3.89.1 Kath. Pfarrkirche St. Elisabeth


Der ehemals als Wehrkirche angelegte Bau von St. Elisabeth ist in seiner ältesten Baugestalt als ein einschiffiger spätgotischer Kirchenraum mit eingezogenem dreiseitigem Chorpolygon und mächtigem westlichem Wehrturm anzusprechen. Nach der Zerstörung des Kirchenschiffs durch einen Brand im Jahr 1697 erfolgte zwischen 1701 und 1709 der Wiederaufbau unter Beibehaltung des alten Grundrisses durch den Baumeister Gambach in schlichten barocken Formen. Der Westturm erhielt in dieser Zeit eine hohe, dreistöckige Turmhaube.
1886 erhielt Hugo Schneider von Julian Seipel (1885-1899 Pfarrer in Niederklein) den Auftrag zu einer Gotisierung des Innenraums; Dechant Wilhelm Kreisler (Fritzlar) hatte ihn für diese Aufgabe empfohlen.
Unterhalb der barocken Balkendecke des Schiffes wurden durch die Firma Bieker (Cölbe) gotische Gewölbe eingezogen, das barocke Gewölbe im Chorraum durch ein neogotisches Rippengewölbe ersetzt (s. Koch 2002, S. 61). Der Turmraum sollte zum Schiff hin geöffnet und ebenfalls mit einem Gewölbe überfangen werden. Gleichzeitig entstand anstelle einer alten zweigeschossigen eine neue eingeschossige Empore an der Westwand des Schiffes, zu deren besserer Erschließung an der Südwestecke des Außenbaus ein kleiner Treppenturm errichtet wurde. Der Bau des Türmchens hatte Auswirkungen auf die Gestalt zweier Fenster im Turm, und auch die Strebepfeilerabdeckungen wurden leicht verändert, zudem aus statischen Gründen einige neue Strebepfeiler am Chor angelegt. Die Umbaumaßnahmen beschränkten sich ansonsten ausschließlich auf das Kircheninnere; der barocke Gesamteindruck des Bauwerks von außen ist bis heute gewahrt.
Als mobile Kirchenausstattung entwarf Hugo Schneider 1886 drei neogotische Altäre, ausgeführt durch die Firma Uthmann (Kassel), eine Kommunionbank und neue Kirchenbänke sowie einen Orgelkasten (s. Koch 2002, S. 61). Die Firma Pohl aus Aachen lieferte 14 Kreuzwegstationen und eine Pietà (s. Koch 2002, S. 62; Denkmaltopographie 2002, S.). Die baupolizeiliche Prüfung durch das Landratsamt Kirchhain datiert auf den 3. Juni 1886. Am 19. Juni 1890 konnte der Fuldaer Bischof Joseph Weiland den Bau neu konsekrieren. Ihren Abschluß fand die Umgestaltung des Kircheninneren im Jahr 1911 mit einer Ausmalung im neogotischen Stil von Wilhelm Lätters, an der Schneider jedoch nicht mehr beteiligt war (s. Koch 2002, S. 62).
Zum Gesamtentwurf Schneiders von 1886 gehörten laut einer dem Bauantrag beigefügten Auflistung fünf Blätter mit Ansichten, Schnitten und Grundrissen des vorgefundenen Zustands und des Zustands nach Ausführung der projektierten Maßnahmen, vier Übersichtsblätter mit Angaben zu den Gewölben, der Wendeltreppe im neuen Treppenturm und zu den abgeänderten Fenstern im Turm sowie drei Entwürfe für Profile und Konsolen (vgl. Pfarrarchiv Niederklein, Acta 1, Fasz. I: in der Auflistung läßt sich allerdings nur einer der Pläne in der Graphischen Sammlung nachweisen). Von diesen ist im Besitz der Pfarre Niederklein noch ein Plan erhalten, der den auf der Südseite anzubauenden Treppenturm nebst einer Ansicht des Westturms und der westlichen Partien des Schiffes zeigt (Pfarrarchiv Niederklein, Acta 1, Fasz. I). Ein zweiter Plan liegt im Nachlaß Schneider in Kassel (L GS 15598). Der Verbleib der übrigen Blätter ist unbekannt.
Die wachsende Einwohnerzahl seit den 1950er Jahren machte eine Erweiterung des alten Kirchenbaus notwendig. Ab 1963 entstand auf der gesamten Länge der Südseite der barocken Kirche ein Erweiterungsbau, in den das liturgische Zentrum verlegt wurde. An dessen Südseite befindet sich seither der Zelebrationsaltar der Kirche. Bei dieser Umgestaltung wurden die Holzemporen zugunsten einer großen Betonempore vor der Nordwand entfernt; die alte Kirche wurde gleichsam zur Vorhalle des Neubaus. Bereits 1953 waren das Gesprenge der Altäre und die neogotischen Rahmungen der Kreuzwegstationen entfernt worden, im weiteren Verlauf wurden die beiden Seitenaltäre ebenfalls niedergelegt. Beide Altarfiguren und einer der Altarbaldachine sind jedoch erhalten, die Figuren stehen heute wieder in der Kirche auf Konsolen vor den Mauerwangen, vor denen auch die Seitenaltäre standen.
Im Rahmen der letzten Kirchensanierung 1996-1998 wurde der alte Chorraum mit neuen Funktionen erfüllt und der alte Hochaltar von Schneider als Sakramentsaltar hergerichtet, die mächtige Betonempore wurde entfernt, so daß der neogotische Raumeindruck wieder erlebbar ist.

Stand: September 2007 [LK]




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