1.28 Verwaltungsgebäude


In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde eine Erweiterung der Residenzstadt Kassel nach Westen erneut thematisiert. Friedrich Wilhelm, der seit 1831 mitregierte, plante diesbezüglich ein größeres Bauvorhaben. Parallel zur Königsstraße sollte eine mit dieser gleich lange Prachtstraße, die Friedrich-Wilhelms-Straße, entstehen, die von einem dreiviertelkreisförmigen Platz am westlichen Ende zu einem halbkreisförmigen Platz am östlichen Ende führte. Am Schnittpunkt von "Cölnischer" Allee und Friedrich-Wilhelms-Straße wurde von der Hofbaudirektion, wie zwei Entwürfe aus dem Jahr 1833 von Julius Eugen Ruhl verdeutlichen, ein Platz in kreisrunder bzw. rechteckiger Form geplant, der Friedrich-Wilhelms-Platz, mit einem von dort auslaufenden System symmetrischer, sich kreuzender und diagonal verlaufender Straßen. In dessen Zentrum sollte das neue Ständehaus plaziert werden. Das rechteckige Stadterweiterungsgebiet sollte von einem breiten Boulevard umschlossen werden, den im Bereich der Straßenmündungen Halbrondelle mit Brunnenstellungen erweitern sollten (Holtmeyer 1923, S. 59). Zwar war kein Prachtboulevard mit palastartiger Wohnbebauung geplant, wie ihn Klenze mit der Ludwigsstraße in München zwischen 1816 und 1831 realisierte (Katalog München 2000, Kat. Nr. 43, S. 271), wohl aber ein groß dimensioniertes, städtebauliches Projekt mit politischer Aussagekraft, das unmittelbar mit dem Namen des neuen Regenten verbunden war.
Das trapezförmige Areal zwischen der "Cölnischen" Allee und einer neu anzulegenden, diagonal verlaufenden Straße (der heutigen Schomburgstraße; Holtmeyer 1923, S. 60 irrt mit seiner Nennung der Kurfürstenstraße, die mit dem Verlauf der damals geplanten Museumsstraße identisch ist und demzufolge nur den nordwestlichen Teil des Areals umfaßte) war als Standort für ein weiträumiges Verwaltungsgebäude vorgesehen, dessen Hauptfront zum Friedrich-Wilhelms-Platz ausgerichtet werden sollte. Der Bau hätte das Ständehaus im Platzzentrum funktional ergänzt. 1834 entwickelte der Oberhofbaumeister Johann Conrad Bromeis in sechs Entwurfsfolgen mit jeweils einem Aufriß und zwei bzw. drei Grundrissen ein der Forschung bislang unbekanntes Konzept für eine entsprechende Anlage. Die Entwürfe sind Beispiele historistischer Entwurfspraxis, wobei unterschiedliche Grundrißvarianten und Aufrißstrukturen in unterschiedlicher stilistischer Ausprägung durchgespielt werden. So verwendete Bromeis in vier seiner Entwürfe (1., 2., 4. und 5.) Gestaltungsmerkmale italienischer Renaissance-Palazzi, die einer als "Florentinischer Stil" bezeichneten Variante des Rundbogenstils zugeordnet werden können. Für die Ausführung repräsentativer Fassadenansichten bei der dritten und sechsten Entwurfsfolge kamen dagegen klassizistische Architekturdetails zum Tragen. Bei dem Grundrißkonzept griff er zunächst auf die Entwurfslehre von Durand zurück, indem er ein Rastersystem mit Erweiterungsmöglichkeiten für die Anlage der verschiedener Raumfolgen und -größen zugrunde legte. Die nachfolgenden Grundrißentwürfe sind wesentlich vereinfacht und funktional praktikabel konzipiert.
Offensichtlich sind die Überlegungen über die erste Planungsphase nicht hinausgekommen. Insgesamt wurde nur ein kleiner Teil der projektierten Stadterweiterungsmaßnahmen auch tatsächlich verwirklicht. Nach dem dritten, von Ruhl ausgeführten Entwurf entstand das Ständehaus in der Westflucht der Friedrich-Wilhelms-Straße, dem heutigen Ständeplatz. Die Bebauung an der Friedrich-Wilhelms-Straße und dem umgebenden Straßensystem schritt nur zögerlich voran. Bis 1837 konnte außer dem Ständehaus nur das Schwarzenbergische Haus fertiggestellt werden (Holtmeyer 1923, S. 60).

Stand: September 2004 [MH]




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