4.8.3.9 - Bad Nenndorf, St. Godehard, fünfter Neubauentwurf, Grundriß und Aufriß der Nordfassade



4.8.3.9 - Bad Nenndorf, St. Godehard, fünfter Neubauentwurf, Grundriß und Aufriß der Nordfassade


Inventar Nr.: Marb. Dep. 247h
Bezeichnung: Bad Nenndorf, St. Godehard, fünfter Neubauentwurf, Grundriß und Aufriß der Nordfassade
Künstler: Johann Philipp Lichtenberg (1800 - 1872), Architekt/-in, Entwurf
Datierung: 1842
Geogr. Bezug: Bad Nenndorf
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, orange, grau und rosa laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 55 x 44,4 cm (Blattmaß)
53,5 x 42,8 cm (Darstellungsmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit Fuß
Beschriftungen: oben mittig: "Entwurf zur Erbauung einer Kirche für Nenndorf. - Grundriss und Aufriss der Langseite. / 5tes Project" (Feder in Schwarz)
oben rechts: "A" (Feder in Schwarz)


Katalogtext:
Der als "5tes Projekt" betitelte "Entwurf zur Erbauung einer Kirche für Nenndorf" lag einem von Johann Lichtenberg angefertigten Gutachten bei (StAM Best. 16, Nr. 11040, 13.10.1842). Die Zeichnung mit dem Aufriß des Langhauses sowie einem entsprechenden Grundriß entstand auf der Grundlage des von Julius Eugen Ruhl vorgelegten Entwurfs zur Westfassade (GS 18378). Da der Entwurf von Ruhl die gestalterischen Vorgaben lieferte, entfernte sich Lichtenberg von dem Rundbogenstil spätklassizistischen Charakters, der seine eigenen Entwürfe geprägt hatte. Anerkennend gestand Lichtenberg ein, daß der im "deutsch-lombardischen Spitzbogenstyl" gehaltene Entwurf des Hofbaudirektors Ruhl sein "einfaches Project gewiß in jeder Hinsicht an Schönheit und Vollkommenheit" (StAM Best. 16, Nr. 11040, 13.10.1842) übertreffe.
Lichtenberg entwickelte eine Fassadenfront in sieben Achsen, die durch hohe Spitzbogenfenster gegliedert und von übergiebelten Eingangsjochen mit Säulenportalen seitlich eingefaßt wird. Dabei rezipiert der dreizonige, von Lisenen gerahmte Wandaufriß den Aufbau der Westfassade. Auch die spätromanisch-frühgotischen Formensprache stammt von dort und geht damit auf den Entwurf von Ruhl zurück. Als eigenständige Leistung kann die Ausführung der halbkreisförmigen Ostpartie angesehen werden. Hier entwickelte Lichtenberg einen zweigeschossigen Fassadenaufbau mit Rechteckfenstern im unteren und Spitzbogenfenstern im oberen Geschoß. Kolossalpilaster gliedern die Fassadenabschnitte und bilden gleichzeitig die Auflage für die Kielbögen über den Spitzbogenfenstern. Die Bogenspitze stößt an einen breiten Ornamentfries, dem schmale, zwischen die Kielbögen plazierte Stäbe vorgeblendet sind. Diese wiederum fungieren als Auflager für den abschließenden Blendbogenfries.
Im Vergleich zu Langhaus und Westfront, wo geschlossene Mauerflächen dominieren, wirkt die zweigeschossige, mit reicher Blendgliederung versehene Apsis etwas überladen. Zudem kann nicht wirklich überzeugen, wie die nur ungenügend aufeinander bezogene Fenstergliederung unter einer Kolossalordnung mit der darüber gelagerten Arkatur verknüpft wird. Konnte die Hervorhebung dieses Bauteils in der mittelalterlichen Bautradition noch auf das liturgische Zentrum des Gebäudes hinweisen, so bleibt sie hier völlig funktionslos. Lichtenberg verwendete die mittelalterlichen Architekturdetails rein dekorativ, um ein malerisches Erscheinungsbild zu schaffen.
Bei der Grundrißgestaltung griff Lichtenberg auf die im Zuge seines vierten Projektentwurfs (Marb. Dep. 247f) vorgelegte Struktur zurück. Das als Saalraum angelegte Langhaus in sieben Achsen mit den vorkragenden seitlichen Eingangsjochen und der halbrund abschließenden Ostpartie findet sich auch hier. Bemerkenswert an dem Entwurf ist, daß Lichtenberg erstmals nicht mehr von der Erhaltung des mittelalterlichen Turmes ausging, sondern einen Neubau vorstellte, der statt der alten oblongen nun eine querrechteckige Grundfläche aufweist. Lichtenberg wendet sich damit gegen die Vorgaben in dem Entwurf von Ruhl, der noch auf die Einbindung alter Bausubstanz ausgelegt war. Bereits im Vorfeld hatte sich Lichtenberg wegen der zu erwartenden statischen Schwierigkeiten gegen die Erhaltung des Altbaus ausgesprochen. Die durch den Entwurf von Ruhl aufgewertete Westseite könne wegen der engen Nachbarbebauung nur dann zur Geltung kommen, wenn der Turm in entsprechendem Abstand neu aufgeführt würde.
Stand: Mai 2005 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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