3.30.3 Hessendenkmal


Am 2. Dezember 1792 gelang es hessischen Truppen, mit der Erstürmung des Friedberger Tores die Wiedereroberung Frankfurts einzuleiten, das seit Oktober von Teilen der französischen Revolutionsarmee besetzt war. Der schnelle Erfolg des hessischen Angriffs war von großer moralischer Bedeutung für die Alliierten, deren Vormarsch in Frankreich nach der bekannten Kanonade von Valmy im September 1792 gescheitert war.
König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, der am Feldzug teilnahm und Zeuge der Einnahme Frankfurts geworden war, stiftete 1793 den gefallenen Hessen ein Denkmal, das in der Nähe des Kampfplatzes am Friedberger Tor errichtet wurde. Neben der Ehrung der Toten sollte das Monument vor allem die patriotische Stimmung im Deutschen Reich fördern und zum Kampf gegen die französische Revolutionsarmee auffordern. Dem Stifter war deshalb an der möglichst schnellen Vollendung des Werkes gelegen (zu den Intentionen der Denkmalstiftung sowie den historischen Ereignissen vgl. Lurz 1993).
Der Auftrag für das Denkmal wurde nach Absprache zwischen König Friedrich Wilhelm II. und Landgraf Wilhelm IX. hessischen Künstlern übertragen: "Nach der Zeichnung und unter Aufsicht des Hessen-Casselischen Geschickten Bau-Inspector Herrn Jussow ward das Modell zu diesem Denkmal vom Bildhauer Herrn Ruhl aus Cassel verfertigt und erhielt den Beifall des Koenigs" (Stein 1793, S. 22; das Hessendenkmal wird als erste belegbare Zusammenarbeit Jussows mit Johann Christian Ruhl gewertet; Riedl 1993, S. 40).
Frankfurter Maurermeister führten die Bauarbeiten aus, während die aus dem Metall erbeuteter französischer Geschütze bestehenden Skulpturen und Inschrifttafeln in Kassel entstanden. Die Tafeln nannten den Namen des Stifters sowie die Namen der gefallenen Offiziere und der gemeinen Soldaten (das Denkmal ist eines der ersten Beispiele für die Nennung der Namen aller Gefallenen; Katalog Bonn 1979, S. 191; Lurz 1993, S. 119-122 und, zu den Inschriften, S. 173-183). Das Denkmal bestand aus einem mit Marmor verkleideten Kubus, der sich auf einem Unterbau aus Basaltfelsen erhob. Auf dem Block lagen Waffen, die im Sinne antiker Trophäen auf den kriegerischen Erfolg anspielten.
Lurz hat Typus und Ikonographie mit Offiziersgräbern des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht (Lurz 1993, S. 161-172). Hier findet sich mehrfach die Kombination von würfelförmigem Unterbau und Trophäe oder Helm. Die Herleitung des Kubus von römischen Altären vermag dagegen weniger zu überzeugen (Lurz 1993, S. 157-160). Die Attribute des Herkules könnten über die Anspielung auf die Stärke und Tapferkeit der hessischen Truppen hinaus konkret auf Wilhelm IX. bezogen sein. Seit der Aufstellung der monumentalen Herkulesfigur auf dem Oktogon zu Anfang des 18. Jahrhunderts hatten die hessischen Fürsten den antiken Helden immer wieder als Herrschaftssymbol in Anspruch genommen (vgl. zu dieser Tradition Heraeus 1997).
Das Denkmal konnte offensichtlich nicht termingerecht zum Jahrestag des Ereignisses fertiggestellt werden, scheint aber Anfang des Jahres 1794 ohne Zeremoniell an die Stadt Frankfurt übergeben worden zu sein (Lurz 1993, S. 150). Eine zu diesem Anlaß erschienene Schrift des preußischen Gesandten am kurmainzischen Hof, Johann Friedrich Freiherrn vom und zum Stein (1749-1799), einem Bruder des Freiherrn Karl vom und zum Stein, stellte die Entstehungsgeschichte des Monuments dar und interpretierte es im preußischen Sinne (Lurz 1993). Der Beschreibung war eine Darstellung des Denkmals in Aquatinta beigegeben, die nach einer Zeichnung Jussows ausgeführt war (Lurz 1993, S. 200-204; ein Exemplar befindet sich in der Graphischen Sammlung, GS 7924). Dieses Blatt verwendet offensichtlich Teile von zwei Zeichnungen Jussows, die in der Graphischen Sammlung erhalten sind (GS 6051 u. GS 6052). Ebenfalls auf eine Zeichnung Jussows geht ein 1794 von Anton Karcher geschaffener Kupferstich zurück, der das Denkmal nun von einer anderen Seite, von Südwesten, wiedergibt. Diese Ansicht wurde bei den zeichnerischen und graphischen Darstellungen in der Folgezeit bevorzugt (Lurz 1993, S. 204, Abb. 33).
Eine Zeichnung von Johann Samuel Nahl d. J., die in der Graphischen Sammlung aufbewahrt wird, gibt das Denkmal in allen seinen Bestandteilen, jedoch in veränderten Proportionen wieder (GS 5377). Es ist nicht eindeutig zu entscheiden, ob es sich um einen Entwurf oder eine Nachzeichnung handelt (in Katalog Kassel 1994/1, S. 22 u. 60, Nr. 58, wird die Zeichnung als Entwurf angesehen).
Das Hessendenkmal wurde 1971 wegen der zunehmenden Verkehrsbelastung von seinem ursprünglichen Standort in eine Randlage verschoben.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [GF]




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