2.8 Mulang


Der "Mulang" oder auch "Moulang" war eine künstliche Siedlung im anglo-chinoisen Stil, die unter Landgraf Friedrich II. ab 1780/81 südlich der später zum Lac vereinten Teiche und des Tiergartens im Park von Schloß Wilhelmshöhe angelegt wurde. Dieses "chinesische" Dorf widmete sich der zeitgenössischen Vorliebe für chinesische Gartenkunst, die Hirschfeld 1779 etwas abfällig schilderte: "Unter allen Gärten, welche die übrigen Welttheile besitzen mögen, haben keine in den neuern Zeiten ein solches Ansehen erhalten als die chinesischen, oder das, was man unter diesem Namen reizend genug geschildert hat. Soviel ist gewiß, daß der Engländer von einem großen Vorurtheil für die Gärten in China bezaubert ist und daß der Franzose und mit ihm der Deutsche sich diesem Vorurtheil zu überlassen anfängt. Man verlangt jetzt nicht etwa Gärten, die mit eigener Überlegung, mit besserm Geschmack, als die alten angelegt wären; man verlangt chinesische oder chinesischengländische Gärten" (Hirschfeld 1779-1785, Bd. I, S. 81).
Das "chinesische" Dorf im Park Wilhelmshöhe sollte auch ökonomischen Zwecken dienen und beherbergte deshalb unter anderem Ställe für Rindvieh, Schafe, Parforcehunde und Packesel, eine "laiterie", die Milch, Butter und Käse für die fürstliche Tafel lieferte (vgl. Holtmeyer 1910, S. 287f.), sowie Wohnungen für das entsprechende Personal. Um dem Ganzen einen exotischen Anstrich zu geben, ließ man hier zeitweilig sogar die "Hof-Mohren" wohnen (Buttlar 1997, S. 71). 1790 wurde eine "Chausee" angelegt, die das Dorf querte und am Tiergarten vorbei bis zum 1789 angelegten Weg am Fuß der Kaskaden führte.
Nach Abschluß der grundlegenden Bauarbeiten 1791 erhielt die Siedlung ihren Namen, der vermutlich aus dem Chinesischen stammt (vgl. Temple 1990, S. 103f.; Steinhauer 1996, S. 28ff.). Wie sich zeigen sollte, eignete sich die zerstreut liegende Häusergruppe allerdings weniger gut für wirtschaftliche Zwecke. Deshalb wurde die Anlage ab 1797 verpachtet (Holtmeyer 1910, S. 287f.). In der Folge wurde eine Branntweinbrennerei eingerichtet und vieles umgebaut und auch abgerissen. Erhalten sind heute noch dreizehn Gebäude beiderseits der Mulangstraße, darunter die Pagode, die Küche und die Milchkammer sowie die "Bagatelle". Der Salon jedoch, der prächtig dekorierte Speise- und Tanzsaal, der im Zentrum der bekannten Darstellung des Mulang auf einem Tablett der Kasseler Porzellanmanufaktur von 1785 zu sehen ist (vgl. Temple 1990, Farbabb. S. 184), wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts abgebrochen.
Die in der Graphischen Sammlung aufbewahrten Zeichnungen, die mutmaßlich Gebäudeentwürfe oder Bauaufnahmen des Mulang darstellen, sind unsigniert und sehr unterschiedlich in ihrer Qualität. Leider gibt es wenig Hinweise auf die Zeichner und auf den Entstehungszeitpunkt der Blätter. Die Vermutung, daß Simon Louis Du Ry oder Heinrich Christoph Jussow, der eine Zeitlang das später "Bagatelle" genannte Haus im Mulang bewohnte und den Entwurf zur 1796 erstmals verzeichneten großen Scheune (GS 5838) lieferte, für die Gesamtkonzeption verantwortlich waren (vgl. Temple 1990, S. 103) läßt sich auch mit diesen Blättern nicht klären. Die unterschiedliche Qualität der Zeichnungen deutet darauf hin, daß hier möglicherweise auch die zuständigen Gärtner Entwürfe vorgelegt haben könnten, wobei vor allem der in Salzdahlum und Herrenhausen ausgebildete Hofgärtner Daniel August Schwarzkopf in Frage käme, der in England mit dem berühmten Philipp Miller vom Chelsea Physic Garden zusammengearbeitet hatte und 1766 bis 1793 für den Park Wilhelmshöhe zuständig war (vgl. Temple 1990, S. 99; Modrow 1998, S. 235). Die beiden Zeichnungen der 1784/85 errichteten Windmühle (GS 6323 u. GS 6325) könnten dagegen von dem ausführenden Werkmeister Arnholz stammen.
Weitere Zeichnungen mit Entwürfen für Häuser im Mulang befinden sich in Potsdam (SPSG, Plankammer, Bestand Kassel, in den Mappen XIV, XVII u. XX) und in der Plansammlung der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Bad Homburg v. d. H. (Bildarchivnr. 1850, 3191, 3612).

Stand: September 2004, überarbeitet Mai 2005 [UH]




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