11.11.3.1 - Entwürfe für verschiedene Stühle und ein Bett, perspektivische Ansicht



11.11.3.1 - Entwürfe für verschiedene Stühle und ein Bett, perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: GS 9569
Bezeichnung: Entwürfe für verschiedene Stühle und ein Bett, perspektivische Ansicht
Künstler: Johann Conrad Bromeis (1788 - 1855), Entwurf
unbekannt, Zeichner/-in, Ausführung
Datierung: um 1825
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit
Träger: Papier
Wasserzeichen: "XX / C & I H"
Maße: 34,5 x 22 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: verso: "Kasten XI kl.II:io" (Graphit)
verso: "Zeichnung der Zeit 1800-1820 / Schinkelkreis" (Graphit)
verso: "K I 1019b" (Graphit)
verso: "K I 1019b" (Graphit) "Vermächtnis / Helene u. Arnold Blome / Kassel"


Katalogtext:
Das kleinformatige Blatt aus dem Nachlaß der Kasseler Eheleute Helene und Arnold Blome zeigt in systematischer Anordnung Entwürfe für vier Stühle, die in Schrägansicht präsentiert werden. Ergänzt werden die Darstellungen durch das Detail eines Ruhebetts in Seitenansicht.
Der erste Stuhl ist in der antiken Klismos-Form ausgeführt, die sich durch die vier ausgestellten Beine, die nach hinten geschweiften, nach oben verjüngten Lehnenholme und das weit vorkragende Rückenbrett auszeichnet. Vordere und seitliche Zargen sowie Rückenbrett sind mit Ornamenten (vermutlich geschnitzte Appliken) versehen. Die charakteristische Kanteneinfassung des Rückenbretts mit Spiralranken und die mittig angeordnete Figur einer Seeschlange auf die verwendete Vorlage schließen lassen: Als eine der wenigen antiken Formen verwendeten die französischen Architekten und Begründer des Empire-Stils Percier und Fontaine in ihrem weitverbreiteten Sammelwerk zur Innenarchitektur die Stuhlform des Klismos für einen ihrer eigenen Stuhlentwürfe mit ebender hier dargestellten Ornamentik (Percier/Fontaine 1801-1812, Taf. 13). Mit leichten Abweichungen entwickelte Leo von Klenze aus dieser Vorlage seinen Entwurf für die Stühle, die für das zweite Vorzimmer der Münchener Residenz bestimmt waren. Klenzes Entwurfszeichnung fehlt ebenso wie der vorliegenden Darstellung das in der Vorlage vorhandene Stegbrett, das der mit der Ausführung beauftragte Schreiner dann zur Erhöhung von Stabilität und Bequemlichkeit hinzufügte (Katalog München 2002, S. 138).
Der vor allem für das Regency in England bis in die 1830er Jahre hinein charakteristische Seitenrahmentypus (Katalog Hamburg 2002, S. 160) bildet die Grundlage für den zweiten Entwurf. Die horizontale Linie der Seitenzarge, die hier in den S-förmigen Schwung der auffallend schrägen Rückenlehne überleitet, ist durch eine Rankenornamentik angezeigt, die bis in die ausgestellten hinteren Säbelbeine verläuft. Die Vorderbeine, die konstruktiv eigenständig sind, werden auch gestalterisch unterschieden, indem hier eine Balusterform mit kelchartigem Endstück ausgebildet wurde. Für die notwendige Stabilität im Rückenbereich sorgt eine X-förmige Querverstrebung. Die eingerollten Enden der Rückenlehne sind durch einen Griffsteg in Balusterform verbunden.
Die beiden unteren, kleiner ausgeführten Stuhlentwürfe sind Variationen der beiden oberen Stuhltypen. Bei dem linken, als Seitenrahmenmodell ausgebildeten Polsterstuhl sind die seitlichen Rahmenteile wohl durch die vordere und die hintere Zarge verbunden, wobei das Sitzpolster lose aufliegt. Seitenzarge, Rückenlehne und hinteres Säbelbein sind ebenfalls durch ein Rankenornament gestalterisch verbunden. Statt der Querverstrebung der Rückenlehnen findet sich hier ein Rückenbrett mit Lorbeerkranzverzierung. Aufgrund der ungenauen Darstellung läßt sich nicht entscheiden, ob es sich um eine geschnitzte Applik handelt oder ob ein textiles Motiv in einem Rückenpolster gemeint ist.
Der vierte Entwurf präsentiert sich als Armlehnstuhl mit konkav zurückgebogener Stütze, die direkt in das geschwungene, nach vorn abgerundete Vorderteil der Armlehne übergeht. Die Rückenlehne ist durch eine X-förmige Querverstrebung verspannt. Darüber setzt ein gepolstertes Schulterbrett an. Die eingerollten Enden der Rückenlehne werden durch zwei gedrehte, gegengleich gearbeitete Balusterstäbe verbunden. Auch dieser Stuhl zeigt die weit nach hinten ausschwingenden Rückenlehnen, auf die sich die ausgestellten rechteckigen Hinterbeine beziehen. Im vorliegenden Fall wird die Bewegung dem Klismos-Typ folgend von dem gegenläufigen Schwung der ebenfalls rechteckigen Vorderbeine aufgenommen. Eine Anregung zu diesem Entwurf könnte ein im "Journal des Luxus und der Moden" (Bd. 21, 8. Juni 1806, Heft 7, 5. Beitrag) abgebildeter Polsterstuhl geboten haben. Er zeigt die charakteristisch ausgestellten Rechteckbeine, die geschwungene Rückenlehne mit eingerolltem Endstück und die X-förmige Querverstrebung.
Die untere Darstellung zeigt das Kopfstück eines Ruhebetts in Seitenansicht. Auf dem geraden Rahmen sitzt, abgeleitet von der Form einer antiken Kline, eine kraftvolle Volute auf, die in einem plastisch geformten Blatt ausläuft. Ein Kissen liegt als Kopfstütze locker auf dem rundbogigen Endstück des Bettes. Die Bettfüße sind als Blattkelche ausgebildet, deren Aufsatzstück nach außen gebogen ist. Ähnlich geformte Betten finden sich in Vorlagenwerken der 1830er Jahre, etwa in den "Practische[n] Zeichnungen von Meubles [...]" von Friedrich Wilhelm Mercker.
Auf der Rückseite des Blattes findet sich der spätere Vermerk "Zeichnung der Zeit 1800-1820 / Schinkelkreis". Als Seitenrahmentypus ausgebildete Stühle, die sich durch ihre S-förmig geschwungenen Rückenlehnen, die ausgestellte Säbelbeinform und die geraden, balusterförmigen Vorderbeine auszeichnen, wurden in den 1820er Jahre von verschiedenen Architekten entworfen, unter anderem auch von Schinkel für das Berliner Stadtschloß, das Neue Palais und das Palais des Prinzen Karl in Berlin (Katalog Hamburg 2002, Kat.Nr. 13, 14, 38, 40 u. 44). Eine Verbindung zu Schinkels Entwurfsarbeiten ist jedoch nicht unmittelbar gegeben. Für den ersten Stuhlentwurf konnte statt dessen ein Vergleich zu einem Entwurf von Leo von Klenze gezogen werden. Die Möbelentwürfe könnten in Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten entstanden sein, die in den 1820er Jahren nach dem Ende des Königreichs Westphalen in einer Reihe von Schlössern vorgenommen worden sind. In diesem Fall ist das Baubüro Bromeis für die Entwürfe in Anspruch zu nehmen. Ein konkreter Projekthintergrund ist aber nicht bekannt. Zwar entwickelte Bromeis für die Stuckgalerie im Weißen Palais einen Stuhl, der ebenfalls nach hinten ausschwingende Rückenlehnen mit Griffsteg, ausgestellte rechteckige Hinterbeine und gedrehte Vorderbeine aufweist (s. Bidlingmaier 2000, S. 186). Er unterscheidet sich von den vorliegenden Entwurfsstudien allerdings durch seine kompakte Form. Für die genaue Zuschreibung bedarf es einer näheren Untersuchung.
Stand: Mai 2005 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 18.08.2022



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