4.11.6 Archiv- und Bibliotheksgebäude für die Sammlungen von F. M. Feldhaus


Unter den Blättern zum Hessischen Landesmuseum in Kassel befand sich ein umfangreiches, 1925/26 datiertes Konvolut, das die dezidierte Planung für ein Archiv- und Bibliotheksgebäude dokumentiert. Der kubische Gebäudeblock, der sich durch eine vergleichsweise strenge Fassadengliederung mit sparsam eingesetztem Oberflächendekor auszeichnet, ließ sich nicht mit der Planungs- und Baugeschichte des Hessischen Landesmuseums in Zusammenhang bringen. Durch den Entwurf für die Gebäudeinschrift (GS 15726) konnte der Bau jedoch identifiziert werden: Es handelt sich um die Planung für ein Institut der Technikgeschichte in Berlin, das die Sammlungen von Franz Maria Feldhaus aufnehmen sollte.
Der Privatgelehrte Franz Maria Feldhaus (1874-1957) hatte eine einzigartige Sammlung zur Technikgeschichte angelegt, die im wesentlichen aus vier Teilen bestand: einer Materialsammlung, Karteikarten, einem Photoarchiv und einer Bibliothek (Popplow 2002, S. 101). Seine Bibliothek umfaßte etwa 11.000 Bände, die zwischen dem ausgehenden 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen waren. Zum Archiv gehörten über 9.000 Akten, Briefe und Berichte zur Geschichte der Technik und eine Personenkartei mit ca. 24.000 Namen, eine Sachkartei mit ca. 71.000 Karteikarten sowie eine Kartei mit Tagesereignissen (ca. 15.000 Karten) zu technischgeschichtlich relevanten Themen (Krajewski 2006, S. 141).
Diese umfangreiche Sammlung nutzte Feldhaus als Einnahmequelle, indem er entsprechende Informationen gegen Honorar herausgab, und für eigene Studien und die Veröffentlichung der Ergebnisse, deren wissenschaftliche Bedeutung jedoch umstritten ist (Popplow 2002, S. 106-110). Feldhaus war weder Techniker, noch hatte er eine akademische Ausbildung erfahren. Von ihm selbst stammen 36 Bücher mit Überblicksdarstellungen und etwa 3.800 Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften, in denen er zu Einzelaspekten der Technikgeschichte (von der Geschichte der Wärmflasche bis zur Geschichte der Drahtfedern) Stellung bezieht. Eine Weltgeschichte der Technik sollte seine Arbeit schließlich krönen.
Die bedeutende Sammlung übergab Feldhaus im Jahr 1937 vermutlich im Rahmen der von den Nationalsozialisten angeordneten Verstaatlichung privater Sammlungen (Popplow 2002, S. 114) an die damalige Provinz Hessen-Kassel als Grundstock für das neue Landesamt für Kulturgeschichte der Technik, das 1939 am Königsplatz eröffnet wurde. Feldhaus war im September 1937 nach der Aberkennung seiner Ehrendoktorwürde von der Technischen Hochschule Aachen an den damaligen Leiter des astronomisch-physikalischen Kabinetts, Paul Adolf Kirchvogel, herangetreten. Sein Vorhaben, sein Archiv und seine Privatbibliothek dem Land zu schenken, war indes an Bedingungen - freien Zugang zu Archiv und Bibliothek haben und die Anstellung seiner Frau als Archivarin auf Lebenszeit - geknüpft, die eine Übereinkunft zwischen Stifter und Land bis 1938 verzögerten. Zusammen mit seiner Familie siedelte Feldhaus nach Kassel um. Nach dem Krieg klagte er erfolgreich auf Rückgabe seines Archivs, nur die Bibliothek blieb der Stadt Kassel erhalten und ist als Sonderbestand heute Teil der Murhardschen Bibliothek. Das Archiv befindet sich im Deutschen Technikmuseum Berlin.
Die Planzeichnungen des hier im Konvolut vorliegenden Gebäudes sind sicher vom Feldhaus selbst mit nach Kassel gebracht worden und vermutlich dann in den Bestand des Hessischen Landesmuseums übergegangen, von wo sie bei Gründung des Kupferstichkabinetts wohl in die Graphische Sammlung kamen. Das für die "Geschichte der Technik - Sammlungen Feldhaus" bestimmte Gebäude war von Feldhaus selbst geplant worden (Krajewski 2006, S. 163), da die stetig wachsende Sammlung immer mehr Platz beanspruchte. In dem viergeschossigen Haus sollte neben den Wohnräumen im obersten Geschoß die Sammlung funktional getrennt in Bilder-, Kartei- und Büchersaal untergebracht werden. Das Konvolut spiegelt die weitreichende Planung des Gebäudes wider, die sich bis in die Ausstattungsdetails erstreckte, so daß das Gebäude bis hin zu den raumabtrennenden Schiebetüren (s. GS 15729) im Entwurf ablesbar wird. So allumfassend wie Feldhaus seiner Sammelleidenschaft nachging, ist auch die Planung dieses zentralen Instituts der Technikgeschichte angelegt. Infolge des "Tiefstandes unserer Wirtschaft " ließen sich die "vollkommen ausgearbeitete[n] Pläne für einen Neubau" (F. M. Feldhaus in: Geschichtsblätter für Technik, Industrie und Gewerbe 11, 1927, S. 6) jedoch nicht verwirklichen.
Das Konvolut umfaßt 37 Blätter, die fortlaufend numeriert und teilweise auch gestempelt sind (1-34 sowie 2 Zusatzblätter GS 15745 u. GS 15746). Die zwischen Oktober 1925 und März 1926 datierten Zeichnungen sind alle mit schwarzer Feder angelegt und wurden offensichtlich von den Originalen kopiert. Neben den Grundrissen der einzelnen Geschosse sowie Schnitten und Ansichten der verschiedenen Gebäudeseiten (diese 'Hauptzeichnungen' sind von 1-11 numeriert; es fehlt die Nr. 5) liegt eine Reihe von Zeichnungen mit Details vor, die sowohl die Architektur als auch konkrete Einrichtungsdetails betreffen.

Stand: August 2007 [MH]




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