3.54 Heydau


Von dem 1616-1619 unter Landgraf Moritz zum Schloß umgebauten ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Heydau bei Altmorschen (Müller 1934/35; Medding 1934/35; Groß 1991; Groß 2002) werden in der Graphischen Sammlung neun Zeichnungen zu den Gebäuden sowie zur Gartenanlage aufbewahrt. Sechs davon entstammen dem 18. Jahrhundert, während drei weitere 1848 im Zusammenhang mit nicht realisierten Umbauplänen entstanden. Das Blatt GS 14534 konnte im Rahmen des DFG-Projekts dem Park neu zugeordnet werden.
Eine zusammengehörige Serie von drei Blättern (L GS 8126 - L GS 8128) zeigt die Geschoßgrundrisse der früheren Klausurgebäude. Die Anlage ist in ihrer charakteristischen unregelmäßigen Form, jedoch insgesamt nur schematisch und nicht in den tatsächlichen Größenverhältnissen wiedergegeben. Die Grundrisse wurden dabei zur Vereinfachung der Arbeit durch Punktierung kopiert, so daß sich Fehler wie der falsch wiedergegebene Chorschluß der Kirche wiederholen. Die Mauern und Wände sind lediglich durch einfache Linien markiert, es finden sich nur die Türen, nicht aber die Fenster der Räume eingetragen. Alle Türen, die von den umlaufenden Fluren in die anschließenden Zimmer führen, sind durchlaufend mit roter Tinte numeriert. Diese Nummern stimmen mit denen in den Inventaren des 18. Jahrhunderts (StAM Best. 4b, 771 u. StAM Best. 4b, 773) überein. Im Erdgeschoß werden fast alle Raumnutzungen vermerkt, in den Obergeschossen nur noch einige ausgewählte.
Die Rückseiten der Blätter zeigen in Graphit angefertigte Skizzen der drei Geschosse, ebenfalls mit Eintragungen der Raumnutzungen und der Türen- bzw Raumzählung. Einige freihändig mit der Feder nachgezogene Linien auf einer Zeichnung (L GS 8127) lassen vermuten, daß zunächst daran gedacht war, es bei diesen sehr schematischen und unproportionierten Skizzen bewenden zu lassen. Auch die Bezeichnung "Ohngefehriger Entwurff derer Zimmer" weist auf diese Funktion hin. Erst in einem zweiten Schritt wurden dann die sorgfältigeren Darstellungen mit Feder über Graphitvorzeichnungen auf den Vorderseiten der drei Blätter angefertigt. Wie die nachträglich in Graphit eingezeichneten Korrekturen im Erdgeschoß oder die Öfen im ersten Obergeschoß vermuten lassen, könnten die Blätter im Zusammenhang mit geplanten Veränderungen der Raumnutzung entstanden sein.
Die Grundrisse zeigen den Zustand, der durch die Umbauten in der Zeit Landgraf Karls zu Beginn des 18. Jahrhunderts erreicht worden war und der sich danach nicht mehr wesentlich änderte (vgl. Groß 2002, S. 39f.). Die an einigen Stellen eingetragenen Änderungsvorschläge deuten auf eine Weiterverwendung der Grundrißübersichten im 18. Jahrhundert hin. Der Schriftduktus der Bezeichnung steht dem in der Darstellung der Gesamtanlage (L GS 8125) nahe, so daß eine Entstehungszeit der drei Blätter im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts möglich erscheint.
Nachdem das Schloß Heydau seit etwa 1800 nicht mehr als zeitweiliger Aufenthaltsort der Landgrafen von Hessen-Kassel in Anspruch genommen wurde, ergab sich das Problem der künftigen Nutzung des Gebäudekomplexes (Wimmer/Böhm/Becker 1995, S. 37; Groß 2002, S. 42). In der Folgezeit verwendeten die Domänenpächter das Bauwerk für landwirtschaftliche Zwecke, wobei es nur zu wenigen Veränderungen der Bausubstanz kam. 1848 gab es Überlegungen für eine neue Verwendung als "Anstalt für weibliche Irre", 1849 als Krankenhaus für den Bezirk Hersfeld (StAM Best. 190a, Nr. 57). In diesem Zusammenhang dürfte die Serie von Bauaufnahmen des früheren Schlosses entstanden sein, von der drei in das Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg gelangten und seit dem Jahr 2000 als Dauerleihgabe in der Graphischen Sammlung verwahrt werden (Marb. Dep. II, 260 - Marb. Dep. II, 262; eine Notiz auf der Rückseite von Marb. Dep. II, 262 nennt fünf Zeichnungen). Alle drei Blätter sind von Oberbaudirektor Johann Conrad Bromeis signiert und in das Jahr 1848 datiert, jedoch dürften die Zeichnungen eher von einem Mitarbeiter angefertigt worden sein.
Die mit den Zahlen V bis VII bezeichneten Darstellungen zeigen Aufrisse des Ost-, Süd- und Westflügels, wobei lediglich der erstgenannte farbig laviert ist. Bei den beiden anderen wurden nur die Fenster braun und die horizontalen Streifen unter den Aufrissen rosa getönt. Bei allen drei Bauaufnahmen fallen mehrfach Vereinfachungen und Ungenauigkeiten auf, darüber hinaus aber auch nicht zu Ende gezeichnete Einzelheiten, etwa an den Gesimsen. Möglicherweise wurde die begonnene Arbeit abgebrochen, da sich die neue Nutzung nicht realisieren ließ.
Erst 1857 brachte man im Ostflügel ein Labor und eine Wohnung für die agrikultur-chemische Versuchsanstalt des Landwirtschaftlichen Zentralvereins unter (Groß 2002, S. 42f.). Wie ein Vermerk und verschiedene Korrekturen bei der Westansicht Marb. Dep. II, 262 belegen, wurde diese Zeichnung 1882 nochmals im Zusammenhang mit Bauplanungen verwendet.

Stand: September 2004, überarbeitet Mai 2005 [GF]




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