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10.9.1.1 - Bern, Helvetiaplatz, Wettbewerbsentwurf für den Welttelegrafen-Brunnen, perspektivische Ansicht



10.9.1.1 - Bern, Helvetiaplatz, Wettbewerbsentwurf für den Welttelegrafen-Brunnen, perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: L GS 18284
Bezeichnung: Bern, Helvetiaplatz, Wettbewerbsentwurf für den Welttelegrafen-Brunnen, perspektivische Ansicht
Künstler: Hugo Schneider (1841 - 1925), Zeichner/-in
Datierung: um 1910/11
Geogr. Bezug: Bern
Technik: Graphit, Weißhöhung
Träger: Papier auf Papier auf Gewebe
Wasserzeichen: nicht ermittelbar
Maße: 83,3 x 92 cm (Blattmaß)
71,3 x 79,7 cm (Blattmaß)
60,3 x 70,5 cm (Darstellungsmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: oben links: "DEVISE: / SURGE ET FAC! / BL. II." (Graphit)
unten rechts: "H. Schneider" (Graphit)
verso: "Nachlass Prof. Schneider / Kupf-Kal" (Graphit)


Katalogtext:
Das Präsentationsblatt zeigt eine neoklassizistische Brunnenanlage vor einem burgartigen, in spätgotischem Neo-Stil errichteten Bauwerk im Hintergrund in der Mitte eines Platzes. Die Zeichnung ist in Graphit ausgeführt, für die Wasserfontänen wählte Schneider Weißhöhungen. Als "Bl. II" gehört die perspektivische Ansicht zu einer Folge von Plänen, die Schneider für einen Wettbewerb anfertigte; er nahm unter dem Motto "Surge et fac!" daran teil.
Der Brunnen erhebt sich inmitten eines flachen, runden Beckens auf einem niedrigen, wenig verzierten und von Rundbogenöffnungen durchbrochenen Zylinder, dem im Wechsel Balustersäulen auf flachen Plinthen und wasserspeiende Delphine vorgelegt sind. Die Balustersäulen stützen die Brunnenschale, deren Grundriß einem von einem Vierpaß durchschossenen Kreis entspricht. Der profilierte Rand der Schale ist in regelmäßigen Abständen mit Löwenköpfchen besetzt, die ebenfalls als Wasserspeier dienen.
In der Mitte der Brunnenschale erhebt sich ein Monopteros, dessen Sockel den gleichen Durchmesser wie der Unterbau aufweist. Die Seiten des Sockels sind durch Lisenen gegliedert, auf ihnen sind große Löwenköpfe angesetzt, aus denen ebenfalls Wasser hervorquillt. Zwischen den Lisenen finden jeweils drei Wappen Platz, wobei es sich um eine Reihe von Städtewappen zu handeln scheint - darunter London, Paris und Rom. Ein Gesimsband schließt den Sockel ab und bildet die Standfläche für eine Reihe antikisch gewandeter Frauengestalten, die einander bei den Händen fassen und aus dem Monopteros herauszutreten scheinen. Jede Frauenfigur steht vor einem Interkolumnium der Pavillonarchitektur. Die toskanischen Säulen des Monopteros tragen ein hohes Gebälk, das mit einer Inschrift versehen werden sollte. Zu lesen ist: "Fondation de l'Union Tele[...]".
Der Monopteros wird durch eine Kalotte abgeschlossen, auf deren Spitze auf einer Weltkugel eine weitere weibliche Figur steht. Diese hält in der erhobenen Linken ein Blitzbündel.
Die in der Inschrift des Brunnens genannte Einrichtung, die "Union télégraphique internationale", gestattet es, den Entwurf räumlich wie zeitlich näher einzuordnen. Die Internationale Telegrafen-Union wurde am 17. Mai 1865 in Paris begründet und hatte zum Ziel, den weltweiten Telegrafendienst zu sichern und zu erleichtern. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben Frankreich 19 weitere Staaten, darunter auch die Schweiz, deren Hauptstadt Bern zum Sitz des "Bureau international des Administrations télégraphiques" als der zentralen Verwaltungsstelle der neuen Union bestimmt wurde. 1869 nahm die Organisation dort unter der Aufsicht des schweizerischen Bundesrats ihre Arbeit auf und bestand bis 1932, als die technischen Entwicklungen auf dem Gebiet des Rundfunks und der Telekommunikation die Gründung einer Nachfolgeorganisation angeraten sein ließen. Die neue "Union internationale des télécommunications" residierte zunächst ebenfalls in Bern, wurde aber 1947 der UNO als Sonderorganisation (mit derzeit rund 190 Mitgliedsländern) angegliedert und verlegte ihren Sitz daher nach Genf.
In Vorbereitung der Feiern zum 50. Bestehen der "Union télégraphique internationale", die 1915 begangen werden sollten, beschlossen die Teilnehmer einer Internationalen Fernmelde-Konferenz im Juli 1908 in Lissabon, ein Denkmal in Auftrag zu geben, das am Sitz der Organisation in Bern ausgeführt werden sollte. Der schweizerische Bundesrat sollte das Nötige veranlassen und richtete zunächst einen Fonds ein, in den die Mitgliedsstaaten bis 1915 jährliche Beiträge zur Deckung der auf 200.000 Franken geschätzten Baukosten einzahlen sollten. 1909 schrieb die Eidgenossenschaft einen Wettbewerb für ein Denkmal am Helvetiaplatz vor dem Historischen Museum Bernaus - die Gebäude des Historischen Museums sind in Schneiders Ansicht gut zu erkennen - und berief ein international besetztes Preisgericht. Den Teilnehmern waren nur der Standort und der Kostenrahmen vorgegeben; ob sie ein klassisches Denkmal realisieren oder dieses mit einer Brunnenanlage verbinden wollten, blieb ihnen freigestellt (s. ).
Bis 1910 gingen 92 Wettbewerbsentwürfe ein, doch wurde kein erster Preis vergeben, da alle Beiträge als zur Ausführung ungeeignet verworfen wurden. Die Wettbewerbsausschreibung wurde daher mit kleineren Änderungen wiederholt, und bis zum 15. August 1911 gingen 105 weitere Entwürfe ein. Der erste Preis ging nun mit knapper Juryentscheidung an den Bologneser Künstler Giuseppe Romagnoli (1872-1966), dessen Brunnenentwurf - unter äußerst kontroversen Debatten in der Berner Bürgerschaft - bis 1922 realisiert wurde. Ob Schneiders Entwurf ein Beitrag zur ersten oder zur zweiten Wettbewerbsauslobung war, ließ sich nicht feststellen.
Stand: September 2007 [LK]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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