1.4.3 Projekt am Friedrichsplatz


Nachdem im Jahre 1821 mit dem Tode des Kurfürsten Wilhelm I. alle Arbeiten am Residenzschloß "Chattenburg" in Kassel zum Erliegen gekommen waren, gab es in der Folge immer wieder Diskussionen um den Weiterbau der von Heinrich Christoph Jussow geplanten, großzügigen Anlage. 1845 meldete sich Oberbaumeister Johann Daniel Engelhard, der Jussow bei den gesamten Bauarbeiten assistiert hatte, mit einem Aufsatz in der "Allgemeinen Bauzeitung" zu Wort (Engelhard 1845/1), in dem er den bisherigen Verlauf der Planungs- und Bauarbeiten resümiert. Gleichzeitig setzt er sich ausführlich mit der Wahl des Bauplatzes auseinander, den er zunächst wegen seiner "reizenden Aussicht" lobt (Engelhard 1845/1, S. 53), dann aber einschränkend erklärt, daß man mit der Wahl des alten Platzes an der Stelle des ehemaligen Landgrafenschlosses, "große und wesentliche Vortheile aus der Hand" gegeben habe (Engelhard 1845/1, S. 55). Ausführlich erläutert er die Vorzüge, die demgegenüber die Lage am unteren Ende des Friedrichsplatzes böte. Das Residenzschloß "läge hier mitten an dem Platze, um den sich die drei Stadttheile gruppiren, zwischen der Oberneustadt und der Altstadt und vor dem neuen Stadttheile" (Engelhard 1845/1, S. 56). Weiter resümiert er, daß dort noch genügend Platz sei, um "sechs Häuserquartiere in ganz symmetrischer Anordnung" anzuschließen, "denn das Publikum würde diese Plätze sehr gern kaufen und bebauen, da sie die schönsten sind, die man sich in Kassel denken kann" (Engelhard 1845/1, S. 56). Seiner Meinung nach "würde hier eine Stadtfronte von 3500 Fuß entstehen können, die ihres Gleichen nicht in der Welt haben dürfte" (Engelhard 1845/1, S. 56). Er stellt deshalb die Überlegung an, ob es nicht günstiger sei, das an der Chattenburg verwendete "Material an einem günstigern Platze zu einem dann zeitgemäßeren Neubau zu benutzen" (Engelhard 1845/1, S. 62). Zur Illustration ist dem Text noch ein Plan beigefügt "mit Bezeichnung eines vortheilhaften Bauplatzes für das neue Residenzschloß und der aus dieser Wahl sich entwickelnden Verschönerungen der Stadt" (Engelhard 1845/1, S. 63).
Zu dieser und den anderen Abbildungen des Aufsatzes (zwei Grundrisse und eine perspektivische Ansicht) haben sich die Vorzeichnungen in der Graphischen Sammlung erhalten (GS 15871, GS 12505, GS 16757 u. GS 12503). Genaueren Aufschluß über Engelhards Ideen geben zudem weitere Blätter mit Grundrissen und Aufrissen, die Engelhards unterschiedliche 'Visionen' belegen. Bemerkenswert erscheint hierbei vor allem die Tatsache, daß erste Vorüberlegungen aufgrund des verwendeten Papiers mit Wasserzeichen von 1814 (GS 16737, GS 15872 u. GS 16740) schon in jene frühe Phase zu datieren sind, als Jussow seine ersten Präsentationspläne für das neue Residenzschloß vorlegte. Denkbar ist, daß für diese Entwürfe die von Leo von Klenze 1812 unter König Jerôme vorgelegten Pläne für ein neues Residenzschloß am Weinberg eine Rolle spielten (vgl. Buttlar 1986, S. 199ff.). Klenzes Grundrißplan (Staatliche Graphische Sammlung München, Inv.Nr. 27059; Buttlar 1986, Abb. 24) beinhaltete neben dem Schloßbau einen vorgelagerten queroblongen Ehrenhof, wie er ähnlich auch in Engelhards Situationsplan GS 16737 vorgesehen ist, in den späteren Entwürfen aber aufgrund der Standortbedingungen nicht mehr erscheint.

Stand: Mai 2005 [UH]




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