8.10 Paestum


Eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der antiken resp. griechischen Architektur spielten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Publikationen zum Tempelbezirk von Paestum. Die am Golf von Salerno gelegene Anlage wurde zwar seit der Renaissance von Interessierten besucht, aber erst im 18. Jahrhundert setzte eine Begeisterung ein, die Paestum zwischen 1764 und 1799 acht Publikationen bescherte, die sich ausschließlich mit der dortigen Architektur auseinandersetzten. Eine der frühen Arbeiten, die neben Bauaufnahmen erläuternde Texte präsentiert, legte Thomas Major 1768 unter dem Titel "The Ruins of Paestum" vor, die als die bedeutendste dieser ersten Publikationsphase anzusehen ist (Lutz 1991, S. 69; s. a. Kruft 1991, S. 241f.).
Die erste vollständige, korrekte deutsche Übersetzung des Werks von Thomas Major stammt von Albrecht Heinrich Baumgärtner ("Die Ruinen von Paestum oder Posidonia in Groß-Griechenland") und wurde im Jahr 1781 verlegt. Sie geht nicht nur im Wortlaut auf das Werk von Thomas Major zurück, auch die Kupfertafeln stimmen mit dieser Publikation überein (Lutz 1991, S. 115f.). Dieses Werk, das beweisen Wortlaut und Orthographie der Beischriften, bildete die Vorlage für die Serie von Paestum-Studien im Nachlaß Wolff, die Johann Henrich Wolff vermutlich im Rahmen seiner Ausbildung am Kasseler Collegium Carolinum erarbeitete (L GS 12521 - L GS 12526; s. a. Lutz 1991, S. 241f., Anm. 553). Im Gegensatz zu Jussow und seinem Bruder Henrich Abraham Wolff, von dem sich ebenfalls ein Paestum-Blatt im Familiennachlaß befindet (L GS 12516), hatte Johann Henrich kein Reisestipendium des Landgrafen erhalten und konnte die Bauten nicht selbst in Augenschein nehmen. Unsicherheiten in der Darstellung können auf diesen Umstand zurückgeführt werden.
Zu den weit verbreiteten Veröffentlichungen gehörte das im Jahr 1784 von Paolo Antonio Paoli herausgegebene zweisprachige Werk mit dem Titel "Paesti quod Posidoniam etiam dixere Rudera / Rovine della Città di Pesto detta ancora Posidonia". Paoli standen Zeichnungen aus dem Nachlaß von Felice Gazola zur Verfügung, die dieser nach eigenen Messungen angefertigt und bereits 1752 als Kupferstiche in Paris verlegt hatte. Teilweise gehen die Darstellungen von Paoli auf die Illustrationen von Thomas Major zurück. Nach Paolis Werk fertigte Heinrich Christoph Jussow seine Zeichnungen an (GS 6082, GS 6084, GS 6085, GS 6087, GS 6141). Dabei war er nicht auf diese Informationsquelle festgelegt, sondern es war ihm im Zuge eines Italienaufenthalts möglich, die Bauten vor Ort zu studieren (vgl. F. C. Schmid, Einleitung zum Kapitel: Studienblätter, Architektur in Paestum, in: Katalog Kassel 1999/CD-Rom).

Stand: Mai 2005 [MH]




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