10.6.1 Sintra


Der Palácio Nacional da Pena in Sintra/Portugal gilt als ein bemerkenswertes Beispiel portugiesisch-deutscher Zusammenarbeit im 19. Jahrhundert.
Prinzregent Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha, der spätere König Fernando II., erwarb 1838 das 1503 errichtete und seit 1834 verlassene und weitgehende verfallene Kloster "Nossa Senhora da Pena" in der Serra de Sintra westlich von Lissabon (Pereira/Carmeiro 1999). 1839 beauftragte er den bereits in Portugal tätigen Berghauptmann und Amateurarchitekten Baron Wilhelm Ludwig von Eschwege (1777-1855) mit den Planungen für einen neuen Schloßbau. Der hessische Baron war nach seiner Tätigkeit als Mineraloge in Portugal und Brasilien Anfang der dreißiger Jahre in seiner Heimat mit einem ambitionierten Projekt zur Beschaffung von Eder-Gold gescheitert (vgl. Beck 1956). In enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber entstand ab 1839 auf dem 500 m hohen Berg unweit von Sintra ein malerischer Palast, der in einer eigenwilligen Mischung gotische, maurische und manuelinische Stilelemente vereint.
1850 wurde Baron von Eschwege auf eigenen Wunsch hin pensioniert und kehrte nach Deutschland zurück, wo er 1855 in seinem Wohnsitz in Wolfsanger bei Kassel verstarb. In seinen letzten Jahren hatte er offensichtlich den Kasseler Hofbaudirektor Ruhl kennengelernt, der 1855 vermutlich auf seine Anregung hin eine Mappe mit Entwurfzeichnungen für das Schloß Pena nach Portugal sandte. Sie trägt den Titel "ENTWÜRFE / zur Decoration / für das / SCHLOSS PENA / SEINER / ALLERGETREUESTEN MAJESTÄT / D FERDINAND / KÖNIG VON PORTUGAL / ALGARBIEN" und unter dem Wappen die Signatur "Allerunterthänigst zugeeignet / VON / EUGEN RUHL / KURFÜRSTLICH HESSISCHEN OBER-BAU- DIREKTOR / Comthur und Ritter hoher Orden / Cassel / 1855". Enthalten sind neben Innendekorationsentwürfen für verschiedene Räume auch mehrere Pavillonentwürfe für den im englischen Stil angelegten Park. Nur ein Blatt der insgesamt zehn kolorierten Zeichnungen wird heute noch in Sintra aufbewahrt, während sich die anderen neun sowie das Deckblatt in Vila Viçosa in der Museu-Biblioteca da Casa de Bragança befinden. Zumindest der Entwurf für den Hirsch-Saal wurde in Ansätzen auch ausgeführt.
In der Graphischen Sammlung befinden sich mehrere Titelblattstudien sowie drei Skizzen, die mit diesem bisher unbekannten, ambitionierten Projekt Ruhls in Zusammenhang stehen.

Stand: August 2007 [UH]




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