2.3.10 Corps de Logis: Wettbewerbsentwurf


Die Entscheidung, ob ein Corps de Logis gebaut werden und wie es aussehen sollte, fiel erst nach einer jahrelangen Diskussion. Es war sogar erwogen worden, unter Verzicht auf ein Corps de Logis die beiden Flügelbauten für sich stehen zu lassen. Zwischen ihnen sollte durch eine Geländevertiefung die Wirkung der Landschaft gesteigert werden, wie es ein Plan des Gärtners C. Friedrich Schwarzkopf aus dem April 1791 vorsah (Potsdam, SPSG, Plankammer, Bestand Kassel XIV, Nr. 12/19; Dittscheid 1987, S. 130f., 337, Nr. 97, Abb. 230). Zwei Ansichten Wilhelm Böttners verbildlichen diese Überlegungen (Dittscheid 1987, Abb. 228-229).
Am 20. November 1791 traten die Planungen für einen Mittelbau in ein konkretes Stadium. Der Landgraf wünschte ultimativ bis zum folgenden Tag jeweils von Du Ry und Jussow einen Entwurf, zwischen denen er entscheiden wollte. Er gab Bedingungen vor, die er in den Entwürfen berücksichtigt wünschte. Jussow faßte die Bedingungen wie folgt zusammen, wobei er nochmals seine vorhergehenden Entwürfe kommentierte: "Nachdem von alle den Projecten und Vorschlägen, wie ein zwischen den zwey Schloßflügeln anzulegendes Hauptgebäude anzuordnen oder der Platz einstweilen auszufüllen und zu decoriren seyn mögte, bisher keines die Höchste Approbation Sr. Hochfürstl. Durchlt. des Herrn Landgrafen erhalten hatte, so geruheten Höchstdieselben nunmehr gnädigst zu resolviren, daß dieses Gebäude zwar auch nach ionischer Ordnung, aber nach einer veränderten und grössern Architectur, als jene der Flügel ist, und wodurch die im rez de Chaussée der Flügel nothwendig gewordenen dicken Mauern vermieden werden könnten, erbauet werden sollte.
Diesem höchsten Entschluß gemäs ertheilten Höchstdieselben demnach am 20t Nov. 1791 den gnädigsten Befehl zu Verfertigung jene Vorschriften befolgender Risse, und als die Höchstdenenselben am folgenden Tage vorgelegten Skizzen in Ansehung des ganzen die Höchste Approbation erhielten, so wurde am 22t Nov. bereits angefangen [...]" (StAM Best. 6a, Nr. 59; vgl. Dittscheid 1987, S. 131). Demnach sollten die Säulen wegen der Übereinstimmung mit den Seitenflügeln ionischer Ordnung sein und bereits auf Bodenhöhe ansetzen, um zu massive Erdgeschoßmauern zu verhindern. Friedrich Wilhelm Strieder nennt eine solche größere Säulenordnung "der Gegend angemessen" (Holtmeyer 1913, S. LV; vgl. Dittscheid 1987, S. 132). Damit wird auf die heroische Wirkung angespielt, die der Park am Karlsberg auf die Zeitgenossen ausübte (vgl. Schmid 1997).
Du Rys Vorschlag sah einen neunzehnachsigen kuppellosen Bau vor, dessen Mitte ein Giebel auf sechs korinthischen Säulen akzentuieren sollte (Potsdam, SPSG, Plankammer, Bestand Kassel XV, Nr. III/14; Dittscheid 1987, S. 132f., 338, Nr. 100, Abb. 234). Hinsichtlich der Säulenordnung verletzte er die Vorgaben des Landgrafen. Allerdings entsprach die Wahl dieser Ordnung der Architekturtheorie, weil sie gegenüber den ionischen Säulen der Seitenflügel die übergeordnete Ordnung war und weil sie eine schlankere Proportionierung erlaubte. Nachträglich wurden in den Entwurf mit Graphit Attikafiguren und eine Kuppel eingezeichnet. Du Ry verzichtete auf die Seitenapsiden am Hauptbau und setzte ihn so von den Seitenflügeln ab. Du Ry konnte den Landgrafen nicht überzeugen. Dieser entschied sich für den Entwurf Jussows und ließ umgehend mit den Bauarbeiten beginnen.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [FCS]




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