1.67.1 Umgestaltungsmaßnahmen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts


Neben dem umfangreichen Konvolut zur neogotischen Turmvollendung unter der Oberbauleitung von Hugo Schneider liegt ein weiteres, verhältnismäßig kleines Konvolut (7 Blätter) zu Baumaßnahmen im Innern und im Umfeld der Martinskirche vor. Dazu gehören neben einem Grundriß und verschiedenen Schnittdarstellungen auch zwei Situationspläne, die den Abriß der Stiftsgebäude sowie die Umgestaltung des Kirchhofgeländes dokumentieren. Vier der Blätter gehörten ehemals zum Bestand des Hessischen Staatsbauamts an der Schönen Aussicht (GS 12775, GS 12776, GS 12777, GS 14628). Die Provenienz der anderen Zeichnungen ist ungeklärt.
Die Schäden im Kircheninnern stammten noch aus dem Siebenjährigen Krieg, als die Franzosen das Gebäude zunächst als Lazarett und später als Mehlmagazin benutzten (Holtmeyer 1923, S. 170). Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Forderungen laut nach der Instandsetzung des Daches, des ersten Turmaltans, der Fensterscheiben, der Gewölberippen, der Innenausmalung sowie des Epitaphs von Philipp dem Großmütigen (Kassel, Landeskirchliches Archiv, Gefach 9, Nr. 16, Fasc. 2; StAM Best. 315e, III. 8, zit. nach Walter 1994, S. 153). Nachdem im Jahr 1822 nur die Verglasung einiger Fenster erfolgt war, wurde eine umfangreiche Restaurierung im Jahr 1839 genehmigt und 1840 begonnen (StAM Best. 315e, III. 1, zit. nach Walter 1994, S. 154). Die Maßnahmen standen unter der Leitung des Oberbaumeisters Johann Daniel Engelhard, der von dem Stadtbaumeister Johann Jacob Rudolph, den beiden Landbaumeistern Friedrich Burghard Ritz und Otto Gustav Koppen sowie den Baueleven der Oberbaudirektion, Heinrich Georg Rudolph und Georg Gottlob Ungewitter, unterstützt wurde (Walter 1994, S. 154; bei dem dort genannten Landbaumeister Koppe muß es sich um Otto Gustav Koppen handeln). Als Zeichner der Blätter in der Graphischen Sammlung tritt neben Heinrich Georg Rudolph und Georg Gottlob Ungewitter auch Johann Jacob Rudolph hervor.
Die Restaurierung, die sich wegen Unstimmigkeiten zwischen der städtischen und der kirchlichen Behörde bis 1845 hinzog, umfaßte die Erneuerung der Verglasung der Chorfenster sowie der beiden Hauptfenster der Westfassade, den Abriß der Außentreppe im Nordosten des Langhauses sowie das Zumauern des Eingangs zum Kapellenanbau und des östlichen Joches des nördlichen Seitenschiffs. Die mangelhafte Akustik machte die Verlegung des Altars und nachfolgend auch der Kanzel notwendig. Im Zuge der Instandsetzung wurde das Gestühl erneuert und eine neue Anordnung mit Mittelgang vorgenommen (Kassel, Landeskirchliches Archiv, Gefach 5, Nr. 1, Fasc. 3; Gefach 5, Nr. 5; Gefach 9, Nr. 11; Gefach 9, Nr. 16, Fasc. 2; Gefach 9, Nr. 11, Gefach o. Aktennummer; StAM Best. 315e, III. 1 u. 8, zit. nach Walter 1994, S. 153). Nach langen Debatten über die farbige Gestaltung des Innenraums erhielten die Gewölbe von Chor und Langhaus einen weißen Anstrich, wobei die Rippen in Gold hervorgehoben wurden. Die Seitenwände wurden in blaugrüner Freskofarbe gestrichen (StAM Best. 315e, III. 1, Nr. 11, zit. nach Walter 1994, S. 155).
Neben den Blättern, die im Zusammenhang mit der Instandsetzung des Innenraums entstanden sind, zeigen die anderen Zeichnungen die Umgebung der Kirche. Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind hier Veränderungen vorgenommen worden, zu denen in den Jahren zwischen 1767 und 1776 zunächst die teilweise, 1781 schließlich die komplette Niederlegung der alten Kirchenmauer gehörte. Eine niedrige Einfriedung ersetzte die alte Mauer. 1776/77 wurde das Stiftsgebäude abgebrochen (Walter 1994, S. 172). Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kommt der Wunsch nach der Freilegung des Kirchengebäudes auf, um hier einen öffentlichen Platz entstehen zu lassen. Zunächst wurden 1833 das Kaufhaus und die Hauptwache abgerissen und die Einfriedung komplett entfernt (StAM Best. 16, Rep. 12, Nr. 36, zit. nach Walter 1994, S. 173). Anschließend ist die Bepflanzung des Platzes entfernt worden, und es erfolgte eine Nivellierung des Platzes auf Höhe der umgebenden Straßen (StAM Best. 16, Rep. 12, Nr. 36, zit. nach Walter 1994, S. 173). Eine erneute Einfriedung des Platzes infolge seiner zunehmenden Verunreinigung wurde zwischen 1860 und 1868 abermals entfernt (Kassel, Landeskirchliches Archiv, Dt 150 XV, zit. nach Walter 1994, S. 174). Um einen Blick von der Königsstraße auf die Kirche zu erhalten, wurde 1885 die dichte Bebauung an der Westseite abgerissen, und dabei gleichzeitig ein kleiner Vorplatz geschaffen. Schließlich erfolgten 1892 der Abriß der Dechanei und der Ruinen der 1891 abgebrannten Rosenschweigschen Lackfabrik (s. L GS 19109; Walter 1994, S. 174).

Stand: August 2007 [MH]




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