3.40.1 Kath. Pfarrkirche St. Laurentius


Als erster eigenständiger Bau von Julius Eugen Ruhl gilt die 1826 bis 1828 dicht neben der Südmauer eines römischen Limeskastells errichtete katholische Kirche St. Laurentius. Die - urkundlich erstmals 1175 erwähnte - Kirche hat mehrere Vorgängerbauten. Von einem Erweiterungsbau des späten 15. Jahrhunderts ist der Westturm mit einem gestäbten Spitzbogenportal erhalten. In der Barockzeit wurde das gotische Langhaus abgerissen. Unter teilweiser Verwertung der älteren gotischen Fundamente entstand in den Jahren 1717 bis 1719 eine kleine Saalkirche. Ihre Umrisse sind auf zwei Situationsplänen (L GS 8042 und StAM 300 P II 2562/3) verzeichnet, die im Rahmen der Planung des Neubaus im 19. Jahrhundert entstanden. Danach hatte das Langhaus ungefähr die Breite der heutigen Eingangsfront. An den gotischen Turm wurde der barocke Saalbau mit einem dreiseitigen Ostchorschluß angesetzt. Im Nordosten ragt ein kleiner rechteckiger Anbau für die Sakristei aus der Mauerflucht hervor.
Wie bei vielen Kirchenneubauprojekten beginnt auch die Planungsgeschichte der katholischen Kirche in Großkrotzenburg mit einem Bericht über den schlechten Bauzustand (StAM Best. 180, Nr. 1241, 31.07.1823; zit. nach Gorenflo 1985, S. 165). Ein geräumigeres Kirchengebäude war zudem ein Anliegen der Gemeindeverwaltung, da die Pfarrkirche für weitere Gemeinden des Umkreises zuständig war. Nachdem zunächst die Erweiterung des Barockbaus erwogen worden war, wurde zu Beginn des Jahres 1826 diskutiert, die Barockkirche abzureißen und völlig neu zu bauen (StAM Best. 180, Nr. 1241, 16.01.1826 u. 19.01.1826, Schreiben der Gemeindeverwaltung an das Kreisamt Hanau). Ruhl, der im März 1825 die Leitung und die Beaufsichtigung über den Bau erhalten hatte (StAM Best. 180, Nr. 1241, 03.03.1825; zit. nach Gorenflo 1985, S. 168), sprach sich früh für einen kompletten Neubau aus und plädierte zudem für den Abriß des "alten, baufälligen Schulhauses", damit die neue Kirche eine dem Zwecke entsprechende Lage erhalte (StAM Best. 180, Nr. 1241, 16.01.1826, Ruhl an die kurfürstlich hessische Provinzialverwaltung in Hanau; zit. nach Gorenflo 1985, S. 169). Den ersten Bericht über die Besichtigung der alten Kirche legte er einen Monat später vor (StAM Best. 180, Nr. 1241, 07.04.1825; zit. nach Gorenflo 1985, S. 168). Die Planung und die Bauaufsicht lagen bei der kurfürstlich-hessischen Regierung der Provinz Hanau. Als Baubehörde war das Hanauer Kreisamt zuständig. Dem Generalvikariat des Bistums Fulda war es vorbehalten, sich an der Planung zu beteiligen und gegebenenfalls Einwände gegen die Baupläne zu erheben.
Bedingt durch die geringe Grundstücksgröße entschied man sich, die Ostung aufzugeben und statt dessen eine Drehung des Neubaus um 90° vorzunehmen. So erhielt der Bau einen entsprechenden Freiraum, was Ruhls Bestreben nach einer repräsentativen Fassade entgegenkam. Die von ihm geplante Zweiturmlösung ließ sich jedoch aus Kostengründen nicht verwirklichen. Auch die Umgestaltung des gotischen Westturms in ein an das Kirchenhaus stilistisch angepaßtes Bauteil kam nicht zustande. Statt dessen wurde er nahezu unverändert in den Neubau der Kirche übernommen. Im Jahr 1857 zerstörte ein Brand das mittelalterliche Relikt. Der Neubau erfolgte in veränderter Form (Lohr 1984, S. 99).
Unter dem Vorbehalt etwaiger Änderungsvorschläge durch die Oberbaudirektion konnte Ruhl mit den vorgelegten Rissen im August 1826 die Baugenehmigung erlangen (StAM Best. 16, Nr. 11129, 02.08.1826; zit. nach Lohr 1984, S. 98). Sein Entwurf zeigt einen gestreckten Saalbau zu fünf Achsen mit halbkreisförmig eingezogener Apsis. Die Seitenschiffwände des im spätklassizistischen Stil ausgeführten Baues werden durch hohe Rundbogenfenster mit profilierter Laibung gegliedert. Ein Gurtgesims mit antikisierenden Faszien umläuft das gesamte Gebäude auf Höhe der Kämpferzone der Fensteröffnungen. Ein Risalit mit Dreiecksgiebel und Säulenaltan akzentuiert die für einen Pfarrkirchenbau ungewöhnlich anspruchsvolle Westfassade.
Ende des Jahres 1828 zwangen die nahezu ausgeschöpften Finanzmittel zu einer beschleunigten, vorzeitigen Vollendung des Neubaus.

Stand: Mai 2005 [MH]




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