8.25.4 Rom, Vatikanische Museen


Im Nachruf auf Jussow im "Neuen Nekrolog der Deutschen" heißt es über seine Studienzeit: "[...] nachdem er sich daselbst [in Paris] fast zwei Jahre lang mit ausgezeichnetem Eifer allen Theilen der Architektur gewidmet hatte, ging er durch die Schweiz nach Italien, besuchte hier die merkwürdigsten Städte und hielt sich besonders lange Zeit in Rom auf, um die dortigen Denkmäler der classischen Vorzeit sowohl, wie auch die vortrefflichen Ueberbleibsel von Vasen, Candelabren etc. zu studiren, von welchen letztern Gegenständen er die auserlesensten abzeichnete" (Dittmer 1827, S. 847).
Der größte Teil der Nachzeichnungen zeigt reliefierte römische Marmorgefäße und Grabaltäre, die sich zumeist in der Galleria dei Candelabri, aber auch in anderen Abteilungen der Vatikanischen Museen befinden. Identifiziert wurden viele der Zeichnungen bereits 1959 von Hans Möbius, der von 1928 bis 1942 Kustos der Antikensammlung und der Abteilung Vor- und Frühgeschichte war. Der damalige Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, Hans Vogel, bat ihn nach dem Erwerb des Jussow-Nachlasses, die Nachzeichnungen nach Antiken zu begutachten.
Die Zeichnungen sind größtenteils mit Graphit, möglicherweise von Jussow selbst, numeriert. Eine erkennbare Zusammengehörigkeit einzelner Gruppen ergibt sich daraus jedoch nicht.
In den 70er und 80er Jahren des 18. Jahrhunderts wurden die päpstlichen Sammlungen unter Clemens XIV. und Pius VI. z. T. neu geordnet. Die Galleria dei Candelabri, vorher ein offener Verbindungsgang zum Päpstlichen Palast, wurde geschlossen und ebenfalls für Ausstellungszwecke genutzt. Der 1785 begonnene Umbau war 1788 vollendet.
Im 18. Jahrhundert bestimmte zunehmend auch wissenschaftliches Interesse die Auseinandersetzung mit der in Italien, besonders in Rom, immer gegenwärtigen Antike. 1738 bzw. 1748 hatten die Ausgrabungen in Herculaneum und Pompeji begonnen. Die Funde aus Herculaneum wurden ab 1757 in dem Stichwerk "Antiquità di Ercolano" veröffentlicht. Systematisch gegliederte Publikationen, die das ganze Altertum in all seinen Erscheinungen vor Augen führen wollten, veröffentlichten z. B. Bernard de Montfaucon mit der "L'antiquité expliquée" zuerst 1719, dann 1722, oder der Comte de Caylus mit den "Recueil d'antiquités" 1752-1767. Zur selben Zeit wurden Winckelmanns Schriften verbreitet - und natürlich Piranesis zahreiche Veröffentlichungen.
Es gab also eine Vielzahl an Publikationen, aus denen Jussow für seine Nachzeichnungen antiker Objekte geschöpft haben kann. Die Zeichnungen müssen auch nicht unbedingt während seines Italienaufenthalts entstanden sein, wie es der Nachruf nahelegen will; sie können durchaus bereits vorher in Kassel oder auch in Paris angefertigt worden sein. Inwiefern Jussow nach Vorlagenwerken arbeitete oder nach eigener Anschauung vor den Originalen, ließ sich nur in wenigen Fällen klären.
Das Zeichnen nach Antiken, meist nach Gipsabgüssen, war Bestandteil der Architektenausbildung an den Akademien (vgl. dazu Zehnpfennig 1990; Ege 1986). Nachzeichnungen nach Antiken haben sich z. B. von Jussows Lehrer Simon Louis Du Ry, von seinem Studienkollegen Peter Joseph Krahe oder von seinem Neffen und Schüler Georg Ludwig Friedrich Laves erhalten (zu Du Ry vgl. Boehlke 1980; Dittscheid 1987, S. 12; zu Krahe: Dorn 1969; zu Laves: Zehnpfennig 1988; Zehnpfennig 1990).

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [WL]




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