8.16.2.1 - Ravenna, S. Vitale, Skizze, perspektivische Innenansicht



8.16.2.1 - Ravenna, S. Vitale, Skizze, perspektivische Innenansicht


Inventar Nr.: GS 12329
Bezeichnung: Ravenna, S. Vitale, Skizze, perspektivische Innenansicht
Künstler: Hugo Schneider (1841 - 1925), Zeichner/-in
Datierung: 1869
Geogr. Bezug: Ravenna
Technik: Graphit
Träger: graues Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 36,6 x 25,8 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen:


Katalogtext:
Zum Jahreswechsel 1868/69 reiste Hugo Schneider zum ersten Mal für mehrere Monate nach Italien. Diese Reise stand in engem Kontext mit den Bemühungen seines Gönners, des bedeutenden Kunsthistorikers und Aachener Ehrenkanonikers Franz Bock, auf die Ausgestaltung des Aachener Münsters mit Marmorinkrustationen und Mosaikarbeiten Einfluß zu nehmen. Diese Innendekorationen, die heute eines der augenfälligsten Resultate der denkmalpflegerischen Bemühungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts um die 'Wiederherstellung' des Aachener Domes darstellen, sind das Ergebnis eines Jahrzehnte währenden Diskussionsprozesses, an dem Franz Bock und Hugo Schneider beteiligt waren.
Bock sorgte für einen Reisekostenzuschuß von 100 Talern aus der Kasse des Stiftskapitels, steuerte weitere 350 Taler aus eigenen Mitteln und aus den Erträgen einer zweckgebundenen Sammlung unter Kunstfreunden bei und stellte für Schneider auch Empfehlungsschreiben aus. Außerdem gab ihm Bock auch eine (nicht erhaltene) Liste mit Kopieranweisungen für italienische Mosaiken des 8. und 9. Jahrhunderts mit, deren Abarbeitung den Zuschuß ebenso rechtfertigen konnte wie der nach Rückkehr abzuliefernde Entwurf für die Innendekoration des Aachener Münsters (Wehling 1995, S. 66).
Nachdem weder die Entwürfe des Bauleiters Johann Peter Cremer noch die des Konservators der Kunstdenkmäler Preußens, Ferdinand von Quast, überzeugend erschienen, schickte Bock seinen Protegé Schneider nach Italien, damit sich dieser mit den großen Werken der spätantiken und mittelalterlichen Mosaikkunst des byzantinisch-italienischen Kunstkreises persönlich vertraut machen und für Aachen Entwürfe in der Tradition der ravennatischen Mosaiken vorlegen konnte. Aus frühmittelalterlichen Quellen war bekannt, daß Karl der Große in Ravenna war, die Parallelen zwischen S. Vitale in Ravenna und der Aachener Marienkirche waren evident, so daß man in Aachen davon ausging, Karl der Große habe für seine Pfalzkapelle auch eine ähnliche Innendekoration angestrebt, wie sie fast 300 Jahre vor ihm in Ravenna ausgeführt worden war.
Die genaue Reiseroute Hugo Schneiders ist nicht bekannt, doch läßt sie sich aus der Überlieferung des Aachener Stiftskapitels (Domarchiv Aachen D 8 b II, zit. nach Wehling 1995, S. 130, Anm. 618) und vor allem aus den Blättern des Reiseskizzenbuchs, die in der Graphischen Sammlung erhalten sind, annähernd rekonstruieren (Mailand, Rom, Neapel, Florenz, Perugia, Ravenna, Venedig, Verona). Leider ist dieses Reiseskizzenbuch nicht vollständig überliefert. Die einzelnen Blätter wurden herausgenommen und zum Teil erheblich beschnitten; noch vorhandene Numerierungen deuten darauf hin, daß es ehemals über 60 Blätter umfaßt haben muß, zuzüglich einiger großer Kartons.
Die vorliegende Darstellung zeigt eine skizzenhafte Innenansicht der Kirche S. Vitale in Ravenna, die vermutlich Anfang 1869 entstand. Schneider wählte seinen Standort im unteren Umgang und zeichnete von dort aus Teile des überkuppelten Zentralraums und des Chores mit Graphit; die Mosaiken im Chor sind detailreicher angedeutet. Von Interesse für ihn waren vor allem dieser Mosaikschmuck und das spätantike Raumgefüge; an Ergänzungen und Veränderungen späterer Jahrhunderte zeichnete er nur Teile der Balusterbrüstung im Emporengeschoß. Bemerkenswert ist auch, daß Schneider bereits Marmorplatten an den Pfeilern des Oktogons andeutet, denn Corrado Ricci, damals verantwortlich für die Restaurierung der Kirche, experimentierte noch mit ihnen und ließ sie erst im Laufe des Jahres 1869 in Nachempfindung des ursprünglichen, in Resten überlieferten Zustands wieder anbringen.
Stand: September 2007 [LK]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 25.11.2022



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