3.130.3.1 - Wilhelmsthal, Entwurf zu Schloß- und Gartenanlage, Plan



3.130.3.1 - Wilhelmsthal, Entwurf zu Schloß- und Gartenanlage, Plan


Inventar Nr.: Marb. Dep. 26
Bezeichnung: Wilhelmsthal, Entwurf zu Schloß- und Gartenanlage, Plan
Künstler: Simon Louis Du Ry (1726 - 1799), Zeichner/-in
Datierung: 1746 (vor)
Geogr. Bezug: Wilhelmsthal
Technik: Graphit, Feder in Schwarz und Grau, grau, braun, blau, grün und rosa laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: "C & I HONIG"
Maße: 79,3 x 61,6 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "Eschelle de 500 pieds de Cassell"
Beschriftungen: oben mittig: "Plan General d'Amelienthal." (Feder in Schwarz)
oben rechts: "9." (Graphit)
in der Darstellung: Erläuterungen (Feder in Grau)
unten rechts in Kartusche: Erläuterungen (Feder in Grau)
unten rechts in Kartusche: "[...] dessinné par S. L. Dury" (Feder in Grau)
verso: "Tafel 3" (Graphit)
verso: "1620 (a,7)" (Feder in Türkis)


Katalogtext:
Simon Louis Du Ry setzte sich in seinen Studienjahren intensiv mit der Gestaltung von Schloß und Garten des Corps de Logis von Wilhelmsthal auseinander. Bereits vor seinem ersten Auslandstudienaufenthalt in Stockholm ab Mai 1746 hatte er einen entsprechenden Plan erarbeitet, wie er in einem Brief an seinen Vater berichtet (Gerland 1895, S. 34). Unter Aufsicht seines schwedischen Lehrers Hårlemann beabsichtigte er daran weiterzuarbeiten, um ihn dann dem - damals noch als Statthalter fungierenden - späteren Landgrafen Wilhelm VIII. zuzusenden. Wie bereits von Bleibaum festgestellt, kann der hier vorliegende Gesamtplan als der in dem Brief erwähnte identifiziert werden (Bleibaum 1926, S. 18). Eine Anzahl von Erläuterungen in der Darstellungen selbst und in einer Rocaille-Kartusche in der rechten unteren Ecke könnten auf diese Form der nicht persönlichen Übermittlung zurückzuführen sein. Der von Du Ry signierte Plan gibt, wie bereits die alte Bezeichnung "Amelienthal" im Titel deutlich macht, einen frühen Zustand der Anlage wieder. Die später durchgeführte Achsendreiteilung innerhalb eines fünfeckigen Gesamtumrisses, wie aus dem Fünck-Plan (Marb. Dep. 9) ersichtlich, geht aus der Zeichnung noch nicht unmittelbar hervor. Das Schloß, zwar als Dreiflügelanlage abgebildet, jedoch mit später nicht ausgeführten Eckrisaliten am Corps de Logis, erscheint entgegen der späteren Umsetzung noch nicht als Ausgangspunkt einer von hier weiträumig ausstrahlenden Gartenlandschaft. In Hinblick auf die Ausbildung der Eckrisalite ergibt sich ein Zusammenhang mit drei Grundrißzeichnungen des Lespilliez-Nachlasses in der Kunstbibliothek Berlin (Hdz 4144/59-62; Bleibaum 1932, S. 41; Frank 1989, S. 193f.), die ein frühes Planungsstadium veranschaulichen. Möglicherweise stand Wilhelm selbst hinter der Idee für diesen Grundrißentwurf. Die von Robert de Cotte (1656-1735) vorgelegten Entwürfe für Schloß Tilbourg in Brabant, das sich von 1710 bis 1754 im Besitz des hessischen Prinzen Wilhelm befand, zeigen den prägnanten Schloßgrundriß mit den Eckrisaliten. Es ergeben sich weiterhin Gemeinsamkeiten zur später realisierten Raumdisposition von Wilhelmsthal. Zu seiten einer auf der Mittelachse liegenden Raumfolge aus Vestibül und großem Saal ordnen sich die verschiedenen Räume an (die Zeichnungen befinden sich im Cabinet des Estampes der Bibliothèque Nationale in Paris unter der Rubrik Topographie des Pays-Bas, dessins nos 472-480. B.N.Est.Vc 75; der Erdgeschoßgrundriß hat die Nummer 476; Rauch-Elkan 1958, S. 49).
Der Cour d'honneur ist als verbleibender Rest der ursprünglichen Wasserburg von einem Wassergraben umgeben. Verschiedene Elemente der später ausgeführten Gartenarchitektur finden sind auf diesem Blatt wieder, so am Beginn der Mittelachse die als point de vue geplante Kaskade mit dem vorgelagerten Wasserbecken. Angesichts der eingezeichneten Fontänen und dem zur Kaskade ausgerichteten Wasserfall deutet sich eine Verbindung zu einer Entwurfsvariante eines Fünck-Blattes (Marb. Dep. 7) an. Die Kaskade selbst ist nur umrißhaft angedeutet, so daß keine weiteren Informationen über den Aufbau ablesbar sind. Das im weiteren Verlauf der Mittelachse eingezeichnete runde Wasserbecken mit Fontäne ist wohl mit dem großen, jedoch später oval angelegten Wasserreservoir in Zusammenhang zu bringen. In dem Du Ry-Plan erscheint das Becken entgegen der realisierten Anlage als Mittelpunkt einer von hier ausfächernden Wegeführung mit dazwischen gelegenen unterschiedlich großen Rasenkompartimenten. Die seitlich des Wasserbeckens angelegten Heckenbosquets entsprechen demgegenüber den auch im Fünck-Plan an dieser Stelle eingezeichneten Gartenelementen. Die deutlichsten Übereinstimmungen zwischen dem Du Ry-Plan und dem später entstandenen Fünck-Plan (Marb. Dep. 9) finden sich im Rahmen der Darstellung der südlichen Gartenachse. Da sie als erstes Gartenprojekt umgesetzt wurde, konnte Du Ry offensichtlich auf bereits Ausgeführtes bzw. zur Ausführung Bestimmtes zurückgreifen. Den mittleren Bereich der Achse bildet die seit 1744 im Bau befindliche Grotte mit dem vorgelagerten querovalen Wasserbecken, von dem aus ein Kanal zu einem weiteren, längs ausgerichteten Becken führt. Oberhalb schließt als ebenfalls realisiertes Objekt ein segmentbogiges, großes Wasserbecken an. Die östlichen Gartenbereiche mit der Menagerie und der Kolonnade fehlen dagegen, und der am westlichen Beginn der Südachse gelagerte alte Küchengarten ("Alte Lustgarten" oder "Melonengarten") ist zwar vorhanden, aber nicht wie bei Fünck mit in die Planung einbezogen und zur Grottenachse hin ausgerichtet.
Verschiedene Elemente demonstrieren die noch ungelenke Zeichenweise des jungen Simon Louis Du Ry. Größenverhältnisse und Distanzen sind im Vergleich mit dem Fünck-Plan in verschiedenen Teilen nicht richtig gewählt.
Die Nummer "9" rechts oben und rechts unten verweist auf den ehemaligen Zusammenhang mit einem in der Graphischen Sammlung befindlichen Klebeband mit hessischen Gartenplänen, dessen einzelne Blätter von Landgraf Wilhelm IX. zusammengetragen wurden. Wann genau diese Zusammenstellung vorgenommen wurde, konnte nicht ermittelt werden; die goldene Prägung auf dem Buchdeckel "W. L. Z. H." (Wilhelm Landgraf zu Hessen) läßt aber auf einen Zeitpunkt vor der Übertragung der Kurfürstenwürde im Jahr 1803 schließen.
Stand: September 2004 [MH]


Literatur:
Gerland 1895, S. 42; Bleibaum 1926, S. 18f., Taf. 3; Hallo 1930/2, S. 76, 81; Bleibaum 1932, S. 15f., 41, 43; Braunfels 1938, S. 74, 77; Dreier 1962, S. 3, Abb. 17; Schmidt-Möbus 1995, S. 47, 53, 56, 64f., Kat.Nr. 2, Abb. 15; Katalog Turin 1999, S. 492, Kat.Nr. 223 T.


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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