1.9 Hofverwaltungsgebäude


Die nordöstliche Längsseite des Friedrichsplatzes begrenzten zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Weiße Palais und das Museum Fridericianum sowie die katholische Kirche St. Elisabeth. Bis 1826 wurde in der Flucht der drei vorhandenen Gebäude als Anbau an das Weiße Palais das Rote Palais errichtet. Damit verblieb eine Baulücke zwischen Museum und katholischer Kirche, wo sich zu dieser Zeit der eingefriedete Kirchgarten befand. Rückseitig grenzten das Privathaus des Kunsthändlers Bottinelli und die kurfürstliche Finanzkammer (Ottoneum) mit einem Hof und einem Garten an dieses dreieckige Grundstück (s. GS 14899). Hier plante Kurfürst Wilhelm II. den Bau eines Hofverwaltungsgebäudes, das neben Geschäftsräumen auch Wohnraum für Hofbeamte und Hofdiener bieten sollte (Holtmeyer 1923, S. 417). Zur Finanzierung des Baus sollten Einnahmen aus Verkäufen von Gut Riede (34.000 rth.), dem Oberhofmarschallgebäude (22.000) und dem Haus der Generalkasse (10.000) verwendet werden (StAM Best. 7b 1, Nr. 230, 5.1.1826).
Mit der Umsetzung war der Oberhofbaumeister Johann Conrad Bromeis betraut, der in den Jahren 1825/26 verschiedene Entwürfe vorlegte. Die entsprechenden Pläne führten zumeist Mitarbeiter seines Baubüros aus. Gerade dieses - angesichts des von der Behörde zu leistenden Gesamtbauvolumens übliche - Verfahren stieß bei Wilhelm II., der selbst Einfluß auf die Gestaltung der Hofbauten nahm, auf Kritik. Er warf Bromeis vor, daß "Wir jezt die schönen Zeichnungen in Bausachen nicht mehr erhalten, wie wir sie in der kurprinzlichen Zeit erhalten haben: Wir geben daher Schuld, daß [diese] jezt jungen Leuten der Hofbaudirektion mehr ueberlaßen bleiben, im Gegensatz daß unser Oberhofbaumeister sonst die Zeichnungen selbst machte" (StAM Best. 300, Abt. 11, A 45, Nr. 5, zit. nach Bidlingmaier 2000, S. 99). Was sich hier andeutet, ist möglicherweise durch den Bestand erhaltener Blätter zum Hofverwaltungsgebäude erklärbar wird: Bromeis und sein Baubüro fertigten keine Repräsentationsrisse an. Bei den zeichnerisch besten überlieferten Blättern handelt es sich um relativ nüchterne Entwurfszeichnungen.
Die erste Entwurfsserie setzte der Zeichner in der Hofdirektion, Israel Schwalm, nach Vorgaben von Bromeis zwischen dem 16.11.1825 und dem 17.01.1826 um. Sie zeigt eine winkelförmige Anlage mit zum Friedrichsplatz gelegener Hauptfront und am Museum Fridericianum gelegenem Flügel, dessen hintere Schmalseite aufgrund der vorhandenen Bausubstanz (Haus des Kunsthändlers Bottinelli) spitz zuläuft (GS 14894 - GS 14896, GS 15488). Die Blätter sind als "Project zur Bebauung des neben der Katholischen Kirche gelegenen Gartens" betitelt und verdeutlichen dadurch den frühen Entwicklungsstand innerhalb des Entwurfsprozesses. Bereits hier war die später auch verwirklichte Aufteilung aus einem Keller, drei Vollgeschossen und einem Zwischengeschoß mit einer deutlichen Trennung von unterer und oberer Geschoßebene vorgegeben. Der erste Aufrißentwurf sah ein 15achsiges Gebäude vor, dessen Untergeschoß eine Bandquaderung und rundbogige Maueröffnungen gliedern. Flache, fünfachsige Mittelrisalite akzentuieren die glatt geputzten Mauerflächen der beiden Obergeschosse an der Haupt- und an der Hofseite.
Offensichtlich fand der zurückhaltende Entwurf nicht die notwendige Zustimmung, so daß Bromeis zunächst sechs Gestaltungsvarianten für die Hauptfassade ausarbeitete (GS 15484, GS 15491, GS 15478, GS 15480, GS 15483, GS 14875). Die ersten beiden Entwürfe zeigen eine 13-achsige Fassade mit abwechslungsreicher Fenstergliederung (Doppelfenster, Serliana-Motiv). Bei den folgenden Entwürfen strebte Bromeis eine größere Geschlossenheit an, indem er die Fenster auf eine Größe und eine Rechteckform vereinheitlichte und die Zahl der Fensterachsen auf 15 erhöhte. Der sechste Entwurf (GS 14875) zeigt schon die wesentlichen Elemente des Ausführungsentwurfs: die Rundbogenöffnungen des Erdgeschosses, das durch ein breites Gesims angezeigte Zwischengeschoß und die zweigeschossige Rechteckfenstergliederung im zweiten und dritten Geschoß mit dem durch Giebelbekrönungen hervorgehobenen Mittelteil. Als Alternative zu dem Gaubendach entwickelte Bromeis einen von Schwalm im Januar 1826 ausgeführten Entwurf, auf dem der Bau erstmals als Hofverwaltungsgebäude betitelt ist. Der streng gegliederte Aufriß wird hier optisch durch einen durchfensterten Dachaufsatz erhöht (GS 15479). Der Aufrißentwurf ist Teil einer Serie, die Bromeis zu Beginn des Jahres 1826 erarbeitete. Dabei bestand die wesentliche Neuerung in der Vergrößerung des Gesamtbaus zu einer Vierflügelanlage mit Innenhof (GS 14876 - GS 14885, GS 14897 u. GS 14902). Insgesamt drei Entwicklungsphasen kennzeichnen diesen Planungsabschnitt.
Zunächst war ein Werksteinbau geplant, der jedoch aus Kostengründen nicht zur Ausführung kam. Statt dessen entstand ein Bruchsteinbau, dessen Fassaden verputzt und gestrichen wurden. Immer wieder mahnte der Kurfürst die Reduzierung der Kosten an. So sollte statt der reichen Verwendung von Eichenholz beim Innenausbau Tannen- und Pappelholz eingesetzt werden. Das notwendige Eichenholz könne ohne zusätzliche Kosten aus Beständen in der Aue, nahe der Fasanerie, bezogen werden. Für die aus Werksteinen zu arbeitenden Architekturdetails wie Kapitelle, Archivolte u. a. könnten die vorrätigen Steine von dem abgebrochenen Bauprojekt der Chattenburg verwendet werden (StAM Best. 7b 1, Nr. 230, 1.3.1826). Formen sollten vereinheitlicht werden, Fenster zur Hofseite könnten eine geringere Qualität haben als die zur Außen- oder Straßenseite (StAM Best. 7b 1, Nr. 230, 22.2.1826, 7.9.1827).
Einsparungsmaßnahmen waren wohl auch der Grund, zu dem Projekt der kleineren Winkelanlage zurückzukehren (GS 14898, GS 14904, GS 15490, GS 15487, GS 15489). Die Raumanordnung wurde überarbeitet und der Gebäudeumriß dadurch verbessert, daß man die Stirnseite des Flügels zum Museum begradigte (Holtmeyer 1923, S. 418). Diese Maßnahme zog jedoch den Abriß des Hauses des Kunsthändlers Bottinelli nach sich. Am 21.08.1826 befahl der Kurfürst "dem Bildhändler Botinelli dahier aufzugeben, das ihm zustehende Haus gegenüber der Sternwarte sobald als möglich abzubrechen, indem die Grundfläche, worauf solches erbaut ist, zu dem noch in diesem Jahre anzufangenden Bau eines neuen Hofverwaltungs-Gebäudes unumgänglich nötig ist" (StAM Best. 7b 1, Nr. 230). Als wesentliche Neuerung gegenüber den vorangegangenen Entwürfen findet sich an der Haupt- und der Hoffassade ein flacher übergiebelter Risalit, der die drei mittleren Achsen der Obergeschosse hervorhebt. Damit hatte Bromeis die Fassadenstruktur auf die der benachbarten katholischen Kirche abgestimmt und den Neubau stilistisch in die vorhandene Bausubstanz eingepaßt.
Noch im Jahr 1826 konnte mit den Arbeiten begonnen werden. Da das Gelände die ehemaligen Festungswerke betraf - der Baugrund bestand aus aufgefüllter Erde und dem Bauschutt der ehemaligen Festungswerke - erwies sich die Fundamentierung des neuen Gebäudes als schwierig. Durch die zur Sicherung des Baus notwendigen Zusatzmaßnahmen mußten mehrmals Nachtragskosten berechnet werden (StAM Best. 7b 1, Nr. 230, 22.2.1826, 1.3.1826, 18.7.1827). Obwohl ein Eichenholzrost die Stabilität zu einer sumpfigen, tief liegenden Erdschicht gewährleisten sollte, sackten Teile des Mauerwerks im Winter 1826/27 ab (Holtmeyer 1923, S. 418). Werkzeichnungen (GS 14907 - GS 14910) dokumentieren den Innenausbau im Jahr 1828. Nach einem Bericht von Bromeis war der Bau im August 1829 bis auf die Tapezierung "gänzlich vollendet" (StAM Best. 7b 1, Nr. 230, 14.8.1829). Neben dem Hoflichtkämmerer, dem Hoftapezierer und dem Oberhofmarschallamt-Pedell war auch der damalige Oberhofbaumeister Julius Eugen Ruhl hier untergebracht. Folgende Behörden hatten hier ihren Standort: das Hofmarschallamt, die Hofkämmerei, die Möbel- und Leinwandkammer, die Hofkammer und die Ordenskommission (Holtmeyer 1923, S. 418). In preußischer Zeit (ab 1866) wurde das Gebäude als militärische Erziehungsanstalt genutzt.

Stand: September 2004 [MH]




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