3.76.8 Elisabethkirche


Aus dem Bestand des Landesamt für Denkmalpflege Hessen in Marburg kam ein Konvolut von 15 Zeichnungen der Marburger Elisabethkirche in die Graphische Sammlung. Zwölf Blätter sind Bauaufnahmen, die Aufrisse von Fenstermaßwerk sowie Gewölbe- und Pfeilerprofile zeigen. Drei Blätter betreffen Entwürfe zur Neugestaltung des Kirchenraums sowie zur Ausbesserung der Glockenstühle. Der Entstehungshintergrund aller Zeichnungen ist eine Restaurierungskampagne in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Anfang August des Jahres 1847 ereignete sich ein schweres Unwetter in Marburg, in dessen Verlauf Wasser in die Elisabethkirche eindrang und das Langhaus etwa einen Meter mit Schlamm überzog. Eine umfangreiche Restaurierung wurde anberaumt, wobei neben der Mauerwerkssanierung und der Plattierung des Kirchenbodens das schadhafte Gestühl in Langhaus und Chor sowie die Grabmäler der Landgrafen im Zentrum der Arbeiten standen (StAM Best. 190a MR, Nr. 3267). Ausgehend von dieser Maßnahme sollte die Gunst der Stunde genutzt werden, um die Kirche zu sanieren und dabei in den idealisierten Zustand unmittelbar nach ihrer Vollendung zu versetzen. Insbesondere die Schäden aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, die neben den farbigen Glasfenstern und der Farbfassung des Innenraums auch eine Reihe von Ausstattungsstücken betroffen hatten, sollten nun endlich beseitigt werden. Dem mit der Maßnahme zunächst beauftragten Landbaumeister Regenbogen wurde die Bauleitung aufgrund von Versäumnissen bei der Projektorganisation wieder entzogen (StAM Best. 190a MR, Nr. 3268, 21.6.1854) und dem in Fulda tätigen Gymnasiallehrer und späteren Marburger Universitätsarchitekten Friedrich Lange übertragen, der zunächst nur die wissenschaftliche und künstlerische Leitung innehatte und für die archäologischen Forschungen zuständig war. Die Oberbaudirektion suchte zum Anfertigen der "Plan-Entwürfe" einen versierten Bauzeichner, und Lange hatte sich in diesem Bereich einen Namen gemacht, zuletzt durch seine Arbeit an dem "Gothischen ABC-Buch" des damals gerade verstorbenen Frankfurter Architekten Friedrich Hoffstadt (Dolff-Bonekämper 1981, S. 159). Darüber hinaus konnte er durch seine Arbeit an der Klosterkirche Haina auch Erfahrungen im restauratorischen Bereich vorweisen.
Das Hauptprotokoll des Gesamt-Staatsministeriums, Abteilung des Inneren, vom 24. Januar 1856 gibt Auskunft über das Vorgehen: "Die Ergänzung und Wiederherstellung erfolgt auf Grund gewissenhafter, genauer Studien über jenen frühen Zustand mit Hülfe der danach angefertigten Profile, Chablonen, Detailzeichnungen und modellierten Vorbilder in wahrer Größe, welche den Arbeiten zur speziellen Norm dienen" (Dolff-Bonekämper 1981, S. 159f.; hier auch eine Einschätzung der Qualität der bauarchäologischen Untersuchungen Langes).
Eine Zeichnung des Konvoluts mit einem Vorschlag zur Neugestaltung des Kirchenraums ist von Lange signiert und von Kurfürst Friedrich Wilhelm approbiert worden (Marb. Dep. II, 410). Der Kurfürst selbst hatte die Genehmigung erteilt, Lange die Bauleitung zu übertragen. Neben dieser eindeutigen Zuweisung läßt sich auch die Serie mit Bauaufnahmen in diesen Zusammenhang stellen, ob indes auch die Schnittdarstellungen (Marb. Dep. 192 - Marb. Dep. 202b) von Lange selbst angefertigt worden sind, ist unklar. Ein Schriftvergleich verweist statt dessen auf Leonhard Müller, der zwischen 1851 und 1853 als Baureferent in Marburg tätig war (Müller 1903,S. 51 u. 57f.). Welche Rolle Müller in diesem Projekt spielte, ließ sich bisher nicht ermitteln.
Während die Schnittdarstellungen vor Beginn der Restaurierung im Jahr 1854 entstanden, wurden die Entwurfszeichnungen zum Neubau des östlichen Glockenturms (Marb. Dep. II, 411 u. Marb. Dep. II, 412) erst in den 1860er Jahren von einem unbekannten Zeichner angefertigt.

Stand: August 2007 [MH]




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