1.67.2.32 - Kassel, Martinskirche, Entwurf zur Gestaltung der Orgel, Grundriß, Aufriß und Schnitt



1.67.2.32 - Kassel, Martinskirche, Entwurf zur Gestaltung der Orgel, Grundriß, Aufriß und Schnitt


Inventar Nr.: L GS 14638
Bezeichnung: Kassel, Martinskirche, Entwurf zur Gestaltung der Orgel, Grundriß, Aufriß und Schnitt
Künstler: Hugo Schneider (1841 - 1925), Architekt/-in
Datierung: 1891
Geogr. Bezug: Kassel
Technik: Graphit, Feder in Schwarz
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 48,8 x 57,1 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "MET."
Beschriftungen: oben links: "23" (Farbstift in Rot)
oben rechts: "ST. MARTINS-KIRCHE ZU CASSEL. / ORGEL UND SAENGER-BÜHNE." (Feder in Schwarz)
unten rechts: "CASSEL 1891. / H. SCHNEIDER." (Feder in Schwarz)
in der Darstellung: "VORHALLE."; "GRUNDRISS / DER ORGELBÜHNE."; "ANSICHT DER ORGEL / VON DER KIRCHE AUS GESEHEN"; "SCHNITT AB."; "MITTELTHEIL / DER / ORGEL."; "VORHALLE."; "WIND- / FANG."; "WESTL. EINGANG." (Feder in Schwarz)


Katalogtext:
Auf diesem Blatt sind Ansicht und Schnitt einer in neogotischen Formen gehaltenen Orgel, die Schneider für die Martinskirche plante, sowie ein Grundriß der Säulenstellungen, die die Orgelbühne zwischen westlicher Vorhalle und Kirchenschiff tragen sollten, zusammengestellt. Es gehört damit in einen Zusammenhang mit L GS 14651, das eine weitere Ansicht von Orgel und Sängerbühne - nämlich von der Vorhalle aus - präsentiert.
Links ist die Ansicht der projektierten Orgel vom Kirchenschiff aus angegeben, wobei die Schnittebene durch das erste Joch des Langhauses geführt ist. Die Dienstbündel zu beiden Seiten der Orgel sind ebenso eingetragen wie das Gewölbe des Mittelschiffs und die Gewölbeansätze der Seitenschiffe, die Emporen sind jedoch nicht dargestellt. Die Schnittebene verspringt etwas: Wird der Schnitt im Gewölbe durch den Schlußstein geführt (also durch die Mitte des Langhausjochs), zeigt Schneider doch die vollständige Ansicht der Orgel nebst Brüstung der Sängerbühne, obwohl diese über die Schnittlinie hinaus nach Osten in den Raum ragt.
Grund- und Aufriß zufolge plante Schneider eine weit in den Kirchenraum vorspringende Orgelbühne mit 3/8-Schluß, die in den Triumphbogen zwischen Vorhalle und Kirchenraum einbinden und auf einem von sechs Säulen getragenen Kranz gemauerter Spitzbögen aufsitzen sollte. Auf Konsolen springt die Orgelbühne noch über den so beschriebenen Grundriß in den Raum vor. Balkenköpfe tragen die kassettierte Brüstung, die abwechselnd aus gefältelten und mit Maßwerkschnitzereien verzierten Feldern zusammengesetzt ist.
Die Orgel nimmt die ganze Breite des Langhauses ein. Zwei mächtige, keilförmig vorspringende Pfeifentürme mit reichem Maßwerkgesprenge und bekrönenden Fialen und Engeln sind den Mauern links und rechts des Bogens zwischen Kirchenraum und Vorhalle vorgesetzt, die Bogenöffnung nimmt weitere Teile des Prospekts auf: Über einem schmalen, kastenförmigen Unterwerk befindet sich ein dreiteiliger, etwas vorkragender Prospekt. Während die beiden Seitenteile einen waagerechten Abschluß mit Fialen und Kreuzblumen finden, ist der nochmals weiter vorkragende Mittelteil von einer Maßwerkkuppel mit bekrönendem Engel überhöht. Zu beiden Seiten des Unterwerks sind Holzverblendungen mit Durchgängen angeordnet, die von jeweils zwei niedrigen Prospekten überfangen werden.
Der durch die Mittelachse der Vorhalle gelegte Schnitt rechts zeigt die Südwand derselben nebst allen von Schneider projektierten Einbauten und Umgestaltungen, die 1891 erst zu einem kleinen Teil ausgeführt waren: den Windfang hinter dem Westportal, die abgeänderten Treppenstufen zwischen dem Niveau des Portals und der Vorhalle, die umgestalteten bzw. neu eingebrochenen Eingänge in das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß des Südturms sowie eine Empore, die Windfang (und die darin integrierte, hier aber nicht geschnittene Wendeltreppe) und Orgelbühne miteinander verbindet. Die Gliederung der auf einer Balkenreihe mit verzierten Köpfen aufliegenden und mit gefältelten Füllungen versehenen Emporenbrüstung wird im oberen Drittel der darunter liegenden Wand mit einer Malerei oder bemalten Lambrisierung aus mehreren hochrechteckigen Feldern aufgenommen. Die Halle unter der Orgelbühne mit ihren von Säulen getragenen, gemauerten Spitzbögen ist im Schnitt erfaßt. Knaggen oder Konsolen stützen den Boden der Orgelbühne auch im Inneren der Halle. Die Orgel ist so weit in den Bogen zwischen Vorhalle und Kirchenschiff hineingerückt, daß ihr rückwärtiger Prospekt bündig mit den Diensten, die das Netzgewölbe der Vorhalle tragen, abschließt. Da die Orgel eine beträchtliche Tiefe aufweist, sitzt ihr Schwerpunkt nicht oberhalb der westlichen Bogenstellung, sondern ist ein wenig nach Osten verschoben. Die Orgelbühne bietet viel Raum für einen Spieltisch und für Sänger, da sie sehr weit in das erste Joch des Langhauses hinein vorstößt.
1891 trug sich die Gemeinde der Martinskirche mit der Absicht, im Zuge der Umgestaltung der Vorhalle auch Orgel und Orgelbühne durchgreifend überarbeiten zu lassen (Walter 1994, S. 165). Die Zeichnung entstand im Kontext dieser Bemühungen zusammen mit der schon genannten Skizze L GS 14651 und einem dritten, eine Alternative im Renaissance-Stil zu der hier in neogotischen Formen geplanten Orgel präsentierenden Blatt (vgl. L GS 14640). 1892 wurde die alte Orgel abgebaut, um die Baumaßnahmen in der Vorhalle durchführen zu können und einem Neubau Platz zu machen. Nach langen Verhandlungen beließ die Gemeinde die Orgel jedoch in ihrem ursprünglichen Zustand und beauftragte die Orgelbauer Euler und Ladegast, das alte Instrument wiederherzustellen. 1895 konnten sie die generalüberholte Orgel wieder aufsetzen (Walter 1994, S. 165).
Stand: September 2007 [LK]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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