2.7.1.1 - Kassel-Wilhelmshöhe, Entwurf zum Aquädukt und zur Ruine auf dem Apolloberg, Ansicht und Lageplan



2.7.1.1 - Kassel-Wilhelmshöhe, Entwurf zum Aquädukt und zur Ruine auf dem Apolloberg, Ansicht und Lageplan


Inventar Nr.: GS 5727
Bezeichnung: Kassel-Wilhelmshöhe, Entwurf zum Aquädukt und zur Ruine auf dem Apolloberg, Ansicht und Lageplan
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Architekt/-in
Datierung: 1788 (vor)
Geogr. Bezug: Kassel-Wilhelmshöhe
Technik: Graphit, Feder in Grau, koloriert
Träger: Papier
Wasserzeichen: keine Angabe
Maße: 47,7 x 64 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "Fuß"
Beschriftungen:


Katalogtext:
Der Entwurf widmet sich der geplanten Neugestaltung des zentralen nördlichen Parkteils, der unter Landgraf Friedrich II. als Tal des Peneus bekannt war. Aus dieser Zeit stammen noch das Palais der Armide (oben) und die Eremitage des Heraklit (unten). Das Wasser stürzt vom Aquädukt in das kleine Bassin im Talkessel und wird von dort in einem doppelten Bogen zu einem Teich geführt. Es handelt sich um den ehemaligen See beim Garten der Zauberin Armide. Jussow verleiht dem ursprünglich streng formal gestalteten Becken eine freie Form, wie es den Prinzipien des englischen Landschaftsgartens entsprach. Von hier fließt das Wasser in einem scheinbar natürlichen Graben weiter zum Fontänenbecken. In den Wasserlauf sind große Steine in unregelmäßigen Abständen eingebaut, die gleich Stromschnellen in Gebirgsbächen Strudel und Verquirlungen bilden und dadurch Abwechslung erzeugen.
Auf Jussows Entwurf wird auch die neue Art der Wegeführung im Landschaftsgarten Wilhelms IX. deutlich. An die Stelle der geschlängelten Serpentinen treten langgezogene Kurven. Parallel zum Peneustal zieht sich beispielsweise ein breiter Spazierweg durch das Tal hinauf. An der Südseite des Tals sind noch Reste der alten Schlängelwege vorhanden. Sie laufen hinter dem Haus des Heraklit zusammen, wobei die unregelmäßigen Gehölzinseln deutlich ausgeformt sind. Unterhalb vom Aquädukt befindet sich ein größerer befestigter Platz mit zwei Bänken, von wo aus man dem Schauspiel des Wasserfalls zusehen kann. Über vier Trittsteine gelangt man hier über den reißenden Bach. Auf der anderen Uferseite führt eine steile Felsentreppe hinauf zum Aquädukt.
Auf der Projektansicht läßt sich die von Jussow geplante Geländemodellierung im Peneustal gut nachvollziehen. Ein landschaftliches Relief aus Höhen und Tiefen prägt den Talverlauf. Dabei befindet sich die tiefste Stelle im Kessel unter dem Aquädukt. Dem steht die hohe Kuppe des Apolloberges mit der Ruine auf der östlichen Talseite gegenüber. Der Apolloberg hat die von dem Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld kritisierte Schneckenform verloren (vgl. Hirschfeld 1779-1785, Bd. V, S. 232-239). Den Apollo-Tempel ersetzt die Apsis eines römischen ruinösen Tempels, an den die Reste eines Aquädukts anschließen. Der Aquädukt am linken Bildrand entspricht der im Juni 1788 begonnenen Ausführung schon weitgehend. Zu sehen sind die letzten fünf Bögen mit dem Versprung vor dem Wasserkastell sowie die Fortsetzung aus drei Bögen nach Süden.
Der Entwurf gibt die Umgebung des Aquädukts und seine geplante Einbindung in den Landschaftspark sehr anschaulich wieder. Jussow versäumt es nicht, Hinweise auf die künftige Bepflanzung zu geben. Geschlossene Waldbereiche wechseln mit offenen Wiesenräumen, so daß Durchgänge zum Wasser und gezielte Durchsichten zwischen beiden Uferseiten des Peneustals möglich werden. In der Ansicht sind auf dem Kamm verschiedenartige Bäume zu erkennen. Eine derart abwechslungsreiche Anpflanzung bildet künftig eine scheinbar natürliche Waldkante am Übergang zur Landschaft.
In seiner Beschreibung des Weißensteiner Parks hatte Hirschfeld im Jahr 1785 noch zu Lebzeiten Friedrichs II. deutliche Worte der Kritik für dessen Version des "Landschaftsgartens" gefunden. Vor allem bemängelte Hirschfeld die fehlende Natürlichkeit und den uneinheitlichen Charakter dieser Anlage: "Bey der Menge und Verschiedenheit aller dieser Vorstellungen und Scenen wird man leicht denken, daß sie selbst auf einem so ausgebreiteten Platz zuweilen in einander laufen und ein Gemisch werden, welches das Auge zerstreut, und die Einbildungskraft belästigt." Gegenstand der Kritik waren auch mehrere formale Gartenstrukturen - "Auftritte in der alten steifen Manier", so Hirschfeld. Seine Kritik fand offensichtlich Gehör, denn auf Jussows Gartenplänen für die Wilhelmshöhe sind erstmals Prinzipen englischer Parkgestaltung erkennbar.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [HB]


Literatur:
Katalog Kassel 1993, S. 118f., Nr. 31; Katalog Kassel 1999/CD-Rom; Katalog Kassel 1999/1, S. 180, Kat.Nr. 54; Becker 2005, Abb. 92; Becker/Karkosch 2007, S. 137, Abb. 137


Letzte Aktualisierung: 31.10.2022



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