4.30.1.1 - Herford, Petrikirche, Entwurf, Grundriß, Ansicht und Längsschnitt



4.30.1.1 - Herford, Petrikirche, Entwurf, Grundriß, Ansicht und Längsschnitt


Inventar Nr.: L GS 15597
Bezeichnung: Herford, Petrikirche, Entwurf, Grundriß, Ansicht und Längsschnitt
Künstler: Hugo Schneider (1841 - 1925), Architekt/-in
Datierung: 1900
Geogr. Bezug: Herford
Technik: Graphit, grau laviert
Träger: Papier auf Karton
Wasserzeichen: -
Maße: 50,2 x 60,4 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "MT."
Beschriftungen: oben rechts: "SKIZZE ZUM NEUBAU EINER / REFORMIERTEN KIRCHE / IN HERFORD." (Graphit)
unten mittig: "CASSEL 1900 / H. SCHNEIDER" (Graphit)
in der Darstellung: "FESTE SITZPLAETZE: / IM UNTERRAUM -– 422. / AUF DEN EMPOREN -– 178 / 600" (Graphit)
in der Darstellung: "QUERSCHNITT NACH AB. / THURM-ANSICHT. / LAENGEN-ANSICHT. / GRUNDRISS DES UNTERRAUMS. / GRUNDRISS IN DER HÖHE DER EMPOREN. / LAENGEN-SCHNITT / NACH CD" (Graphit)


Katalogtext:
Um die Wende zum 20. Jahrhundert wuchs bei den Herforder Reformierten der Wunsch nach einer eigenen Kirche. Hugo Schneider erstellte im Jahr 1900 die Pläne für einen solchen zwar zweckdienlichen und leidlich repräsentativen, mit einem Fassungsvermögen von 450 Personen aber nicht übermäßig großen Bau im Stil des frühen 14. Jahrhunderts, der in den Jahren 1901-1902 in der geplanten Form auch ausgeführt wurde. Die Petrikirche sollte damit der erste reformierte Kirchenbau in Herford überhaupt sein.
Auf dem vorliegenden, auf Karton aufgezogenen, am oberen und unteren Rand dennoch in Mitleidenschaft gezogenen Blatt lassen sich alle wesentlichen Darstellungen von Schneiders Entwurf auf einen Blick erfassen: Grundrisse in Höhe des Erdgeschosses und auf Höhe der Emporen, Längs- und Querschnitt sowie eine Vorder- und eine Seitenansicht. Lediglich eine Rückansicht von Sakristei und Chor ist nicht abgebildet.
Schneider entwarf einen Zentralbau mit kreuzförmigem Grundriß, dem einerseits der von zwei Treppentürmchen begleitete Glockenturm, andererseits ein niedriger Sakristeianbau in der Kirchenachse angefügt wurde. Die Vierung mißt 13 x 13 m, die Länge der Kreuzarme etwa 6,50 m (bei deutlich kürzerem Chorjoch), die lichte Höhe vom Fußboden bis zum Gewölbescheitel beträgt 12 m. An den rechteckig abschließenden Chor sind Funktionsräume angebaut.
Die Ansichten zeigen einen kompakten Kirchenbau. Ein die ganze Kirche umlaufendes Gesims, das auch die Traufhöhe eines Sakristeianbaus hinter dem Chor bestimmt, umzieht die ganze Kirche und sondert ein Sockelgeschoß aus. In dieses Sockelgeschoß sind die Eingänge - das Hauptportal im Westen mit einem das Gesims überschneidenden Giebel, zwei Seitenportale in den Treppentürmchen, die den Glockenturm flankieren, und zwei Seitenportale in den kurzen Schmalseiten einer achteckigen Vierung - sowie kleine Rundbogenfenster eingeschnitten. Die Rundbogenfenster im westlichen Eingangsjoch und im Querhaus korrespondieren in Lage und Anzahl mit den Bahnen der großen Maßwerkfenster im Hauptgeschoß. Diese sind im Eingangsjoch und im Chorjoch zweibahnig, im Querhaus und im Turm dreibahnig ausgeführt. Ein kräftig ausgebildetes Traufgesims, das ebenfalls um den Turm herumgezogen ist, schließt die Wandfläche nach oben ab, mit wenigen Gauben versehene Walmdächer mit leicht überhöhter, von einem Dachreiter bekrönter Vierung überdecken den Kirchenbau.
Der Turm erhebt sich in der Mittelachse der Kirche auf querrechteckigem Grundriß. Nur wenig über der Firstlinie des Kirchenschiffs schließt eine umlaufende Galerie den Turmstumpf ab, ein deutlich zurückspringender Aufbau mit Giebeln zur Aufnahme der Zifferblätter der Turmuhr trägt den polygonal gebrochenen, von Flankentürmchen begleiteten Helm, den eine kleine Laterne bekrönt.
Die streng symmetrisch angelegten Grundrisse liefern weitere Informationen. So waren nur für die westlichen Schmalseiten der Vierung Seitenportale vorgesehen, nicht aber für die östlichen. Der Altar im Chorjoch erhebt sich über einer Stufe, die Kanzel ist an die Seite gestellt und nicht mit dem Altar verbunden. Der Zugang zu den Emporen erfolgt ausschließlich über die an den Turm angebauten Treppentürmchen, die sich in die Vorhalle und nach außen öffnen. Sie geleiten den Gläubigen auf die Empore im Eingangsjoch der Kirche, von wo aus er sich über schmale Galerien zu den Emporen im Querhaus begeben kann. Für das Turmgeschoß ist auf Emporenhöhe der Einbau einer Orgel vorgesehen; ein Rechteck markiert den Standort des Werkes. Der rechteckige Sakristeianbau am Chor weist drei Eingänge auf. Einer erschließt den Hauptraum von Süden, ein zweiter einen mit diesem verbundenen kleineren Raum von Norden, der dritte das Treppenhaus zu den Kellerräumen.
Der Querschnitt zeigt einen gedrungen wirkenden Innenraum, wozu nicht nur die weit gespannten (und daher tief ansetzenden) Gewölbe, sondern auch die in die seitlichen Kreuzarme eingestellten, leicht ansteigenden Emporen beitragen. Der Blick öffnet sich in den Chorraum hinein auf den Altar in der Mittelachse der Kirche, der von zwei Türen zu den Sakristeiräumen flankiert wird. Die Chorwand wird durch ein dreibahniges Fenster und ein auf Höhe der Sohlbank über alle drei Chorwände gezogenes Gesims gegliedert, das jedoch in der Vierung keinen Anschluß besitzt.
Der Längsschnitt deutet außerdem die Kanzel im Chorraum und die Brüstungen der Emporen an. Der Sakristeianbau weist einen Keller auf. Hier ist auch die geplante Höhe der einzelnen Turmgeschosse ablesbar: die Eingangshalle sollte niedrig ausfallen und die Höhe des Raumes unter den Emporen nicht überschreiten, der oberhalb anschließende Turmraum sich zum Emporengeschoß hin öffnen und daher auch nur bis zum Gewölbe des Kirchenschiffs reichen und das Glockenhaus den Raum zwischen der Traufe und der Turmgalerie einnehmen.
Insgesamt präsentiert sich die Planung Schneiders in einem konservativen Gewand. Die Anordnung von Kanzel und Altar entspricht noch ganz den Vorstellungen des Eisenacher Regulativs für den evangelischen Kirchenbau von 1861 (s. Mai 1976, Anhang; Langmaack 1971, S. 276), wenn auch die darin vorgesehene Hervorhebung des Chorraums durch Stufen deutlich abgemildert ist. Auch ein kreuzförmiger Grundriß gehörte zu den Empfehlungen, die im Eisenacher Regulativ niedergelegt waren. Auf moderne Strömungen im Anschluß an das Wiesbadener Programm von 1891 (s. Mai 1976, Anhang; Langmaack 1971, S. 272-274) ging Schneider gleichwohl ein, indem er zur Emporenkirche zurückfand und einen Zentralbau mit nur schwach ausgesondertem Chor entwarf. Damit entsprach er weitgehend den Bedürfnissen des evangelischen Gottesdienstes, wenn er auch keinen den neuen Strömungen entsprechenden Kanzelaltar konstruierte. Der Entwurf stellt somit einen Mittelweg zwischen Tradition und Erneuerung in der evangelischen Kirchenbaukunst um 1900 dar.
Für die Ausstattung der Kirche sind keine Pläne im Nachlaß Schneider überliefert; die heute noch in der Kirche befindlichen Ausstattungsstücke aus der Bauzeit, vor allem die aus Eichenholz geschnitzte Kanzel und die Liedertafeln, stammen von einem anderen Künstler (Bildhauer Speer) und anderen Bildschnitzern (Firma Quest) (s. .
Auf der Rückseite des Blattes sind zwei Maßstäbe und ein unfertiger Gradkreis angelegt.
Stand: September 2007 [LK]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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