3.130.3.19 - Wilhelmsthal, Schloß, Garten, Entwurf zur Kaskade, perspektivische Ansicht



3.130.3.19 - Wilhelmsthal, Schloß, Garten, Entwurf zur Kaskade, perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: Marb. Dep. 6
Bezeichnung: Wilhelmsthal, Schloß, Garten, Entwurf zur Kaskade, perspektivische Ansicht
Künstler: Johann Georg Fünck (1721 - 1757), Architekt/-in, fraglich
Datierung: 1752 (nach)
Geogr. Bezug: Wilhelmsthal
Technik: Feder in Grau und Braun, grau, braun, grün und blau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 38,4 x 51,3 cm (Blattmaß)
32,3 x 45 cm (Darstellungsmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: verso: "Wilhelmsthal / Cuvilliés?" (Graphit)


Katalogtext:
Neben der von Johann Georg Fünck stammenden Ansicht- und Grundrißzeichnung (Marb. Dep. 7) befindet sich mit diesem Blatt eine weitere Darstellung der Wilhelmsthaler Kaskade in der Graphischen Sammlung. Im Gegensatz zu dem älteren, gestalterisch reichen Entwurf, der, wie die in die Zeichnung eingebrachten Alternativvorschläge verdeutlichen, noch um das Aussehen verschiedener Teilbereiche ringt, scheint diesem Blatt ein abschließendes, in seiner Formensprache reduziertes Konzept vorzuliegen. Erhalten geblieben ist die Anordnung in Form einer durch einen Wasserkanal gespeisten Kaskade mit Auffangbecken und davon getrennt geplantem, tiefer gelegenem Wasserbecken. Das schräg abfallende Gelände wird dabei wie in der anderen Zeichnung von Fünck durch Rasenböschungen gestaltet. Die Kaskadenanlage ist auf diesem Blatt jedoch auf den mittleren Hauptteil konzentriert worden, so daß die rundbogigen Nebenarme mit den kleinen Wasserstufen und den Rundbogennischen wegfallen. Dafür zeigt die Kaskade im unteren Bereich eine zusätzliche Stufe, die weit ausgreifend mit drei Fontänen ausgestattet ist. Die Bewegung der Wasserfläche des Bassins ist dagegen zurückgenommen und auf eine Fontäne reduziert. Befanden sich die Zugänge auf das obere Gartenniveau in dem älteren Planungsentwurf zwischen der Rasenböschung und den Nebenarmen der Kaskade, so führen hier zweiläufige Treppenanlagen mit breitem Podest in der unteren Stufenhöhe direkt neben der Kaskade auf die höhere Ebene. Gestalterische Zierelemente bilden Vasen auf der Oberkante der Rasenböschungen im Wechsel mit kegelförmig beschnittenen Büschen. Die Anlage präsentiert sich überschaubarer und in ihrer Konzeption schlüssiger gestaltet als in dem Blatt Marb. Dep. 7. Von den Nischen und Ausbuchtungen wurde Abstand genommen und eine klare Grundrißaufteilung mit großbogig geschweiften Formen ausgearbeitet.
Das herausragende stilistische Merkmal der Zeichnung ist ihre exakte Linienführung, die die einzelnen Elemente fest umreißt. In dieser Hinsicht fällt sie aus dem Konvolut der Wilhelmsthaler Gartenzeichnungen heraus, die bis auf zwei Grottengrundrisse von Johann Georg Fünck angefertigt wurden. F. Schmidt-Möbus schreibt das Blatt trotzdem Fünck zu, wobei sie die zügigere Linienführung und einen stärkeren Blick für das Wesentliche mit einem späteren Entstehungszeitpunkt in Zusammenhang bringt (Schmidt-Möbus 1995, S. 126). Diese Veränderung im Zeichenstil könnte auf die Ausbildung in Paris in den Jahren 1749 bis 1752 zurückzuführen sein. Bei einem Vergleich mit der Ansicht- und Grundrißdarstellung der Kaskade ergeben sich tatsächlich die von Schmidt-Möbus bemerkten Übereinstimmmungen, die auf dieselbe Hand schließen lassen. So wird die Wasseroberfläche in beiden Fällen durch eine wellenförmige Linienstruktur angelegt, die neben verschiedenen Blautönen von einem Braunstrich durchzogen ist. In der Vorzeichnung für den von Mayr ausgeführten Stich der Wilhelmsthaler Grotte findet sich außerdem eine vergleichbare Behandlung der Bäume, deren spitz nach oben zulaufende Baumkronen in streifenförmig angelegte Hell-Dunkel-Bereiche aufgeteilt sind. Ein späterer Entstehungszeitpunkt, der nach der Rückkehr Füncks aus Paris anzusetzen wäre, ließe sich auch mit der hier gezeigten fortgeschrittenen Entwicklungsstufe des Kaskadenprojekts in Einklang bringen. In den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts stand das Gestaltungskonzept offensichtlich noch nicht so fest, daß Wilhelm VIII. nicht möglichen Alternativvorschlägen gegenüber offen gewesen wäre. Dies geht aus einem Briefwechsel des Landgrafen mit dem Generalmajor von Fürstenberg hervor, der über moderne englische Gartenanlagen berichtete (Eisentraut 1907, S. 96 u. 110). Zur Fertigstellung der Anlage ist es unter Landgraf Wilhelm VIII. jedoch nicht mehr gekommen. Der Siebenjährige Krieg verhinderte eine nochmalige Aufnahme der Bauarbeiten. Von Wilhelms Sohn und Nachfolger Friedrich II. wurde der Bau zunächst in reduzierter Form weitergeführt. 1794 erfolgte dann jedoch der Abbruch der unvollendet gebliebenen Kaskade.
Stand: September 2004 [MH]


Literatur:
Bleibaum 1932, S. 35, Abb. 17, S. 36f., 62; Braunfels 1938, S. 77, 105, Anm. 41; Both/Vogel 1964, S. 203, Abb. 83; Schmidt-Möbus 1995, S. 123, Kat.Nr. 18, Abb. 47


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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