1.84.1.3 - Kassel, Karlsaue, Entwurf zur Umgestaltung, Plan



1.84.1.3 - Kassel, Karlsaue, Entwurf zur Umgestaltung, Plan


Inventar Nr.: Marb. Dep. 254,1
Bezeichnung: Kassel, Karlsaue, Entwurf zur Umgestaltung, Plan
Künstler: Pierre Bourguignon (vor 1766 - um 1804), Gärtner
Datierung: 06.12.1785
Geogr. Bezug: Kassel
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, grün, blau und rot laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 92 x 50,9 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "fus"
Beschriftungen: unten links in Kartusche: "PLAN / NACH WELCHEN DER / FÜRSTL: AUGARTEN ZU EI- / NER INSUL UND DIE BASSINS UND CANA- / LEN SCHÜFFBAR UND FISCHREICH ZU / MACHEN, AUCH ÜBERHAUPT AUF EINE / NUTZBARE ART DURCH ANPFLAN / ZUNG GUDER SORDEN OPST BAUME / ZU VERBESSERN UND ABZUENDERN / IHRO HOCH / FÜRSTL: DURCH / LAUCHT HERRN / LANDGRAFEN / WILHELM IX / unterthänigst zugeeignet von / Pierre Bourguignon" (Feder in Braun)
oben rechts: "1" (Feder in Schwarz)
rechts: "DEMONSTRATION DES PLANS / Aus deßen von dem Capitain Seelig aufgenommenrn und in Kupfer herausgegebenen / Casselischen Situations-Plan siehet man, wie der Aue-Garten gegenwärtig ist, und / fange darnach von dem Canal der Westseite der Aue an, alß: A Ein Wehr in / der großen Fulda von 3 fuß hoch [...] B Eine steinerne Brücke, welche 14 Fuß hoch und 12 Fuß breit sayn muß, [...] C Das Canal von 20 Fuß breite Maßen damit gemächlich zwey Schiffe gegen einander ausbeugen können, [...] D Die Schlacht oder hafen [...] Da nun der Au-Garten nach dem französischen Gout etwas viel regulaires und striktes hat, so habe die Busquets L nach dem irrugilairen englischen Gout angebracht, und anstatt deren vielen Sorten Gehölze könnte man diese Busquets mit hochstämmigen Obstbäumen bepflanzen [...] Cassel den 6 ten Decembr: 1785." (Feder in Braun)


Katalogtext:
Der großformatige, sorgfältig kolorierte Plan des Gartens in der Aue unterhalb des Landgrafenschlosses in Kassel von Pierre Bourguignon ist das erste Blatt des Klebebands "Plans von Fürstlichen Gärten in Hessen" (zum Klebeband vgl. den Einleitungstext "Orte in Hessen, Hanau, Gartenanlagen")und wird in der Kartusche links unten bezeichnet als: "PLAN / NACH WELCHEN DER / FÜRSTL: AUGARTEN ZU EI- / NER INSUL UND DIE BASSINS UND CANA- / LEN SCHÜFFBAR UND FISCHREICH ZU / MACHEN, AUCH ÜBERHAUPT AUF EINE / NUTZBARE ART DURCH ANPFLAN / ZUNG GUDER SORDEN OPST BAUME / ZU VERBESSERN UND ABZUENDERN". Ergänzend zu dieser Beschriftung füllt auf der rechten Seite des Blattes eine ausführliche Erläuterung den freien Raum neben der Zeichnung, die sehr genau die Veränderungen schildert, die nötig wären, um die Kanäle wieder schiffbar und den Garten allgemein ertragreicher zu machen. So heißt es etwa: "Da nun der Au-Garten nach dem französischen Gout etwas viel regulaires und striktes hat, so habe die Busquets L nach dem irrugilairen englischen Gout angebracht, und anstatt deren vielen Sorten Gehölze könnte man diese Busquets mit hochstämmigen Obstbäumen bepflanzen", gefolgt von einer genauen Auflistung der Obstsorten, die angebaut werden könnten.
Grundlage des Plans ist, wie es in der Erläuterung heißt, der von Friedrich Wilhelm Selig 1781 herausgegebene große Situationsplan von Kassel. Der Vergleich mit diesem macht deutlich, daß die Erwägungen Bourguignons das grundlegende System von Alleen und Kanälen kaum tangieren. Bemerkenswert ist allein die Tatsache, daß die Kanäle am Bowlinggreen vor der Orangerie zusammengeführt werden, wodurch der größere, fächerförmig aufspringende Gartenbereich inselartig abgetrennt und nur noch durch eine Brücke zugänglich ist. Die Auflockerung der mit L gekennzeichneten Boskette nach "englischem Gout" erfolgt durch weitgehend regelmäßige, sich symmetrisch wiederholende Wege, noch weit entfernt von einer den natürlichen Gegebenheiten folgenden freien Wegführung.
Die Datierung des Plans auf den 6. Dezember 1785 fällt in die ersten Monate der Regierungszeit Landgraf Wilhelms IX., dem der französische Gartenstil mißfiel und der deshalb eine Umwandlung des Geländes in der Karlsaue in einen englischen Landschaftsgarten anstrebte. Darauf spielt die Erläuterung Bourguignons deutlich an. Ebenso ist auch der angesprochene Aspekt der Nutzbarmachung des Gartens durch Obstbaumpflanzung als eine Reaktion des Gärtners auf die bekannte Sparsamkeit des Fürsten zu interpretieren. Es ist deshalb entgegen der Annahme Beckers (Becker 1996, S. 55) keineswegs davon auszugehen, daß der Auftrag zu diesem Plan noch von Friedrich II. kurz vor seinem Tode im Oktober 1785 ausging. Vielmehr kann man vermuten, daß Pierre Bourguignon, der seit 1782 in Kassel mit eher untergeordneten Aufgaben beschäftigt war, sich mit diesem Plan bei dem neuen Landgrafen, dessen Vorlieben allgemein bekannt waren, positiv einführen wollte - ein Versuch, der aber augenscheinlich nicht erfolgreich war, da seine sehr moderaten Vorschläge nicht in die Tat umgesetzt wurden. Die Zeichnung wurde aber für würdig erachtet, in den Klebeband des späteren Kurfürsten aufgenommen zu werden.
Stand: September 2004 [UH]


Literatur:
Becker 1996, S. 55f., Abb. 20, 20a, 20b; Katalog Bielefeld 2000, Abb. 19, Rohde 2004, Abb. 28


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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