1.3.5.9 - Kassel, Chattenburg, Entwurf zur Beletage, Grundriß



1.3.5.9 - Kassel, Chattenburg, Entwurf zur Beletage, Grundriß


Inventar Nr.: GS 5915
Bezeichnung: Kassel, Chattenburg, Entwurf zur Beletage, Grundriß
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Architekt/-in, Entwurf
unbekannt, Zeichner/-in, Ausführung
Datierung: 1819/20
Geogr. Bezug: Kassel
Technik: Graphit, Feder in Grau, grau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: "S & C WISE"
Maße: 51,5 x 38,4 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen:


Katalogtext:
Das Blatt zeigt mehrfache Korrekturen im Bereich des westlichen Verbindungsflügels, der Schloßkapelle, der Vorsäle sowie des Thron- und Festsaals. Zunächst lag die Haupttreppe vom Würzburger Typus links der Einfahrt, wo sie wegradiert wurde. Sie sollte wohl auf die gegenüberliegende Seite nach rechts verlegt werden. Der ehemals projektierte Thronsaal im westlichen Teil des südlichen Längsflügels wurde durch eine Zwischenwand zweigeteilt und in den nördlichen Längsflügel neben den östlichen Eckpavillon versetzt. Die Korrekturen im Bereich von Galerie und Festsaal betreffen die Wandgliederungen in Form von Säulen. Die Schloßkapelle ist als solche nicht mehr kenntlich.
Grundlage für diese Korrekturen waren wohl Änderungswünsche des Erbprinzen, wie aus einem mit Graphit auf den 5. Juni 1820 datierten Briefentwurf Jussows hervorgeht, der sich in seinem Nachlaß befand (mhk, Graphische Sammlung, Nachlaß Jussow). Er erläutert dort:
"Bei der Anlage des neuen Kurf. Residenzschlosses allhier wurde, nachdem verschiedene Projecte von kleinerm Umfange die allerhöchste Genehmigung nicht erhalten hatten, es als Bedingung vorgeschrieben, den Entwurf dazu so einzurichten, daß vier Fürstliche Wohnappartements in der BelEtage und eine Kirche vorhanden seyen.
Um dieser Vorschrift zu genügen und mit der Größe des Gebäudes die Grenzen des Platzes nicht zu überschreiten, so war es nothwendig, das zu großen Präsentationen bestimte Apartement mit dem Kurfürstln Wohnapartement in nahe Verbindung zu setzen, so daß jenes zu diesem gewissermaßen zu gehören scheint. Hieraus ergibt sich aber, um dem Wohnapartement den erforderlichen Umfang zu lassen und ihm nicht die nothwendige Bequemlichkeit zu entziehen, daß zwischen dem Versamlungs Sale und dem Thronsale nur 2 Salons, und von diesen nur einer in die Enfilade des Thronsals angebracht werden konnten.
Da aber nach der Höchsten Bestimung Sr. Hoheit unsers gnädigsten Kurprinzen es dreyer Salons vor dem Thronsale bedarf, und daher dieser Einrichtung den Höchsten Beifall nicht erhalten hat, so habe ich den Plan der BelEtage aufs neue bearbeitet, um den Zweck dadurch zu der höchsten Bestimmung zu erhalten. Durch diese Veränderung bekommt nicht nur das zu den großen Präsentationen bestimte Apartement seine ganze Vollständigkeit dergestalt, daß drey Sallons vor dem Thronsale in einer Enfilade liegen, sondern es gewinnt auch die ganze Bel Etage an Pracht und Schönheit.
Um jedoch diese Vollständigkeit verbunden mit der Schönheit und bequemlichkeit zu erreichen, wird es nöthig, eines der Wohnappartements und die Kirche dazu zu verwenden, sowie die Haupttreppe von der linken Seite des Vestibüls nunmehr auf die rechte Seite zu verlegen. Diese Verlegung macht in der Disposition des Vestibüls keine Veränderung; die Treppe selbst aber wird im Gegentheil an Effect und in der Perspective sehr gewinnen, da der zweite Arm derselben von dem Ruheplatze an in gerader Steigung zwischen einer Colonnade nach dem Kurfürstln Wohnappartement führt.
Wenn es der Höchsten Absicht nicht entgegen ist, ein Wohnappartement und die Kirche zu diesem Behufe zu verwenden und dieser Entwurf übrigens des Höchsten Beifalls gewürdigt werden sollte, so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß das Innere der BelEtage in Rücksicht auf die Disposition, Regularität und Schönheit einer größern Vollkommenheit theilhaftig werden wird. Das Pracht Apartement besteht alsdann aus folgenden Piecen:
1. beim Austritt von der aus drey Armen bestehenden großen Treppe aus einem sehr ansehnlichen Vorplatze, 30' breit, 78' lang;
2. aus einem Saale für die Garde du Corps, 78' lang, 41' breit;
3. aus einem großen Versamlungs Saale, 78' breit, 831/4' lang;
4, 5, 6. aus drey Salons vor dem Thronsaale, wovon der erste 78' lang, 43' breit, der zweyte 43' lang, 30 1/6 breit und der 3t 43' lang, 38' breit ist;
7. Aus dem Thronsaale 70 2/3' lang, 43' breit. Neben dem Thronsaale liegen
8, 9. zwey Zimmer, jedes 32 1/6' lang, 19' breit, und zwischen ihnen
10. eine Gallerie, 79' lang, 19' breit;
11. hinter dem Thronsaale liegt ein Cabinet, 331/2' lang, 19' breit, auf welches
12. eine Chambre de Parade, 38 1/3' lang, 331/2 breit folgt, die noch mit einigen kleinern Zimmern in Verbindung steht. Die Zimmer 8, 9 und die Gallerie 10 setzen den Versammlungssaal 3 durch das Zimmer 13, welches 40' lang, 271/2' breit ist, mit den Sälen 14, 15, 16, wovon der 1t 164' lang, 40' breit, der 2t 91 1/3' lang, 35' breit, der 3t 72' lang, 35' breit, in Verbindung, welches auch auf der andern Seite durch das Zimmer 17, 40' lang, 27' breit, und durch die Gallerie 18, 182' lang, 32' breit, mit den Apartements Ihrer Königl. Hoheiten des Kurfürsten und der Kurfürstin bewirkt wird.
Ohngeachtet es anmaßend seyn würde, behaupten zu wollen, so glücklich gewesen zu seyn, die größte Vollkommenheit in der Anordnung dieses Apartements und dessen Verbindung mit denen zu Hoffesten bestimten Sälen erreicht zu haben, so habe ich doch die Überzeugung, daß keines der Schlösser, die ich gesehen habe oder von denen ich die Plane kenne, eine solche Folge von miteinander in unmittelbarer Verbindung stehender Säle und Zimmer hat.
Sollte es jedoch nöthig erachtet werden, statt einer die die ganze Hofgemeinde in sich fassenden Kirche eine Haus Capelle für die Allerhöchsten Herrschaften, die Suite und die im Schlosse anwesende Dienerschaft einzurichten, wie es im Schlosse zu Wilhelmshoehe geschehen ist, so kann die Anlage im Rez de chausée in demselben Local, welches zu der Kirche bestimmt war, statt finden, wo Größe und Höhe vollkomen dazu hinreichend sind. Den 5t Junii 1820"
Damit ist belegt, daß der Raum des ehemaligen Obergeschosses der Schloßkapelle nunmehr als Vorsaal des Thronsaals dienen sollte. Der Thronsaal ist jetzt im nördlichen Längsflügel zu suchen und erhält drei Vorräume. Das Treppenhaus liegt auf der rechten Seite des Eingangsflügels direkt vor den fürstlichen Appartements. Der Weg zum Thronsaal führt nun über zwei Vorhallen im Eingangsflügel und drei unterschiedlich große rechteckige Vorräume im nördlichen Längsflügel, und bildet eine große Paradestrecke.
Eine Reinzeichnung zu diesem Plan zeigt GS 5913.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [UH]


Literatur:
Katalog Kassel 1999/CD-Rom


Letzte Aktualisierung: 09.04.2015



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