3.35.1 Kaiserpfalz


Zusammen mit Trifels, Hagenau, Münzenberg und Karlsmunt gehört Gelnhausen zu den bedeutenden staufischen Pfalzen, deren Erbauung in die Regierungszeit von Kaiser Friedrich I. fällt. Erst eine dendrochronologische Untersuchung im Jahr 1992 ermöglichte eine genauere Datierung der Anlage. Demnach können für den Baubeginn die Jahre um 1165 angenommen werden. Die Fertigstellung erfolgte wohl in der Zeit um 1172/73 (Binding 1996, S. 263). Der Reichstag von 1180, dessen wichtiges Ergebnis die Entmachtung des ehrgeizigen Welfenherzogs Heinrichs des Löwen war, hat hier stattgefunden.
Die Pfalz liegt südöstlich der Stadt Gelnhausen am Ostende einer großen, von der Kinzig umflossenen Insel. Die Kernburg wird von einer ehemals von einem Wehrgang bekrönten Ringmauer umgeben, die sich im Osten dem Flußufer anpaßt. Im Westen ist sie trapezförmig ausgeführt. An sie lehnen sich die auf Pfahlrosten gegründeten Hauptgebäude an. Teil der Anlage waren: auf der Westseite ein quadratischer Torturm und die zweigeschossige Torhalle mit der darüber liegenden Kapelle, auf der Nordseite der Palas mit anschließendem Wohnbau, der vor der östlichen Mauer gelegene runde, nicht über den Sockel hinaus gediehene Bergfried und im Süden zwei Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Zur Vorburg gehörten neben weiteren Wirtschaftgebäuden die Wohnsitze der Burgmannen.
Seit dem 14.-15. Jahrhundert setzte der allmähliche Verfall der Anlage ein. Das Steinmaterial der Pfalzgebäude wurde zum Bau der Burgmannenhäuser und der Vorburg verwandt (Binding 1996, S. 268). Im 15. und im 18. Jahrhundert wurden verschiedene erhaltungsbedingte Veränderungen an der Kapelle vorgenommen. Bis 1811 ist sie von der evangelischen Burggemeinde für Gottesdienste benutzt worden. Danach war sie dem Verfall preisgegeben. Die Pfalz diente als Steinbruch, bis Kurfürst Wilhelm I. von Hessen-Kassel dieser schleichenden Zerstörung im Jahr 1816 Einhalt gebot. Noch 1811 und 1814 waren zum Bau eines Backhauses und zum Wasserbau von der Rentkammer Hanau Steine aus der Ringmauer gebrochen worden (Binding 1984, S. 268). Zwischen 1827 und 1860 wurden erste Sicherungen durchgeführt. Im Jahr 1826 erhielt Julius Eugen Ruhl den Auftrag, die Kapelle und die Reste des Palas auszubessern, um sie gegen den völligen Einsturz zu sichern (Ruhl 1831, S. 27, Anm.). Die Beschäftigung mit Gelnhausen und deren mittelalterlicher Bausubstanz führte zu der 1831 erschienen Publikation "Gebäude des Mittelalters zu Gelnhausen in vier und zwanzig malerischen Ansichten" (aufgenommen und radirt von J. E. Ruhl, GS 5413), die Ruhl Friedrich Wilhelm III. von Preußen widmete.
Leonhard Müller gab 1874 eine Abhandlung über die Pfalz im Selbstverlag heraus ("Geschichte der Kaiserburg zu Gelnhausen"). Seiner eigenen Aussage zufolge gab eine denkmalpflegerische Motivation den Ausschlag für die Beschäftigung mit der mittelalterlichen Anlage. Wiegand vermutet, daß der Bau um das Jahr 1860 möglicherweise unter Müllers Regie instand gesetzt wurde (Denkmaltopographie 1998, S. 53). In Vorbereitung dieses eher kulturgeschichtlichen als bauhistorischen Werkes entstand vermutlich der detaillierte Lageplan GS 8024. Zwei weitere Situationspläne (GS 8028 u. GS 8029) kamen als Teil des Nachlasses von Leonhard Müller in die Graphische Sammlung. Sie sind ebenso wie die Bauaufnahmen verschiedener Kelchblockkapitelle (GS 8022, GS 8022a, GS 8023 u. GS 8023a) Arbeiten eines unbekannten Zeichners und entstanden vermutlich vor dem Hintergrund der Erhaltungsmaßnahmen im Verlauf des 19. Jahrhunderts.

Stand: August 2007 [MH]




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