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3.44.6.6 - Hanau, St. Mariae Namen, Ausführungsentwurf zur Turmfassade, Aufriß



3.44.6.6 - Hanau, St. Mariae Namen, Ausführungsentwurf zur Turmfassade, Aufriß


Inventar Nr.: L GS 8092
Bezeichnung: Hanau, St. Mariae Namen, Ausführungsentwurf zur Turmfassade, Aufriß
Künstler: Johann Caspar Stawitz (1807 - 1885), Architekt/-in, fraglich
Datierung: 1843-1848
Geogr. Bezug: Hanau
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, braun und grau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 76,3 x 51 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: oben rechts: "A. I" (Feder in Schwarz)
unten mittig: "Facade. / der im Bau begriffenen katholischen Kirche zu Hanau" (Feder in Schwarz)
in der Darstellung: "Anderer Thurm / Bogenfrieß im Giebel / mit senkrechten Füßen / Auf der Wimperge des / Thürgiebels fehlen die / Krapen u die Kreuzblume / Eine Stufe" (Feder in Schwarz)


Katalogtext:
Der vorliegende, mit "A. I" gekennzeichnete Fassadenriß ist Teil einer Serie, zu der ein Grundriß (L GS 8095), ein Seitenaufriß (L GS 8094) sowie ein Querschnitt (L GS 8093) gehören. Sie entstand im Zuge der zweiten Bauphase nach Einsturz der Kirche im Januar 1843 und ist vermutlich von dem Hanauer Architekten Johann Caspar Stawitz angefertigt worden, der den Wiederaufbau in den Jahren 1848 bis 1850 leitete. Aus Kostengründen wurde auf die Ausführung der basilikalen Baugestalt, die nach dem Entwurf von Julius Eugen Ruhl vorgesehen war, verzichtet und statt dessen eine pseudobasilikale Lösung ohne belichteten Obergaden bevorzugt.
Der vorliegende Fassadenriß geht, wie die perspektivische Darstellung L GS 13862 aus der ersten Planungsphase verdeutlicht, in wesentlichen Teilen noch auf die ursprüngliche Konzeption zurück. Ruhl hatte eine repräsentative Westfront entwickelt, deren erhöhter Mittelteil die anspruchsvolle basilikale Innenraumgliederung auch nach außen hin sichtbar machen sollte. Die Dreiteilung, die der dreischiffigen Raumstruktur entspricht, wird durch rahmende Lisenen mit zweifach abgesetztem rechteckigem Spiegel unterstrichen. Die seitlichen Mauerfelder zeigen Spitzbogenfenster mit hohem quadratischem Brüstungsfeld, dem die Lanzettstäbe des Maßwerks aufsitzen. Eine hohe Zwerggalerie bildet den schräg zum Mittelschiff geführten oberen Abschluß der seitlichen Fassadenfelder. Über der inneren Bogenstellung setzt ein zweiter glatter Lisenenabschnitt auf, der den erhöhten Mittelteil mit Giebelabschluß rahmt. Den dreigeschossigen Aufbau aus einem Portal mit Wimpergbekrönung, einer Fensterrose und einem Mauerabschnitt mit Oculi leitete Ruhl zusammen mit der gestreiften Steinschichtung der Fassade von der Struktur ober- und mittelitalienischer Kirchen ab (s. Assisi, Santa Chiara; Assisi, San Francesco, allerdings ohne den Schichtenaufbau), die er während seiner Italienreise selbst in Augenschein genommen hatte. Im Gegensatz zu den italienischen Vorbildern staffelte er die Geschosse jedoch nicht in klarer Trennung voneinander, sondern ließ sie unmittelbar aufeinander folgen. Zwischen dem ersten und dem zweiten Geschoß ist der Übergang so eng gewählt, daß die bekrönende Kreuzblume des Wimpergs von dem mehrteiligen Rahmenprofil des Rosenfensters überschnitten wird. Gerade in der Synthese der einzelnen Fassadenbestandteile zeigen sich die Schwächen des Ruhlschen Entwurfs. So erscheint die Zwerggalerie als oberer Abschluß überdimensioniert. Der mittlere, sehr gestaucht wirkende Fassadenteil hat dagegen einen nicht sehr repräsentativen Abschluß erhalten.
In der beschriebenen Form wurde der Entwurf im wesentlichen auch verwirklicht. Davon abweichend ist der Turm ausgeführt worden, der in der Form eines auf dem Dachfirst des Langhauses aufsitzenden Glockenturms angelegt war und sich durch einen rechteckigen Aufbau mit extrem flacher Bedachung auszeichnete (s. L GS 13862, GS 18374, GS 18376). Dessen Gestalt war erheblich besser auf die Westfassade abgestimmt als der hier vorliegende polygonale Turm unter einer Faltbedachung. Da der Turm direkt hinter der Fassade aufragt, wird er als deren obere Komponente wahrgenommen. Seine gebrochene Struktur steht der geschlossenen Mauerstruktur jedoch entgegen und beeinträchtigt so die Wirkung der Fassade. Zur Ausführung kam dann eine klarer strukturierte Variante mit einem oktogonalen Glockengeschoß auf rechteckigem Unterbau. Der Hinweis in Graphit "Anderer Thurm" vermerkt die Planungsänderung. Durch eine Blendgliederung aus Lisenen und einem Rundbogenfries werden Details der Fassadengliederung wieder aufgenommen. Weitere Graphiteinträge deuten auf Planungsänderungen hin. So wurde der Bogenfries im Giebel mit senkrechten und nicht mit abgefasten Enden ausgeführt. Auf die Verzierung des Wimpergs durch Blattkrabben und eine bekrönende Kreuzblume wurde verzichtet. Des weiteren ist eine Reduzierung bei der Stufenanzahl des Hauptportals vorgenommen worden. Bei den seitlichen Spitzbogenfenstern finden sich Korrekturen, die auf eine Entscheidung gegen den Dreipaß in einer Kreisumrahmung und für eine differenzierte Form mit einem Fischblasenornament hinweisen.
Stand: Mai 2005 [MH]


Literatur:
Lohr 1984, S. 103, Obj.Nr. 16, S. 125 m. Abb. 34


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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