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10.1.3.1 - Walhorn, Pfarrkirche St. Stephanus, Entwurf für den Hochaltar, Aufriß



10.1.3.1 - Walhorn, Pfarrkirche St. Stephanus, Entwurf für den Hochaltar, Aufriß


Inventar Nr.: L GS 14466
Bezeichnung: Walhorn, Pfarrkirche St. Stephanus, Entwurf für den Hochaltar, Aufriß
Künstler: Hugo Schneider (1841 - 1925), Architekt/-in
Datierung: 1869
Geogr. Bezug: Walhorn
Technik: Graphit, Feder in Schwarz
Träger: Transparentpapier
Wasserzeichen: -
Maße: 61,2 x 51 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "Fß. Rh."
Beschriftungen: verso: "Altar - Lutherkirche." (Feder in Blau)


Katalogtext:
Der in Tusche ausgeführte Präsentationsriß zeigt einen neogotischen Sakramentsaltar, der drei Stufen über den Chorboden erhoben ist. Der Altarblock besitzt ein vertieftes, durch schmale Profile gerahmtes Antependium, das drei Vierpässe aufweist. Die beiden äußeren zeigen Rankenwerk, der mittlere ein Kreuz mit Blattenden. An den Seiten springt die Stipes zweimal mit abgefasten Ecken zurück, schlanke Pfeiler stützen zu beiden Seiten die Altarplatte und profilierte Konsolen das Retabel, das etwas breiter als die Mensa angelegt ist.
Auf der Mensa sitzt mittig ein Tabernakel auf, dessen Türen mit stilisierten Weinranken und einem Schriftband geschmückt sind. Zu beiden Seiten des Tabernakels schließen sich niedrige Leuchterbänke an, über denen das Retabel zurückspringt. Zwischen Bündelpfeiler, aus denen sich schlanke, von Engeln mit den Leidenswerkzeugen bekrönte Fialen entwickeln, sind schmale Maßwerkarkaden eingespannt, über denen in Vierpässen die Evangelistensymbole zu sehen sind. Über diesen Darstellungen werden Wimperge von einem Gesims geschnitten, das auch als oberer Abschluß der Tabernakelzone dient. Maßwerkbrüstungen zwischen den Engelsfialen und den gleichfalls mit Maßwerk - vornehmlich Vierpässen und Dreischneußen - gefüllten Wimpergen bilden die abschließende Silhouette. Die Detailausbildung läßt Einflüsse des Hochaltars der Oberweseler Liebfrauenkirche erkennen, den Schneider 1865 sorgfältig studiert hatte (vgl. L GS 14467).
Auf dem Tabernakel sitzt in gleicher Breite ein Expositionsbaldachin auf, der mit einem Vorhang verschlossen ist. Vier schlanke, in Fialen auslaufende Bündelpfeiler markieren die Ecken und tragen Wimperge, die analog zu denen des Retabels ausgebildet, doch etwas größer sind und in den Giebelfeldern nicht allein Maßwerk zeigen. So ist in der Ansicht ein Pelikan, der seine Jungen mit seinem Blut füttert, als Symbol für den Opfertod Christi dargestellt. Der Baldachin wird, gleichsam als Miniaturausgabe desselben, von einem schlanken Maßwerktürmchen bekrönt, auf das wiederum ein hoher, in einem Kreuz auslaufender Fialschaft aufgesetzt ist.
Durch die Aufschrift auf der Rückseite des Blattes ist der Entwurf den Arbeiten Schneiders für die Lutherkirche in Kassel zugeordnet, doch muß dies in Zweifel gezogen werden. Der Nachlaß Schneider enthält nämlich auch das Photo eines identischen Entwurfs (L GS 21066), der am rechten Rand der untersten Altarstufe von Schneider signiert und "Aachen 1869" datiert ist. Am rechten unteren Rand des Kartons, auf den das Photo aufgeklebt ist, steht in Graphit von Schneiders Hand: "Altar zu Walhorn bei Aachen". In der Pfarrkirche St. Stephanus zu Walhorn (bei Eupen/Belgien) ist in der Tat noch heute ein Altar in Gebrauch, der bis auf wenige Details dem hier projektierten entspricht, und auch seine Genese läßt sich gut verfolgen.
Pfarrer Johann Anton Mennicken (1863-1879 in Walhorn) hatte den Ehrgeiz, seine Pfarrkirche St. Stephanus neogotisch umzugestalten, um ihr die "ursprüngliche monumentale Schönheit" wiederzugeben (Gielen 1965, S. 106). Die ältesten Teile der Kirche, nämlich das Innere des Turmes und der romanische Taufstein, gehen noch auf das 12. Jahrhundert zurück, im 14. Jahrhundert entstand der gotische Chor und wenig später das Langhaus, das aber 1723/24 barockisiert wurde. Pfarrer Mennicken wollte die Eingriffe des 18. Jahrhunderts rückgängig machen und strebte vor allem Regotisierungsmaßnahmen am Außenbau (Anlage von Strebepfeilern), eine Änderung der Fensterformen, das Abschlagen des Stucks und die Ausführung einer historistischen Ausmalung sowie die Anschaffung neuer Altäre und anderer Ausstattungsstücke an (Mennicken 1875; Gielen 1965). Er wandte sich daher an den Aachener Kanonikus Franz Bock, um dessen sachkundigen Rat einzuholen, und Bock empfahl Hugo Schneider für die weiteren Planungen. Im Oktober 1867 beantragte der Walhorner Kirchenvorstand die Umbaumaßnahmen beim Generalvikariat in Köln; die nötigen Pläne und Kostenberechnungen hatte Schneider bereits vorgelegt, und einer Genehmigung stand nichts im Wege.
Im Sommer 1868 begannen die Arbeiten und zogen sich bis 1870 hin. 1871 schaffte die Gemeinde erste Stücke für eine neue Kirchenausstattung an, die ebenfalls nach Entwürfen von Hugo Schneider ausgeführt wurden. Dabei handelte es sich zunächst um eine Kanzel und zwei Seitenaltäre, die der Gottesmutter und der hl. Anna geweiht sind. 1875 folgten die Kommunionbank, 1876 neue Knie- und Sitzbänke nach Schneiders Entwürfen; außerdem gehören ein neogotischer Orgelprospekt und neogotische Beichtstühle zur Neuausstattung jener Jahre. Bis auf die Kanzel sind sämtliche Ausstattungsstücke heute noch erhalten. Zwar wurde im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils auch die Kommunionbank entfernt, doch wurden aus Elementen derselben Opferaltar und Ambo angefertigt (Gielen 1965).
Der 1869 entworfene Hochaltar kam 1873 mit geringfügigen Änderungen zur Ausführung. Geändert wurde zum einen die Gestaltung der Stipes: Statt der im Entwurf vorgesehenen Kreuz- und Blumenmuster wurden vergoldeten Kupferplatten in die Vierpässe eingesetzt, auf denen der Maler Lange (Aachen) Vorbilder des hl. Meßopfers dargestellt hat: Abraham und Isaak, das Opfer des Melchisedek und das Opfer Abels. Zum anderen weicht das Profil der Altarplatte leicht von dem projektierten ab, denn beim Abbruch des alten barocken Hochaltars kam auch eine gut erhaltene, spätgotische Altarplatte mit der Jahreszahl 1504 zum Vorschein, die Pfarrer Mennicken anstelle der schon angelieferten neogotischen Mensa weiterhin nutzen wollte. Im Retabel kamen statt der vier Evangelistensymbole Sitzfiguren der vier Kirchenväter Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Gregorius zur Ausführung, die so groß sind, daß man auch auf die Blendmaßwerkzone unter den Figurennischen verzichtete. Die Reihenfolge der Engel mit den Leidenswerkzeugen wurde zudem geändert. Und schließlich kam der hohe Fialschaft über dem Expositorium nicht zur Ausführung, sondern nur eine kurze, von einer Kreuzigungsgruppe bekrönte Kreuzblume. Da man 1870 das im 18. Jahrhundert vermauerte östliche Chorfenster wieder geöffnet hatte und die Geschwister Grand Ry aus Eupen ein großes Christusfenster nach einem Entwurf von Johann Klein (Wien) stifteten, wollte es Mennicken nicht durch einen hohen Altaraufbau über Gebühr verdeckt wissen (Mennicken 1875; Gielen 1965).
Am 26. August 1873 wurde der neue Hochaltar durch den Kölner Weihbischof Baudri konsekriert, 1876 erhielt er durch Franz Wirth (Aachen) seine farbige Fassung. Er ist noch heute als Sakramentsaltar im Chor der Walhorner Kirche in Gebrauch.
Stand: September 2007 [LK]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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