8.22 Venedig


Die in einem Klebeband Julius Eugen Ruhls, betitelt "Calquen", aufbewahrten Zeichnungen venezianischer Baudenkmäler erweisen sich als im Format verkleinerte Nachzeichnungen von Abbildungen aus "Le fabbriche e i monumenti cospicui di Venezia", gezeichnet von Leopoldo Cicognara, Text von Antonio Diedo und Giovanni Antonio Selva, erstmals 1815 in Venedig veröffentlicht und in mehreren Auflagen nachgedruckt (hier konnte nur die zweite Auflage von 1838-1840 eingesehen werden, alle zitierten Tafelverweise beziehen sich auf diese Ausgabe). Die beiden Bände stellen eine umfangreiche Bestandsaufnahme der bedeutendsten Bauten Venedigs dar. Die Tafeln zeigen Fassaden, Grundrisse und eine reiche Fülle von Architekturdetails. "Dieses grosse Bilderwerk war die erste für lange Zeit hin massgebende Veröffentlichung zur venezianischen Architekturgeschichte. Sie war ihrem Stoff nach retrospektiv, ihrem Geiste nach vaterländisch, ihrem graphischen Stil nach klassizistisch. Wahrscheinlich stärkte sie in dieser dunklen Zeit das Nationalgefühl, und sicherlich war das mehrfach aufgelegte Werk eine Quelle für den baulichen Historismus in Europa, in den allmählich auch wieder altvenezianische Formen einflossen" (Forssman 1971, S. 93).
Der Schriftenabgleich ergibt, daß diese Nachzeichnungen nicht Julius Eugen Ruhl selbst, sondern Georg Jatho zuzuschreiben sind, der 1835-1837 eine Studienreise nach Italien und Frankreich unternahm, wovon weitere Zeichnungen im selben Band zeugen (vgl. z. B. GS 18370, GS 18363, GS 18364). In seinen Klebebänden sammelte der Kasseler Hofbaudirektor Ruhl offensichtlich Nachzeichnungen unterschiedlicher Herkunft, die ihm für sein eigenes architektonisches Schaffen wichtig erschienen. Seine Zusammenarbeit mit Jatho in der Hofbaudirektion und dessen früher Tod 1851 ermöglichten ihm vermutlich die Übernahme zahlreicher Blätter von dessen Hand.

Stand: August 2007 [UH]




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