4.23.1.1 - Göttingen, Entwurf zu einem Klubhaus, Grund- und Aufriß



4.23.1.1 - Göttingen, Entwurf zu einem Klubhaus, Grund- und Aufriß


Inventar Nr.: GS 6047
Bezeichnung: Göttingen, Entwurf zu einem Klubhaus, Grund- und Aufriß
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Architekt/-in
Datierung: 1787
Geogr. Bezug: Göttingen
Technik: Graphit, Feder in Grau und Schwarz
Träger: Papier
Wasserzeichen: keine Angabe
Maße: 49,2 x 63,9 cm (Blattmaß)
Maßstab: unbezifferter Maßstab ohne Maßeinheit
Beschriftungen: unten: "Entwurf zu einem Gebäude für einen Klub in Göttingen 1787" (Graphit)


Katalogtext:
Jussow gliedert den dreigeschossigen Bau von 15 Achsen durch eine differenzierte Wandbehandlung. Am siebenachsigen Mittelteil sind nur die Gewände der Türen und Fenster im Erdgeschoß rustiziert, wobei mit der Ortsteinfassung eine extreme Form der Rustika gewählt ist. An den flankierenden drei Achsen ist die gesamte Wand bis zum dorischen Kranzgesims mit Bandrustika versehen. Reduzierte Kolossalpilaster rahmen die Obergeschosse des Mittelteils und der äußersten Achsen, in deren Erdgeschoß sich jeweils eine breite Einfahrt öffnet. So entsteht eine risalitartige Rhythmisierung der Wand, ohne daß, wie der Grundriß lehrt, Vor- und Rücksprünge tatsächlich ausgeprägt sind. Die verschiedenen Arten der Fensterrahmungen in den drei Wandabschnitten unterstreichen diese Tendenz. Zu bemerken ist, daß die Anordnung der Altane an der Fassade zwischen Grund- und Aufriß differiert (Manuskript Schuchard/Dittscheid).
Stilgeschichtlich steht das Blatt den Seitenflügeln des Schlosses Wilhelmshöhe nahe und gibt damit Aufschluß über Jussows Schulung bei Du Ry. Das im Grundriß rückwärts herangeschobene Treppenhaus bedeutet einen Reflex des Museum Fridericianum. Insgesamt manifestiert sich ein klassizistischer Einfluß französischer Prägung. Es besteht eine enge Verbindung zu den von Ange-Jacques Gabriel entworfenen, 1767 erbauten Fassaden des Hôtel de St-Florentin in Paris (Manuskript Schuchard/Dittscheid; vgl. Braham 1980, Abb. 166).
"Eine Gesellschaft von 60 Mitgliedern, die theils aus Lehrern der Universität, theils aus Mitgliedern der Stadtobrigkeit, theils aus Stadtpredigern, theils aus anderen Gelehrten oder solchen, die in des Königs oder des Landes Diensten sind, besteht", nennt Pütter im zweiten Teil seines "Versuchs einer academischen Gelehrten-Geschichte" (Pütter 1788, S. 368f.) und merkt in der zugehörigen Fußnote an, daß "sie nach der Art der so genannten Clubs sich vereiniget haben". Pütter berichtet weiter, daß die Gesellschaft sich wöchentlich einmal in der Zeit von 6 bis 10 Uhr abends "in einem dritten Hause", also nicht in einem Haus eines der Mitglieder, trifft, um gemeinsam zu essen und "freundschaftliche Unterhaltungen über gelehrte und andere Gegenstände" zu führen. In seinen Ausführungen über Göttingen aus dem Jahr 1791 merkt Carl Friedrich August Hochheimer an, der Club werde "alle Wochen ein Mahl in einem Weinschenkenhaus gehalten" (Hochheimer 1791, S. 143), und Moses Rintel teilt in seinem "Versuch einer skizzirten Beschreibung von Göttingen" (Rintel 1794, S. 127) mit: "Die Gesellschaft versammelt sich jeden Donnerstag Abends von 6-10 Uhr in einem bestimmten Hause." Zu Beginn des 19. Jahrhunderts scheint sich diese Art von Geselligkeit überlebt zu haben, denn Christoph Meiners schreibt (Meiners 1801, S. 257): "Die größeren Clubs trennten sich bisher nach wenigen Jahren wieder."
Offensichtlich war es dieser im November 1787 gegründete Klub, für den Jussow den Entwurf gezeichnet hat. Daß der Plan des Architekten, anspruchsvoll in Form und Maßen, auch nur die geringste Chance zur Ausführung gehabt hat, ist zweifelhaft: Jussows Klubhaus hätte, wäre es gebaut worden, den zu jener Zeit in Göttingen üblichen Standard der Architektur für öffentliche Bauten in Maßstab wie in formalem Anspruch weit überschritten. Überdies wären die Angehörigen des Klubs, dem der Bau dienen sollte, zu denen neben Zelebritäten der Universität wie Pütter, Blumenbach, Lichtenberg u. a. auch einige Geistliche und Honoratioren der Stadt zählten, wohl kaum in der Lage (und wohl auch nicht willens!) gewesen, die hohen Baukosten aufzubringen. So blieb der großzügige Plan unausgeführt und bleibt ein Zeugnis der "Architektur, die nie gebaut wurde".

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [JUB]


Literatur:
Katalog Kassel 1958, S. 5, Nr. 2 (liest die Datierung als 1781); Bangert 1969, S. 150; Dittscheid 1987, S. 20 (1781); Katalog Kassel 1999/CD-Rom


Letzte Aktualisierung: 09.04.2015



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