1.64.12 Entwürfe von J. E. Ruhl zum "Haus Ruhl"


Nachdem 1833 der Standort des neuen Ständehauses an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Straße festgelegt worden war, erwarb Julius Eugen Ruhl Grundstücke zu beiden Seiten des von ihm entworfenen und bis 1836 fertiggestellten Gebäudes. Das auf der linken Seite gelegene Grundstück verkaufte er 1834 an Henriette Louise Schwarzenberg, während er das andere selbst bebauen wollte (Lohr 1984, S. 145). Zu berücksichtigen hatte er dabei die 1834 verkündeten Vorgaben des Ministeriums: "Aus Paritätsgründen sollten hier keine wesentlich kleineren, aber auch nicht wesentlich größeren Gebäude errichtet werden, die sich symmetrisch der geplanten Konzeption einfügen mußten" (StAM 16 Rep. XII, Kl. 10, Nr. 23, zit. nach Lohr 1984, S. 145).
Dementsprechend zeigen bereits die ersten Pläne ein neunachsiges viergeschossiges Gebäude mit zentralem fünfachsigem Zwerchhaus (vgl. L GS 13634), das sich in der Fassadengliederung deutlich am Schwarzenberg-Haus orientiert, welches gleichzeitig mit dem Ständehaus errichtet worden war (Holtmeyer 1923, S. 60; vgl. das Photo von 1929 in Brier/Dettmar 1986, Bd. I, S. 188). Rückseitig waren beidseits zweigeschossige Flügelbauten vorgesehen (vgl. L GS 13895, L GS 13898, L GS 13899), wie es seinerzeit für städtische Mietshäuser üblich war (vgl. Stülers Berliner Miethaus in der Anhaltstraße 5, in: Börsch-Supan/Müller-Stüler 1997, Abb. 8; s. a. Hecker 1974, S. 277).
1837 begannen die Bauarbeiten am linken Seitenflügel, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ein Rechtsstreit mit dem Bankier Feidel anhängig war, der einen Teil seines rechts an das Grundstück angrenzenden Gartens abgeben sollte (vgl. StAM Best. 53a, Nr. 1083). Die diesbezüglichen Querelen bewogen Ruhl dazu, einen Alternativentwurf anzufertigen, der die mißliche Grundstückssituation auf der nördlichen Seite berücksichtigt (L GS 13880, L GS 13878). Erst 1842 wurde der Rechtsstreit zu Ruhls Gunsten entschieden.
Um die durch den Streit entstandenen Verzögerungen und Verluste aufzufangen, entwickelte Ruhl als Mitglied der Akademiedirektion die Idee, mit dem neu zu erbauenden Gebäude der seit Jahren in unzureichenden Räumen untergebrachten Akademie, die zu diesem Zeitpunkt in der zweiten Etage des Hanusch-Hauses auf der gegenüberliegenden Seite des Ständeplatzes logierte (Knackfuß 1908, S. 184f.), geeignetere Räumlichkeiten zu bieten. Am 8.4.1840 richtete er deswegen einen ausführlichen Brief an das Ministerium, in dem er seine Pläne bezüglich des Hauses, das auch das Medizinalcollegium und ein Archiv beherbergen sollte, ausführlich darlegte (StAM Best. 160, Nr. 18; vgl. Lohr 1984, S. 145). Drei Zeichnungen konkretisieren dieses Projekt (L GS 13885, L GS 13874, L GS 13648). Da auf diesen Vorschlag keine Reaktion erfolgte, mußte Ruhl, der im Herbst desselben Jahres auf eigenen Wunsch die Akademie verließ, neue Ideen entwickeln, die eine nutzbringende Verwertung des Gebäudes, dessen linker Hofflügel bereits fertiggestellt war, ermöglichten. 1841 erwog er deshalb, das Haus durch zwei Eingänge in zwei separate Wohneinheiten zu unterteilen (L GS 13876 u. L GS 13636). Der im selben Jahr genehmigte Entwurf L GS 13855 basiert auf dieser Idee, fällt jedoch durch die asymmetrische Gestaltung der Fassade auf. Der am 7. Juli 1842 genehmigte Entwurf der Seitenfassade L GS 13635 scheint dann tatsächlich umgesetzt worden zu sein. Die Hauptfassade des ausgeführten Baues greift, nach Maßgabe des spärlichen Photomaterials, in der Gestaltung mit großem Zwerchhaus die frühe Gestaltung wieder auf, die sich als Pendant am Schwarzenberg-Haus orientierte (L GS 13634 u. L GS 13884).
Das vermietete Haus verkaufte Ruhl 1854 an den kurhessischen Staat. Im Zweiten Weltkrieg wurde es leider völlig zerstört.

Stand: August 2007 [UH]




© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum