12.13.12 Wolff, Johann Henrich


Zeichnungen mit Darstellungen der Säulenordnungen nehmen unter den Studienblättern Johann Henrich Wolffs einen breiten Raum ein. Proportion und Auswahl der Architekturdetails beruhen auf Jacopo Barozzi da Vignolas Werk "Regola delli cinque ordini d'architettura" (Vignola 1562). Für einige Blätter verwendete Wolff zudem die architekturtheoretischen Vorschriften Andrea Palladios "I quattro libri dell'architettura" (Palladio 1570) und Vincenzo Scamozzis "L'idea della architettura universale" (Scamozzi 1615).
Die beiden ältesten, von Johann Henrich Wolff signierten Blätter aus dem Jahr 1767 zeigen zum einen verschiedene Ansichten einer ionischen Ordnung (L GS 15013) und zum anderen die Darstellung einer dorischen Arkade (L GS 15019). Daneben existiert ein Bestand an Zeichnungen, die als Nachzeichnung aus Vorlagenwerken bekannter Architekten und Architekturtheoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden sind, etwa nach Jean Marot, Jacques-François Blondel und Jean-François Neufforge. Auf dieser Grundlage entwickelte Wolff auch eigenständige Entwürfe, wobei er die Vorlagen zitathaft einbrachte.
Die meisten der Blätter sind auf Karton montiert und mit einer blauen Randverstärkung versehen worden. Wo sich die Montierung gelöst hat, wird deutlich, daß die Blätter zweitverwendet sind. Neben der weitgehend einheitlichen Montierung erweist sich die Signatur der Zeichnungen als besonders signifikant.
Durch den Bruch in Wolffs Biographie liegt kein geschlossenes Oeuvre vor, das eine kontinuierliche zeichnerische und gestalterische Entwicklung aufweist. Besonders bei den Nachzeichnungen ist häufig schwer zu entscheiden, ob ein Blatt seiner frühen Werkphase vor der Militärkarriere oder der späten Phase nach dem Ausscheiden aus dem Dienst zuzurechnen ist. Zudem nahm sich Wolff ältere Arbeiten in seiner späten Schaffensphase nochmals vor, überarbeitete die Zeichnungen und montierte die Blätter.
Fraglich bleibt, wie sich Wolff die unterschiedlichen Vorlagenwerke zugänglich machte. Im Fall der Zeichnungen aus seiner ersten Schaffensperiode vor der Militärzeit könnten die Vorlagen aus den Beständen des Collegiums Carolinum stammen.
Ob Vignolas Werk auch als direkte Vorlage gedient hat oder durch eine der rezeptionsgeschichtlichen Arbeiten vermittelt wurde, kann angesichts von Übereinstimmungen bei der Darstellung nicht eindeutig entschieden werden. Nachweisbar ist die französische Übersetzung von Augustin-Charles d'Avilers "Cours d'Architecture" (Aviler 1691), dessen Werk durch Vorschläge moderner Gesimsformen in Wolffs Studienblättern greifbar wird. Allerdings ist auch hier nicht eindeutig, ob Wolff das Original oder die deutsche Übersetzung der französischen Ausgabe von Leonard Christoph Sturm "Vollständige Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst" (Sturm 1747) verwendete. Der einzige Hinweis könnte in der 'richtigen' bzw. seitenverkehrten Darstellungsweise zu suchen sein. So präsentiert d'Aviler im Vergleich zu Vignolas Werk seitenverkehrte Darstellungen. Bei Sturm finden sich als Bearbeitung des französischen Rezeptionswerks die dazu seitenverkehrten, jedoch im Verhältnis zum Original korrekten Abbildungen. In dieser Form treten sie auch in den meisten Zeichnungen Wolffs auf, was darauf hindeutet, daß Wolff sie entweder dem Original Vignolas oder der deutschen Übersetzung des französischen Werkes entnommen hat. Die in den Zeichnungen verwendeten Proportionen beziehen sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf Vignolas Vorgaben.
Mit den modernen französischen Architekturtheoretikern, die im Rahmen ihrer Architekturtraktate wie allgemein üblich auch die Säulenordnungen behandelten, beschäftigte sich Wolff nur in Einzelfällen. Aus dem "Cours d'Architecture" von Jacques-François Blondel (Blondel 1771-1774), Lehrer an der Pariser Akademie, stammen Entwürfe zu verschiedenen Bauprojekten und architektonischen Details (L GS 15055, s. a. L GS 15085, Marb. Dep. 83).
Trotz dieser umfangreichen Beschäftigung mit architekturtheoretischen Arbeiten und insbesondere mit den verschiedenen Auslegungen der Säulenordnungen hat Johann Henrich Wolff seine Kenntnisse nur in wenigen eigenen Entwürfen umsetzen können.

Stand: September 2004 [MH]




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