11.12.2.1 - Entwurf für ein Bühnenbild (?), perspektivische Ansicht



11.12.2.1 - Entwurf für ein Bühnenbild (?), perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: GS 12010
Bezeichnung: Entwurf für ein Bühnenbild (?), perspektivische Ansicht
Künstler: Julius Eugen Ruhl (1796 - 1871), Zeichner/-in
Datierung: 1830-1850
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, koloriert
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 28,1 x 47,2 cm (Blattmaß)
22,7 x 41,9 cm (Darstellungsmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen:


Katalogtext:
Die auf lachsrosa Fond angelegte Darstellung eines üppig dekorierten Innenraums gehört vermutlich zum Nachlaß von Julius Eugen Ruhl. Durch die zentralperspektivisch angelegte Zeichnung blickt der Betrachter auf die dreiteilige Fensterfront eines lichtdurchfluteten Saales, der durch hohe, von Sprenggiebeln bekrönte und als Enfilade angelegte Türen erreicht werden kann. An der Fensterfront wechseln sich die tiefen, mit chiffonartigen Vorhangschals drapierten Fenster mit Wandfeldern ab, die Pfeilerspiegel mit vorgestellten Konsoltischen aufnehmen. Über die gesamte Breite der Wand ist in ungewöhnlicher Anordnung ein Querbehang aus durchsichtigem, grünblauem Stoff gespannt. Auffällig ist zudem die besondere Fensterform der nicht durch vertikale Arretierungen zu öffnenden Fenster, sondern der auf einer horizontalen Schiebetechnik beruhenden Konstruktion, wie sie in den Niederlanden oder in England zu finden ist. Durch die Fenster hat der Betrachter einen Ausblick auf die bewegten Wolkenformationen des Himmels. Das hereinscheinende Licht schafft Licht- und Schattenzonen auf dem quadratisch gemusterten Fußboden, was die Raumwirkung der Darstellung erheblich erhöht.
Der Raumcharakter wird durch die reichhaltige Dekoration von Wänden und Decke geprägt. Über der holzvertäfelten Lambriszone, die den gesamten Raum umschließt, erstreckten sich die aus verschiedenen zentralen Ornamentfeldern mit einem unteren und einem oberen durchlaufenden Ornamentband verzierten Wandpartien, wobei die auf einen Fond aufgebrachte pastellfarbene Malerei an die achsensymmetrisch aufgebaute Ornamentik der Spätrenaissance erinnert. Den oberen Wandabschluß bildet eine Profilleiste, die in einer durchbrochenen Firstbekrönung endet und den Ansatz der Deckenkehle (Stichkappen?) verbirgt. Die einzelnen voneinander abgegrenzten Deckenfelder, die in Pastelltönen gehalten sind, werden von einer Rankenmalerei ausgefüllt, in die an verschiedenen Stellen Kartuschen oder Bildfelder eingesetzt sind. Von dem zentralen ovalen Deckenfeld mit seiner Ton-in-Ton-Malerei hängt ein auffälliger Kronleuchter mit Hirschköpfen, dessen Gestaltung vermutlich durch mittelalterliche Kronleuchter mit Lüsterweibchen angeregt wurde.
Die ornamentreiche, dominant farbige Ausstattung des Raumes erinnert an die Innenraumdekorationen, die Julius Eugen Ruhl für Schloß Pena im portugiesischen Sintra entwarf. Allerdings herrschen dort kräftigere Farben vor; zudem lassen sich keine übereinstimmenden Raummerkmale in dem Gebäude finden, so daß ein Zusammenhang mit diesem Projekt nicht anzunehmen ist. Die überaus dekorative, malerisch präsentierte Ausstattung mit den z. T. versatzstückhaft wirkenden Einzelformen läßt Zweifel aufkommen, ob hier tatsächlich eine reale Architektur abgebildet bzw. entworfen wurde. Bei dem Raum scheint es sich vielmehr um eine fiktive Architektur zu handeln. Möglicherweise steht die guckkastenartige Raumgestaltung mit einem Bühnenbildentwurf in Zusammenhang. Zwar waren zentralperspektivisch angelegte Szenographien seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von der komplexeren "scena per angolo" abgelöst worden, die den Zuschauer viel stärker in das Geschehen auf der Bühne integriert, bei einfachen Bühnenbildentwürfen waren sie aber weiterhin üblich.
Stand: August 2007 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 20.09.2017



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum