11.12.1.2 - Bühnenbild für die Mozart-Oper "Titus" nach Friedrich Beuther, perspektivische Ansicht



11.12.1.2 - Bühnenbild für die Mozart-Oper "Titus" nach Friedrich Beuther, perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: GS 7020
Bezeichnung: Bühnenbild für die Mozart-Oper "Titus" nach Friedrich Beuther, perspektivische Ansicht
Künstler: Justus Heinrich Dallwig (1811 - 1857)
Datierung: 20.04.1826
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, koloriert
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 51,7 x 70,3 cm (Blattmaß)
44,2 x 62,3 cm (Darstellungsmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: unten links: "Cassel a: 20 t April 1826." (Feder in Schwarz)
unten mittig: "CAPITOL IN DER OPER TITUS" (Feder in Schwarz)
unten rechts: "J. Heinrich Dallwig." (Feder in Schwarz)


Katalogtext:
Die großformatige Zeichnung, die am 20. April 1826 von Justus Heinrich Dallwig signiert wurde, konnte als Nachzeichnung eines Bühnenbilds von Friedrich Beuther, die dieser für die Mozart-Oper "Titus" schuf, identifiziert werden. Beuther hatte den Entwurf, der von Schäffer 1816 in Braunschweig gedruckt (Jung 1963, S. 373) und 1939 erstmals im Katalog der Ornamentstich-Sammlung der Kunstbibliothek Berlin publiziert wurde, für das Großherzogliche Hoftheater zu Weimar erarbeitet (s. Widmung des Blattes: "Sr. Königlichen Hoheit Herrn Carl August Großherzog zu Sachsen-Weimar und Eisenach unterthänigst gewidmet von Friedrich Beuther"). Das Jahr der Weimarer Aufführung mit dem vorliegenden Bühnenbild ist unklar. Während sich in der Enciclopedia dello Spettacolo (Bd. II, Rom 1954, Sp. 449f.) das Jahr 1818 findet, spricht Hellmuth Christian Wolff von 1824 (Wolff 1969, o. S.; zit. nach Katalog Berlin 1978, S. 157).
Beuthers Schwerpunkt, der auch anhand der vorliegenden Darstellung deutlich wird, lag auf dem Gebiet der architektonischen Darstellungen. Goethe, unter dessen Intendanz die Weimarer Bühne stand, sagte über ihn, daß er "durch perspektivische Mittel unsere kleinen Räume ins Gränzenlose zu erweitern, durch charakteristische Architektur zu vermannigfaltigen, und durch Geschmack und Zierlichkeit höchst angenehm zu machen wußte" (zit. nach Schaefer 1959, S. 121).
Der Entwurf, der in der Tradition der "spätbarocken Winkelszene" (Hans Tintelnot 'Bühnenbild', in: RDK, Bd. III, 1954, Sp. 66) steht, zeigt eine in Schräg- und Winkelperspektiven ausgeführte Bühnenkomposition, die die Erfassung verschiedener Bauwerke ermöglicht. In der Entwicklung des Bühnenbilds war die reale Tiefe der barocken Dekoration durch die gemalte winkelperspektivische oder symmetrische Tiefe ersetzt worden. Dabei hatte sich die Spielzone zur rampenparallelen Reliefbühne verengt. Die scheinplastische Wirkung wird durch den gelenkten Einsatz von Licht- und Schattenzonen erzielt (Lebe 1964, S. 231).
Beuthers Entwurf, der sich an dem Bühnenbild des Kapitols von Fuentes für die Titus-Oper orientiert (Itzenplitz 1953, S. 95; Katalog Berlin 1978, S. 157), zeigt ein Konglomerat antiker Architekturstücke, die rein fiktional versatzstückhaft zusammengesetzt sind. Dabei gab das Libretto der Oper in zwei Akten, die von der Verschwörung gegen den römischen Kaiser Titus handelt, als Orte des Geschehens das Forum sowie das Kapitol vor. Das vorliegende Bühnenbild betrifft das Kapitol, wobei die einzigen, zum realen Kapitolsplatz gehörenden Stücke, die allerdings zum neuzeitlichen Erscheinungsbild des Platzes gehören, das monumentale Dioskurenpaar Castor und Pollux am oberen Ende der rampenförmigen Treppe sind. Sie wurden bei einer Umgestaltung des Platzes durch Michelangelo 1589 dort aufgestellt und sind hier auf den Seitenwangen der Freitreppe plaziert. In keinem topographischen Zusammenhang steht das skizzierte Abbild der monumentalen Trajanssäule mit ihrem spiralförmig aufsteigenden Reliefband, die in den Mittelgrund des Platzes gerückt ist und zu der weitläufigen Palastarchitektur überleitet, die den Hintergrund des Entwurfs einnimmt. Erfahrungsgemäß dienten Abbildungswerke als Vorbild für die Komposition der Bühnenbilder. So läßt sich der Rundtempel am linken Bildrand, der vermutlich als Kulisse umgesetzt werden sollte (Itzenplitz 1953, S. 94) in Piranesis Idealansicht eines antiken Kapitols (Prima Parte di Architetture, e Prospettive inventate […], Erstausgabe Rom 1743, Taf. 7) wiederfinden, von dem sich wohl auch Schinkel bei seinem Entwurf für die erste Dekoration von "Die Vestalin" (Harten 2000, Kat.Nr. 57, Abb. S. 275) inspirieren ließ. Auch bei der Darstellung des antiken Kapitols könnten Piranesis Kupferstiche vorbildhaft gewesen sein. So zeigt die Komposition "Antikes Forum mit Säulenhallen im Innern" ("Prima Parte di Architetture, e Prospettive inventate […], Rom 1743, Taf. 11) ebenjene doppelgeschossige Arkadenarchitektur, die auch für Beuther maßgebend war.
Im Bühnenbild findet sich eine Anzahl von Personen in antikisierender Gewandung, die über den fiktiven Platz verteilt sind und die Begehbarkeit des Bühnenbilds suggerieren. Sie "weisen so auf den Wandel von der ideal zur real orientierten Darstellung hin" (Harten 2000, S. 70).
Der vorliegende Entwurf ist für die Kasseler Aufführung der Oper "Titus" wohl nochmals verwendet worden, nachdem Beuther im Jahr 1821 einen Dekorationsauftrag für diese Oper erhalten hatte (Lebe 1964, S. 113). Gerade dieses Bühnenbild, das er in einem Stich selbst reproduzierte und in einer Reihe von sechs Blättern 1816/17 veröffentlichte, erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit und erntete Lob beim Publikum wie bei den Kritikern (Itzenplitz 1953, S. 93). Die Nachzeichnung von Dallwig, die erst fünf Jahre später entstand, könnte auf diesen nochmals verwendeten Entwurf Bezug nehmen.
Stand: August 2007 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 19.08.2022



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