3.42.1 Klosterkirche


Das ehemalige Benediktinerkloster Breitenau wurde 1119 von dem Reformkloster Hirsau besiedelt. 1497 erfolgte der Anschluß an die Reformbewegung der Bursfelder Kongregation. Bereits 1527 kam es zur Aufhebung des Klosters, im Zuge der Reformation erhielt die Anlage den Status eines fürstlichen Hofguts, und die Klosterkirche wurde zu einem Kornspeicher und Pferdestall umgebaut (1579). Landgraf Moritz plante die Umgestaltung zu einem Lustschloß und die Ansiedlung einer Stadt. Der Dreißigjährige Krieg, in dessen Verlauf die Klosteranlage zerstört wurde, verhinderte indes die Umsetzung dieser Planung. Die Klostergebäude verfielen in der nachfolgenden Zeit (Wenzel 1928; Marcard 1930; Dehio Hessen 1982, S. 368-370).
Im 19. Jahrhundert begann die dunkle Geschichte des Komplexes, als 1874 eine Besserungsanstalt für Menschen eingerichtet wurde, die als "arbeitsscheu" galten und deswegen verfolgt wurden. In nationalsozialistischer Zeit wurde die Kirche zur Arbeitsanstalt sowie zum Konzentrationslager für politische Häftlinge. An diese Zeit erinnert heute die Gedenkstätte Breitenau in einem der Nebengebäude. Auch nach dem Krieg riß die leidvolle Geschichte nicht ab. Als "Landesarbeitsanstalt und Landesfürsorgeheim Breitenau" entstand dort zwischen 1952 und 1973 ein "Heim für schwer erziehbare Mädchen", das erst geschlossen wurde, als die Zustände in dieser Anstalt einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden .
Der ursprüngliche Kirchenbau, der als wichtigstes Beispiel der Hirsauer Bauschule in Hessen gilt, zeigte eine kreuzförmige, flachgedeckte romanische Pfeilerbasilika mit dreischiffigem Chor. Jedes Schiff hatte einen halbrunden Apsisabschluß, zwei weitere halbrunde Apsiden befanden sich an der Ostseite des Querschiffs. Im Westen sind zwei viereckige Türme unvollendet geblieben. Der Ostbau, der Mitte des 12. Jahrhunderts vollendet war, wurde 1502-1508 im spätgotischen Stil umgebaut und erhielt einen dreiseitigen Abschluß. Im Zuge der Profanisierung sind die Seitenschiffe abgerissen, die Arkaden zugemauert und in die Kirche mehrere Holzböden eingezogen worden.
Im Verlauf der Umbaumaßnahmen zur Einrichtung der Korrektions- und Landesarmenanstalt bis 1874 erfolgte die Abtrennung von Querschiff und Chor, um diesen Bereich wieder als Kirchenraum zu nutzen. Durch die denkmalpflegerisch nicht unproblematische Errichtung eines mittleren Turmes (vgl. Marb. Dep. II, 266) sowie den Einbau eines Treppenhauses durch den Baumeister des Bezirkkommunalverbands, Landesbauinspektor Röse, kam es zu dem bis heute vorhandenen Erscheinungsbild des Westbaus. Bei einer Umgestaltung des östlichen Kirchenraums, die unter intensiver Beteiligung des zuständigen Bezirkskonservators Friedrich Bleibaum vorgenommen wurde, entstand aus raumgestalterischen Gründen eine neue Orgel- und Sängerempore mit Kanzel (Marb. Dep. II, 267). Die beiden in diesen Bauzusammenhängen entstandenen Zeichnungen, die bisher nicht beachtet wurden, sind aufschlußreiche Quellen zur jüngeren Baugeschichte der ehemaligen Klosterkirche.
Unter den Zeichnungen zum ehemaligen Benediktinerkloster Breitenau befindet sich ein Skizzenheft mit Darstellungen der "Kirche zu Breitenau / gezeichnet von Heinrich von Dehn-Rotfelser / von 1860." Insgesamt 15 Blätter sind, eingebunden in eine blaue, geknickte Pappe, größtenteils einseitig, zum Teil jedoch auch doppelseitig benutzt worden. Neben einem Aufriß der Nordseite auf Blatt 1, einem Aufriß der Südseite auf Blatt 3 und einem Teilschnitt der Kirche auf Blatt 14 finden sich nur Skizzen von Architekturdetails in dem Heft. Dabei bildet Blatt 14 insofern eine Ausnahme, als hier zwei unterschiedlich große Pausen auf das eigentliche Blatt geklebt worden sind. Auch Blatt 15 fällt aus dem Rahmen, da es als kleines Blatt von anderer Qualität vor Blatt 14 geheftet wurde. Vorn sind in das Heft zwei Briefe eingebunden, die zwar mit dem Kloster in Zusammenhang stehen, jedoch keine Verbindung zu den Skizzen von Dehn-Rotfelser zu haben scheinen. In dem Schreiben vom 7. Februar 1872 von Bauinspektor Friedrich Hoffmann an den Landes-Direktor Bischoffhausen bittet dieser um die Rückgabe von Zeichnungen der Klosterkirche Breitenau, die sich seit dem 13. November des Vorjahres in dessen Gewahrsam befinden. Von diesen vier, mit "K" bis "N" ausgewiesenen Blättern, befindet sich jedoch nur eines im Bestand der Graphischen Sammlung.
Die zumeist sehr flüchtigen Skizzen von Dehn-Rotfelser sind vermutlich mit einem Projekt des Kurhessischen Architektenvereins in Verbindung zu bringen, der sich die zeichnerische Aufnahme von bedeutenden Baudenkmälern Hessens zur Aufgabe gemacht hatte. Unter den 1860 für die Erfassung ausgewählten zwölf Objekten (Dolff-Bonekämper 1985, S. 173), die Eingang in die Publikation der "Mittelalterlichen Baudenkmäler in Kurhessen" finden sollten, hat sich wohl auch die Klosterkirche Breitenau befunden. In einer späteren Publikation Dehn-Rotfelsers, mit der er beauftragt war und für die er das vorgenannte Projekt aufgeben mußte, finden einige der skizzierten Details Erwähnung.

Stand: August 2007 [MH und GF]




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