3.130.2.12 - Wilhelmsthal, Schloß, Corps de Logis, Werkzeichnung des Kellergeschosses, Grundriß



3.130.2.12 - Wilhelmsthal, Schloß, Corps de Logis, Werkzeichnung des Kellergeschosses, Grundriß


Inventar Nr.: Marb. Dep. 11
Bezeichnung: Wilhelmsthal, Schloß, Corps de Logis, Werkzeichnung des Kellergeschosses, Grundriß
Künstler: unbekannt
Datierung: 1752 (vor)
Geogr. Bezug: Wilhelmsthal
Technik: Graphit, Feder in Schwarz und Rot, grau, grün und rosa laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: Lilie über Wappenschild mit zwei Schräglinksbalken, darunter "C & I HONIG"
Maße: 56,5 x 89,3 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab ohne Maßeinheit
Beschriftungen: in der Darstellung: Maßangaben (Feder in Schwarz und Grau)


Katalogtext:
Der Standort von Schloß Wilhelmsthal in einer gegenüber der Umgebung tiefer gelegenen und relativ feuchten Senke führte zu statischen und hydrotechnischen Problemen, mit denen die Bauerhaltung zeitweise auch heute noch konfrontiert ist. Die leichte Trapezform des Grundrisses - der nördliche Mauerzug ist einen knappen Meter länger als der südliche - läßt sich auf die notwendige Wiederverwendung der Fundamente des Vorgängerbaus zurückzuführen (Schmidt-Möbus 1995, S. 156). Auch nach dem Beginn der Bauarbeiten war noch keine endgültige Lösung für das Problem des feuchten Untergrundes gefunden worden. Daher wurde Simon Louis Du Ry angewiesen, auf seiner Studienreise von Frankreich nach Italien einen Umweg über Holland zu machen, um dort den Bau wasserdichter und bewohnter Kellergeschosse zu studieren (Gerland 1895, S. 67; Bleibaum 1926, S. 10; Dittscheid 1987, S. 12; Schmidt-Möbus 1995, S. 158). Die Nutzung des Kellergeschosses war sowohl im Südflügel als auch im Corps de Logis geplant. Hier sollte ein Badeappartement zusammen mit kühlen Räumlichkeiten für die Bedürfnisse einer sommerlichen Hofgesellschaft entstehen. Nachdem bei dem nördlichen Seitenflügel nur kleine Entlüftungsschächte zur Ausführung kamen, wurde für das Corps de Logis und später auch für den südlichen Seitenflügel ein Entwässerungssystem entwickelt, dessen Verlauf in diesem wohl als Werkzeichnung fungierenden Blatt eingezeichnet ist. Für die Umsetzung einer speziellen Drainagetechnik, die aus unterirdischen Kanälen und mehreren Überlaufbrunnen bestand, ist als Randzeichung zudem der Querschnitt eines "Hollanddrain" aufgeführt (Schmidt-Möbus 1995, S. 159).
Entsprechend der Raumverteilung in den oberen Geschossen entstanden eine mittlere Raumfolge sowie zwei flankierende Appartements. Als zentraler Raum fungiert dabei eine Art "sala terrena", deren Gestaltung mehreren Planungsänderungen unterworfen war. Sowohl die Idee eines säulenumstellten zentralen Springbrunnens, wie sie in dem Schnitt des Corps de Logis von Simon Louis Du Ry umgesetzt wurde (Marb. Dep. 31), ist verworfen worden, als auch der Entwurf eines Saales mit Säulenstellung, wie er hier und auf einer weiteren, von Lespilliez angefertigten Zeichnung der Kunstbibliothek Berlin (Hdz 4144, Bl. 64) zu finden ist. Die Wasserführung in Nord-Süd-Richtung zwischen der Säulenstellung hindurch ist neben der Du Ry-Zeichnung ein weiterer Hinweis auf die geplante Wasserspielanlage. Der hier verlaufende Kanal sollte die Wasserversorgung in diesem Abschnitt gewährleisten.
Daß dem Souterrain eine Bedeutung bei der Entwurfsplanung zukam, beweist die Überlegung zur Verbesserung der Lichtverhältnisse und zur Erhöhung des Geschosses (StAM Best. 40a, Rubr. 10, Nr. 5). Zur besseren Belichtung entstand ein Lichtschacht vor dem hofseitig gelegenen Vestibül. Die offen zugängliche, relativ große Treppe unter dem Haupttreppenhaus unterstreicht die Bedeutung des Untergeschosses. Eine besondere Verschränkung von Architektur und Garten hätte die Ausgestaltung eines grottierten Raumes bedeutet, der Schmidt-Möbus zufolge hofseitig vorgelagert denkbar wäre, wobei die südliche und nördliche Umfassungsmauer auf der Zeichnung dokumentiert sind (Schmidt-Möbus 1995, S. 162 u. 166).
Gesellschaftliche Funktion sollte auch dem Südappartement zukommen, das sich auf der Zeichnung aus einem kleinen quadratischen, wohl als Antichambre gedachten Raum, einem zum Garten ausgerichteten Speisesaal und einem Durchgang zur Küche zusammensetzt. Ein nördlich daran anschließender schmaler Raum ist als Abort mit einem direkt unterhalb verlaufenden Wasserkanal konzipiert.
Im Nordappartement waren Baderäumlichkeiten nach französischen Vorbild vorgesehen. Der private Zugang erfolgte hier vom Erdgeschoß aus über eine Tür im Garderobenwandschrank der Landgrafenwohnung (s. Marb. Dep. 10). In ähnlicher Anordnung plante Cuvilliés für den Fürstbischof Johann Theodor von Freising und Lüttich einen versteckten Zugang zum Baderaum (Schmidt-Möbus 1995, S. 180). Zwischen Gartensaal und eigentlichen Badesaal ist zunächst ein Antichambre gelegt. Der Badesaal selbst, entsprechend seiner Bedeutung zur Gartenseite gelegen, ist durch die gegenüber angeordneten Nischen identifizierbar, die für die ebenerdige Aufstellung von Wannen gedacht waren. Zur Ausführung gelangte aber eine andere Konstruktion, die auf einem Souterrain-Grundriß von Reissmann (StAM 300 P II 342/10, 1) im Hessischen Staatsarchiv Marburg verzeichnet ist und die Absenkung eines Beckens vorsah. Der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Kanal sollte die entsprechende Wasserversorgung ermöglichen. Ein in Ost-West-Richtung verlaufender abfließender Kanal war dagegen wie beim Südappartement für den Abort gedacht. Die westlichen Räume des Nordappartement bilden ein Badezimmer und ein Kabinett (Schmidt-Möbus 1995, S. 169-171 u. 175-180).
Das aus mehreren Streifen zusammengesetzte, ehemals auf Leinen aufgezogene Blatt ist aus restauratorischen Gründen inzwischen abgelöst und auf Papier montiert worden.
Stand: September 2004 [MH]


Literatur:
Schmidt-Möbus 1995, S. 159, 166, Kat.Nr. 35, Abb. 85


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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