3.5.4 Luisenschule


Das zum 11. April 1836 bezogene städtische Schulhaus (Neumarkt 11, seit 1910 Luisenschule genannt) stellt das architektonische Hauptwerk des Landbaumeisters dar. Die rückseitig an die Stadtmauer grenzende Schule ließ Müller seit 1829 (mit einer längeren Unterbrechung zwischen 1830 und 1834) in der für Hersfeld neuen Bauweise aus gebrannten Lehmziegeln über einem Werksteinsockel und einem in Teilen älteren Gewölbekeller errichten. Der langgestreckte, zweigeschossige Putzbau besitzt sowohl auf der Straßen- als auch auf der Rückseite eine symmetrische, fünfzehnachsige Fassade und leicht vorgezogene, dreigeschossige Mittelrisalite, wobei der straßenseitige durch Kolossalpilaster gegliedert ist. Der klassizistische Bau wird bekrönt von einem Dachreiter mit Arkadenöffnungen in Abwandlung eines Monopteros. Das offene, ursprünglich bleigedeckte, seit seiner völligen Erneuerung 1959 mit einer kupfernen Haube überdachte Türmchen war in Müllers ersten Entwürfen nicht vorgesehen und wurde Ende 1834 dem bereits fertiggestellten Rohbau aufgesetzt. 1838 nannte ein Zeitgenosse das Gebäude "ein Schulhaus, wie keine Stadt in Hessen“ es besitzt und "auf das wir Hersfelder stolz seyn können“ (Anonym: Städtische Angelegenheiten. In: Hersfelder Intelligenzblatt, 5.5.1838). Auch Bromeis soll sich lobend über die von seinem Schüler errichtete Schule geäußert haben (Neuhaus 1926, S. 109). Die seit einiger Zeit ihrem ursprüngliche Zweck entfremdete und in Privatbesitz übergegangene Schule wurde bis 1998 saniert und für eine Nutzung durch Geschäfte, Gastronomie und Büros hergerichtet (Denkmaltopographie 1999, S. 172f.).
Aufgrund einer relativ großen Zahl erhaltener und dem Schulhausprojekt zuzuweisender Vorstudien läßt sich der Formfindungsprozeß für dieses Gebäude besonders gut nachvollziehen, wenn auch die Chronologie der allesamt undatierten Blätter nicht ganz eindeutig ist. Da die meisten dieser Studien nicht durch Beschriftungen auf das Schulhaus Bezug nehmen, kann letzterer nur durch die formale Ähnlichkeit der Entwürfe hergestellt werden. Die durchweg achsensymmetrisch angelegten Aufrisse zeigen als immer wiederkehrende Elemente einen durch ein Tympanon, ein zusätzliches Geschoß oder einen Dachreiter betonten Mittelrisalit und ein Walmdach (die heute vorhandenen Giebelgauben fehlen auf allen Entwürfen!). Vielen Entwürfe eigen ist die Verwendung des Stiftskreuzes als schmückendes und zugleich lokalisierendes Symbol. Die Kubatur der verschiedenen Entwürfe mußte zwangsläufig von den Maßverhältnissen her ähnlich sein, da die Fundamente des Gebäudes 1830 bereits gelegt waren, als Müller für den Fassadenaufriß noch mit verschiedenen zwei- bis dreigeschossigen Varianten experimentierte. Das als Präsentationszeichnung ausgearbeitete Blatt GS 15581 spricht dafür, daß der Formfindungsprozeß 1830 zu einem vorläufigen Abschluß gekommen war, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht definitiv entschieden war, ob man in Fachwerk oder mit gebrannten Lehmsteinen bauen wollte. Nachdem die Baustelle einige Zeit liegengeblieben war und Probleme mit dem Bau der notwendigen Ziegelei zu überwinden waren, faßte der Magistrat der Stadt erst im März 1834 den Entschluß, nach einer nochmaligen Planänderung zügig weiterzubauen.
Ein wenig erinnern die Aufrisse GS 15909 und GS 15938 recto an den 1691 unter Verwendung älterer Teile errichteten Mittelbau der Hersfelder Klosterschule (Neumarkt 33), der 1865 auf drei Stockwerke erhöht wurde, allerdings auch schon vorher von einem Dachreiter gekrönt war. Müller war auch für die Bauunterhaltung des Gymnasiums zuständig. Bislang konnten allerdings mit Ausnahme der Umgestaltung eines zugehörigen Wohnhauses (Neumarkt 31, 1841) keine von Müller betreuten größeren Umbaumaßnahmen nachgewiesen werden.
Der Entwurf GS 15938 recto gehört mit den Brunnenprojekten GS 15933 verso, GS 15938 verso, GS 15936 und GS 15934 sowie verschiedenen Grabmalen GS 14913 und GS 15921 zu den neogotisch inspirierten Arbeiten Müllers. Ausgeführt wurden lediglich einige Grabdenkmale, von denen einige noch auf dem Bad Hersfelder Friedhof erhalten sind.

Stand: Mai 2005 [TW]




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