12.7.7.8 - Entwurf zu einer Kirche, Grundriß



12.7.7.8 - Entwurf zu einer Kirche, Grundriß


Inventar Nr.: L GS 15166
Bezeichnung: Entwurf zu einer Kirche, Grundriß
Künstler: Johann Heinrich Wolff (1792 - 1869), Zeichner/-in
Datierung: um 1825
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, schwarz, grau und rosa laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: -
Maße: 60 x 90 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: oben rechts: "199." (Graphit)
unten links: "Bl. 119" (Feder in Rot)
unten rechts: "H. Wolff" (Graphit)


Katalogtext:
Das übergroße, mit "H. Wolff" signierte Blatt gehört in den Zusammenhang der von Johann Heinrich Wolff in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts erarbeiteten Serie mit repräsentativen Zeichnungen zu einem evangelischen Kirchenbau (L GS 14623 - L GS 14626).
Auf einem erhöhten rechteckigen Plateau mit Umfassungsmauerwerk ist mittig der kreuzförmige Kirchenbau plaziert, dessen Grundrißstruktur zwei lange und zwei kurze Kreuzarme vorsieht. Den verkürzten Kreuzarmen sind eingezogene Bauteile vorgesetzt, so daß eine Gleichschenkligkeit der Kreuzform gewährleistet ist. Während das architektonische Zentrum in Form einer ausgeschiedenen Vierung gleichzeitig das liturgische Zentrum bildet, ist in drei Kreuzarmen die Bestuhlung untergebracht. Freistehende Säulenportiken ermöglichen hier die Erschließung der Kirche. Den Haupteingang am unteren Kreuzarm betont ein eingezogener Rechteckbau, und der hintere Kreuzarm wird durch einen quadratischen Turmanbau verlängert. In ungewöhnlicher Anordnung befinden sich Treppenkorridore zum oberen Emporengeschoß als schmale Raumteile in quer- bzw. längsseitiger Anordnung hinter den Säulenportiken.
Die Vorteile dieser Grundrißform im Hinblick auf die architektonische Konzentration bedeuten zugleich auch die Nachteile der Konstruktion, da die Hauptereignisorte der evangelischen Verkündigung und Sakramentsausübung in Gestalt der Kanzel, des Altars und des Taufsteins im gesamten Kirchenraum gut sichtbar sein müssen. Durch die zentrale Altarposition inmitten der Vierung mußte zunächst die Aufstellung der Kanzel getrennt davon erfolgen. Der von Wolff gewählte Standort im oberen Teil der Vierung ermöglicht zumindest theoretisch die Sicht von den um den Altar wie von den Kreuzarmen angeordneten Sitzplätzen.
Als Referenzbau für die Zentralbaustruktur auf der Grundlage eines griechischen Kreuzes diente Soufflots Pariser Kirchenbau St. Geneviève. Vergleichbar erscheinen auch die den Außenbau prägenden geschlossenen Mauerfluchten, die bei Wolff nur von wenigen schmalen Öffnungen in den Seitenarmen unterbrochen werden. Auch die Betonung der Eingangsfront durch eine Tempelarchitektur setzte Wolff ein. Da kein Aufriß existiert, kann die Konstruktion des aufgehenden Mauerwerks in der Gebäudemitte und die mögliche Verbindung zu dem Pariser Kirchenbau nicht beurteilt werden. Anregungen für diesen Entwurf stammen vermutlich noch aus Wolffs Studienzeit in Paris (s. L GS 15235). Im Gegensatz zu Clemens Wenzeslaus Coudray, dessen Verbindung zu Johann Heinrich Wolff während eines Aufenthaltes in Weimar in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts belegt ist (Hallo 1930/1, S. 298), orientierte sich Wolff bei seinem Entwurf nicht an der von Etienne-Louis Boullée vorgelegten Kathedralentwurf ("Métropole"), der aufbauend auf dem Zentralbaugedanken von Soufflot die geometrischen Elementarformen stärker herausarbeitete. Die ins Monumentale gesteigerten geometrischen Formen in Verbindung mit den unendlich wirkenden Säulenkolonnaden haben keinen Vorbildcharakter für Wolff gehabt.
Bei den zu repräsentativen Zeichnungen ausgearbeiteten Entwürfen (L GS 14623 - L GS 14626) verließ Wolff das kreuzförmige Grundrißschema und entschied sich statt dessen für eine kreisförmige Struktur mit einem autonomen Turmbau und tiefen, halbkreisförmigen Vorhallen, die sich besser in den runden Grundriß einbinden ließen als die klassischen Portiken.
Stand: September 2004 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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