3.5.7 Wohn- und Geschäftshäuser


Mehrfach hat sich Müller außerhalb seines Dienstes als Architekt privater Bauvorhaben betätigt. Da Müllers Klagen über seine schlechte Bezahlung im öffentlichen Dienst aktenkundig sind (StAM Best. 165, Nr. 1745; vgl. Müller 1903), könnte die Übernahme solcher Aufträge einen rein pekuniären Hintergrund gehabt haben. Nicht von allen Wohn- und Geschäftshäusern, die Müller zuzuschreiben sind, haben sich Baupläne erhalten.
Der Landbaumeister blieb sich auch bei diesen Projekten treu und wandte selbst außerdienstlich die auch von der Oberbaudirektion gewünschte neuzeitliche Methode des Massivbaus mit gebrannten Lehmziegeln an (Hanfsack 4, 1837) oder ließ die Gefache von Fachwerk-Neubauten zumindest mit Lehmsteinen ausmauern (Am Markt 24, 1833). In einem Fall hat er nur die Fachwerkkonstruktion des eigentlich verputzt gedachten Hauses gezeichnet (GS 15926, Am Markt 10), vermutlich, um dem Zimmermann eine technische Anweisung zu geben. Bei GS 15987 (Klausstraße 12) hat Müller die Holzkonstruktion in dünnen Graphitlinien in den mit Tusche ausgeführten Entwurf der sonstigen architektonischen Gestaltung eingezeichnet. Es ist anzunehmen, daß alle Privathäuser, für die Bauzeichnungen erhalten blieben, als Fachwerkbauten konzipiert waren, die im Geschmack der Zeit einen Verputz oder eine Verschindelung erhalten sollten.
Allen Entwürfen gemeinsam sind die Zwerchhäuser, die den traufständig in die Reihen älterer Nachbarhäuser eingepaßten Altstadthäusern aufgesetzt wurden. Ein durchgehendes Motiv ist auch die Lage der Geschoßtreppen an den Rückseiten der Häuser. Einzig das Haus des Tuchfabrikanten Braun (GS 15927 u. GS 15928) war als freistehender Einzelbau konzipiert.
Müller bemühte sich in allen Fällen um höchstmögliche Symmetrie, konnte aber die im Erdgeschoß liegenden Hauseingänge nicht immer in eine entsprechende Lage bringen. Als bescheidener Schmuck der Gebäude waren die segmentbogigen Fenster in den Tympana der Zwerchhäuser gedacht. Etwas aufwendiger konzipierte Müller lediglich das Haus Reinhard (GS 15987), dessen Erdgeschoß in eine vierbogige Arkade aufgelöst ist und dessen Zwerchhaus eine Fenstergruppe erhalten sollte, die als Tempelfront stilisiert war. Auch das um eine Achse schmalere Haus Breul (GS 15930) hatte Müller mit rundbogigen Öffnungen im Erdgeschoß und einem schlichten Tempelzitat für das Zwerchhaus geplant.
Die Ausführungsentwürfe unterscheiden sich oftmals durch eine Rahmung und/oder eine aufwendigere, zuweilen farbige Ausführung von den Skizzen und Korrekturentwürfen. Sie gelangten normalerweise mit den Bauakten zur Genehmigung an die zuständige Behörde, in Hersfeld also an den Landrat und zur fachlichen Begutachtung an Müller. Nicht immer blieben die Zeichnungen in den Bauakten, da die Rückgabe der durch eine Unterschrift freigegebenen Pläne gleichzeitig das Einverständnis der Behörde mit dem Projekt bedeutete. Was blieb also in Müllers Nachlaß erhalten? Es kann sich eigentlich nur um Skizzen und Vorstudien gehandelt haben oder um Zeichnungen, die nach dem amtlichen Procedere an den Bauherrn zurückgegeben wurden. Der Landbaumeister trat freilich in keinem Fall als eigener Bauherr auf, dürfte aber immerhin im Falle der Wohn- und Gartenhäuser als Privatarchitekt und Bauleiter gewirkt haben. Für diese These sprechen die Sichtvermerke des Landrats Hartert, die die amtliche Genehmigung für einige Privathäuser bedeuteten (GS 15928, GS 15987, GS 15929). Der Bauherr bzw. sein Architekt erhielt die Pläne zurück, um danach die Ausführung in Angriff zu nehmen.
Von einem entsprechenden Verfahren ist nicht nur bei den Privathäusern, sondern auch bei den anderen Hersfelder Bauprojekten auszugehen. Für jene sind wohl keine Ausführungsentwürfe in Müllers Privatunterlagen erhalten geblieben, sondern allenfalls Varianten oder aufgrund von notwendigen Korrekturen nochmals zu modifizierende Entwürfe (z. B. GS 15966, GS 15916 u. GS 15912, GS 15963 u. GS 15964). Bei den öffentlichen Bauten dürften die zur Ausführung genehmigten Fassungen in den dienstlichen Akten verblieben sein.

Stand: Mai 2005 [TW]




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