöher Tor gekrönt werden sollte (zur Platzanlage des heutigen Brüder-Grimm-Platzes vgl. auch GS 5867 sowie Fenner 1998, S. 36-40 und zum Wilhelmshöher Tor GS 5863, GS 5864, GS 5865 u. GS 9556).
An der Nordwestseite des von Jussow geplanten Platzes war zunächst eine aus drei gestalterisch aufeinander abgestimmten Einzelgebäuden bestehende Baugruppe vorgesehen (vgl. GS 5867). Eines dieser drei Häuser, das direkt an das nördliche Wachgebäude des Wilhelmshöher Tores anschließende Haus des Schlossermeisters Henrich Kochendörffer, scheint nach Jussows ursprünglichen Vorstellungen ausgeführt worden zu sein (das Haus war von Kochendörffer 1808 in das Kataster der Brandkasse eingetragen worden; GStA PK, V. HA Königreich Westfalen, Rep. 20 II.A Nr. 94). Die von dem Maurermeister Friedrich Burghard Seidler in der Mitte und dem Schmiedemeister Nicolaus Kochendörffer, dem Bruder des oben Genannten, an der Ecke geplanten Bauten wurden aufgrund der französischen Besetzung Kurhessens im Oktober 1806 nicht mehr ausgeführt (der Fassadenentwurf Jussows für das Haus Seidlers hat sich im Hessischen Staatsarchiv Marburg erhalten [StAM Best. 53f, Nr. 360]; er wurde leicht variiert beim Bau eines anderen Hauses am Wilhelmshöher Platz verwendet [Brüder-Grimm-Platz 4];vgl. dazu Fenner 1998, S. 40-42 Abb. 1). Anstelle der zwei geplanten Privathäuser entstand das Verwaltungsgebäude der Amortisationskasse des Königreichs Westphalen. Architekt des später in "Hôtel de l'Intendance générale du trésor public" umbenannten Projekts war wiederum Jussow. Die Fertigstellung des Gebäudes, dessen Baubeginn nicht klar ist, aber um 1808 liegen dürfte, zog sich bis 1811 hin.
Nach der Wiederherstellung des Kurfürstentums Hessen kam der Baukomplex mit dem ehemaligen Kochendörfferschen Haus in kurfürstlichen Besitz und diente kurzzeitig als Wohnung des Kurprinzen und danach anderer fürstlicher Personen. Diese erst nach 1813 einsetzende Nutzung als "Fürstenhaus" ist bisher stets fälschlich bereits für die Zeit um 1806 angenommen worden. Das hat zu Fehlinterpretationen des scheinbaren Kontrasts von höfischer Nutzung und äußerlicher Schlichtheit geführt (Holtmeyer 1923, S. 416; Manuskript Schuchard/Dittscheid; Dittscheid 1983/2, S. 46f.; Wolter 1991, S. 58f.).
Das "Fürstenhaus" diente seit der Annexion Kurhessens durch Preußen 1866 als Sitz des Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde es später abgebrochen und durch einen ähnlich proportionierten Bau ersetzt.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [GF]




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