4.25.1 St. Servatius


Unter den zum Nachlaß Ruhl gehörigen Zeichnungen vom Verein für hessische Geschichte und Landeskunde befindet sich eine Serie von sechs Blättern mit der Darstellung der katholischen Kirche St. Servatius in Güls (seit 1970 Stadtteil von Koblenz). Siegfried Lohr hielt den Bestand fälschlicherweise für einen weiteren Projektentwurf von Julius Eugen Ruhl zur katholischen Kirche St. Georg in Hofbieber (Lohr 1974, S. 101f., Obj.Nr. 15).
Die nach einem Entwurf von Johann Claudius von Lassaulx (1781-1848) in den Jahren 1833 bis 1840 erbaute Kirche dokumentiert Ruhl mit Grund-, Aufrissen und Schnitten sowie einer Detaildarstellung des Hauptportals. Da sich die Zeichnungen auf Transparentpapieren (mit altem Trägerpapier) befinden, ist davon auszugehen, daß Ruhl sie nach einer Vorlage anfertigte. Dabei handelt es nicht um die von Lassaulx herausgebrachten Lithographien zu dem Bau, die auf der Grundlage der Ausführungsentwürfe entstanden. Die bei der Bauausführung vorgenommenen Veränderungen - z. B. die vertikalen Blendnischen im oberen Turmgeschoß oder die Medaillons in den Blendbögen - lassen sich nämlich in den Zeichnungen von Ruhl nachweisen. Ruhls Interesse an dem Koblenzer Architekten veranschaulicht eine weitere Zeichnung mit verschiedenen Kirchenentwürfen (L GS 13861), die nach einer Lithographie von Lassaulx entstanden ist.
Erste Planungen, die Emporenbasilika aus dem 13. Jahrhundert durch einen Neubau zu ersetzen, gehen auf das Jahr 1832 zurück. Nachdem ein Gutachten von Lassaulx den Abriß der alten Kirche verhindert hatte - angesichts der Enge des Bauplatzes hätte die Ostung der Kirche aufgegeben werden müssen - legte der Koblenzer Architekt im Frühjahr 1832 den ersten Entwurf und einen Kostenvoranschlag für eine Kirche mit flacher Holzdecke vor. Im Dezember desselben Jahres folgte ein weiterer Entwurf, den Lassaulx auf Wunsch der Kirchengemeinde aufwendiger ausführte, indem er auf einer vergrößerten Grundfläche einen gewölbten, dreischiffigen Hallenraum präsentierte. Am 27. April 1833 konnte die Grundsteinlegung durch den Trierer Bischof Joseph von Hommer vorgenommen werden. Bereits im Oktober 1835 war das Langhaus überdacht und die Türme beinahe vollendet. Der Bauabschluß verzögerte sich jedoch, als zwei Jahre später Risse im Mauerwerk und in den Sohlbänken auftraten. Zudem kam es zu einer Senkung des sehr flach geplanten Mauerwerk-Bogens unter der Orgelempore, der daraufhin durch ein hölzernes Sprengwerk ersetzt wurde. So konnte die Weihe erst am 31. Mai 1840 stattfinden (Schwieger 1968, S. 22f.).
Charakteristisch für diesen Bau wie für eine Reihe weiterer Kirchenentwürfe von Lassaulx ist die Raumwirkung mit dem von der Wand abgesetzten vielteiligen Gratgewölbe, das "ohne Kapitelle über schlanken Rundpfeilern zu schweben" scheint und so einen "Gegensatz zwischen klarem und hartem Umriß der Wände und einem weichen, schwebend eingehängten Raumdeckel" entstehen läßt (Schwieger 1968, S. 180).

Stand: Mai 2005 [MH]




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