11.12 Bühnenbild


Eine Besonderheit innerhalb der Graphischen Sammlung stellt das kleine, sechsteilige Konvolut mit architektonischen Bühnenbildentwürfen dar. Neben zwei Blättern aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (GS 18411 u. Marb. Dep. 126), die als Einzelblätter erscheinen und mit keinem Zeichner in Verbindung gebracht werden können, ist ein weiteres Blatt vermutlich dem Nachlaß von Julius Eugen Ruhl zuzurechnen (GS 12010). Eine geschlossene Gruppe innerhalb des Konvoluts bilden die zwischen dem 20. April 1826 und dem 20. August 1829 entstandenen Entwürfe von Justus Heinrich Dallwig, der sich in seinen späteren Jahren als Landschaftsmaler in München einen Namen machte (Hoffmeister/Prior 1885, S. 19; AKL 1992ff., Bd. 8, S. 303).
Die Beschriftung eines Blattes (GS 7020) mit dem Titel "CAPITOL IN DER OPER TITUS" ermöglichte die Identifizierung dieser Zeichnung und im folgenden auch die Einordnung der beiden anderen Blätter (GS 14915 u. GS 10395). Bei dem betitelten Blatt handelt es sich um den 1821 geschaffenen Dekorationsentwurf für die Mozart-Oper "Titus", den Friedrich Beuther für die Weimarer Bühne ausgearbeitet hatte.
Friedrich Beuther, der von 1825 bis 1856 als Theatermaler am Kurfürstlichen Hoftheater in Kassel tätig war, war Schüler des bekannten Mailänder Dekorationsmalers Giorgio Fuentes, den Goethe in seiner Funktion als Leiter des Weimarer Hoftheaters zunächst verpflichten wollte. Nach dessen Absage war Beuther zwischen 1815 und 1818 sowie 1823 bis 1825 an der Weimarer Bühne beschäftigt (Katalog Berlin 1978, S. 157). Beuthers Schwerpunkt lag im Bereich der perspektivischen Architekturmalerei und bildete damit eine ideale Ergänzung zu dem bevorzugten Genre der Landschaftsmalerei, das der zweite Dekorationsmaler, Johann Georg Primavesi, am Kasseler Hoftheater abdeckte (Schaefer 1959, S. 121).
Die Bühnenbilder entstanden in einer Phase des Wiedererstarkens der Kasseler Bühnenlandschaft. Kurfürst Wilhelm I. hatte dem Theater nur wenig Interesse entgegengebracht, was sich in rigiden Einsparungen offenbarte. Unter Kurfürst Wilhelm II., der den repräsentativen Nutzen insbesondere der Oper erkannte, erlebte das Theater einen glanzvollen Aufschwung sowohl in personeller Hinsicht wie auch bei der Aufführungspraxis. Mit der finanziellen Unterstützung des Kurfürsten wurde der Umbau und die Modernisierung des Opernhauses durch den Oberbaumeister Johann Conrad Bromeis vorgenommen (Fröhlich 2004, S. 46f.). Karl Feige, der Generaldirektor des Kurfürstlichen Hoftheaters, sollte dem Haus nach den Vorstellungen des Kurfürsten einen Spitzenplatz unter den deutschen Bühnen verschaffen. Er orientierte sich an der Berliner Bühne, indem er wichtige Verbesserungen insbesondere im Maschinenwesen durchgeführte (Lebe 1964, S. 66-68). Bühnenbilder und Kostüme waren entsprechend einer Forderung des Berliner Generalintendanten Karl von Brühl möglichst nach den authentischen Vorlagen zu schaffen (Harten 2000, S. 11). Nach einer Begegnung Feiges mit dem an Klingemanns Nationaltheater in Braunschweig engagierten Dekorationsmaler Friedrich Beuther konnte dieser für die Anfertigung bestimmter Dekorationen für das Kasseler Hoftheater gewonnen werden (Lebe 1964, S. 67). Beuther galt als strenger Klassizist (Lebe 1964, S. 113), was sich in seinen Bühnenbildentwürfen auch widerspiegelt.
Neben der Nachzeichnung des Bühnenbilds von Beuther fertigte Dallwig noch zwei selbständige Entwürfe an, die sich stark an der Arbeit von Beuther orientieren. In welcher Beziehung Dallwig zu dem Kasseler Hoftheater stand und vor welchem Hintergrund seine Entwürfe entstanden, konnte nicht geklärt werden.

Stand: August 2007 [MH]




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