1.71 Elisabethkirche


Nach der Konversion des Erbprinzen Friedrich, des späteren Landgrafen Friedrich II., zum katholischen Glauben mußte sich dieser den Bestimmungen der sog. Assekurationsakte von 1754 unterwerfen, die Landgraf Wilhelm VIII. zur Sicherung des evangelischen Bekenntnisstandes in der Landgrafschaft Hessen-Kassel erließ (Both/Vogel 1973, S. 15-18; Fenner 1981, S. 3-7). In dem Dokument wurde der Bau von katholischen Kirchen untersagt, aber die Einrichtung einer "besonderen Capelle in oder naechst dem hiesigen Schloß" für den Privatgottesdienst Friedrichs gestattet (Fenner 1981, S. 4 u. S. 14, Anm. 19). Diese Kapelle wurde in dem 1770-1776 von Simon Louis Du Ry errichteten "Geistlichen Haus", der späteren Pfarrkirche St. Elisabeth, am Friedrichsplatz untergebracht (zur Elisabethkirche vgl. Gerland 1895, S. 107-111; Holtmeyer 1923, S. 219-228; Boehlke 1958, S. 110-113; Fenner 1981). Das in städtebaulich markanter Lage zwischen der dem Schloß zugeordneten Rennbahn und dem Friedrichsplatz plazierte Gebäude enthielt außer dem Sakralraum und einem Gemeindesaal noch die Wohnungen für die drei hier tätigen katholischen Geistlichen. Das äußere Erscheinungsbild ließ die Funktion als Gotteshaus nicht erkennen, sondern war wie sein städtebauliches Pendant, das 1767-1769 ebenfalls von Du Ry entworfene Palais Jungken am Friedrichsplatz, in den Formen eines Palaisbaus gestaltet. Dieser Eindruck änderte sich erst 1810 durch das Aufsetzen des Dachreiters nach der 1808 durch König Jérôme veranlaßten Umwandlung der Hofkapelle in eine Pfarrkirche (Holtmeyer 1923, S. 220f.; Fenner 1981, S. 19). Die Kapelle im Innern zeichnete sich durch eine originelle Raumdisposition und eine anspruchsvolle Ausstattung aus. Die Besonderheit der Bauaufgabe lag darin, die unterschiedlichen Repräsentations- und Nutzungsansprüche des Innern mit einem Bautypus anderer Funktion und Tradition zu verbinden. Die gefundene Lösung schätzte Du Ry selbst angeblich als sein bestes und einziges Werk ein, an dem er nichts zu verbessern wüßte (Gerland 1895, S. 110).
Das Gebäude befand sich aufgrund seiner besonderen Entstehungsgeschichte im Besitz des Staates, der somit auch die Baulasten zu tragen hatte. Bis zur Übergabe an das Innenministerium im Jahr 1831 lag die Betreuung bei der Hofverwaltung (Fenner 1981, S. 18, Anm. 16).
Bei den sieben die Elisabethkirche betreffenden Zeichnungen in der Graphischen Sammlung handelt es sich um Bauaufnahmen des 19. Jahrhunderts. Die erste von Hofbaukondukteur Justus Philipp Schnackenberg aus dem Jahr 1823 (GS 15698) könnte im Zusammenhang mit der Planung des 1826-1829 erbauten Hofverwaltungsgebäudes stehen. Als 1867 an eine bauliche Vergrößerung des Kirchengebäudes gedacht wurde (StAM Best. 17k, Nr. 311; vgl. Fenner 1981, S. 20), fertigte der als technischer Gehilfe des Regierungsbaurats Lichtenberg tätige Hugo Rehm (StAM Best. 165, Nr. 2013) eine vier Blätter umfassende Serie einschließlich eines Umbauentwurfs an (GS 12253, GS 15700, GS 15701, GS 19107). Diese Zeichnungen unterscheiden sich in ihrer sparsam lavierten Umrißliniendarstellung von der Schnackenbergs, die den von Heinrich Christoph Jussow und Johann Conrad Bromeis geprägten anschaulichen Zeichenstil der Kasseler Akademie widerspiegelt. Ein weiteres Blatt (GS 15699) steht in der Darstellungsweise und auch zeitlich denen Rehms nahe, ohne daß es bislang einem Architekten zugeordnet werden könnte. Allein das Hauptportal der Kirche zeigt eine mit Änderungsvorschlägen versehene Bauaufnahme von 1887, die von Baurat Schuchard abgezeichnet wurde (GS 15702).
Zu diesen Darstellungen der Kirche kommt noch ein wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Erweiterungsplanung entstandener Entwurf für einen neuen Tabernakel auf dem Hauptaltar (Marb. Dep. II, 153).
In mehrere der Zeichnungen Rehms wurden nachträglich Maßstäbe und -angaben im metrischen System eingetragen, da Rehm das Gebäude noch vor der Einführung der neuen Maße in kurhessischen Fuß vermessen hatte.

Stand: August 2007 [GF]




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