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11.10.2.1 - Dekorationsentwurf für ein Gartenzimmer, perspektivische Ansicht



11.10.2.1 - Dekorationsentwurf für ein Gartenzimmer, perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: GS 15811
Bezeichnung: Dekorationsentwurf für ein Gartenzimmer, perspektivische Ansicht
Künstler: Johann Conrad Bromeis (1788 - 1855), Architekt/-in, Entwurf
unbekannt, Zeichner/-in, Ausführung
Datierung: um 1835
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Schwarz, koloriert
Träger: Papier
Wasserzeichen: bekröntes Lilienwappen, "C & I HONIG"
Maße: 30,8 x 53,3 cm (Blattmaß)
30,5 x 53 cm (Darstellungsmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: verso: "100" (Graphit)


Katalogtext:
Zu den Bauprojekten während der Regentschaft von Kurfürst Wilhelm II. zählen neben der Errichtung des Residenzpalais am Friedrichsplatz in Kassel die Renovierung und Modernisierung der Schlösser in Wilhelmshöhe, Fulda, Hofgeismar, Hanau und Philippsruhe. In diesen Kontext gehört der hier vorliegende Dekorationsentwurf für ein Gartenzimmer.
In perspektivischer Ansicht mit einem leicht nach links verlegten Fluchtpunkt wird ein Innenraum gezeigt, wobei die frontale Wand mit zwei Türdurchgängen im Zentrum steht. Der Standpunkt des Betrachters ist dabei so gewählt, daß die seitlichen Wände zwar relativ weit vorn angeschnitten, in ihrem weiteren Verlauf aber vorstellbar sind.
Über einer schmalen Sockelzone erstrecken sich die rosafarbenen Wandflächen bis zu dem profilierten Deckengesims. In illusionistischer Naturdarstellung ist im unteren Wanddrittel ein niedriger Gartenzaum ausgeführt, vor dem Vasen mit eingepflanzten Stockrosen stehen. Die darüber angeordnete Lünette könnte als Fenster mit Naturausblick konzipiert worden sein. Leider läßt die skizzenhafte Graphitvorzeichnung im Innern keine genaue Bestimmung zu. An der Wand darüber befindet sich ein Fries mit dem aufgemalten Relief einer antikisierenden Opferszene. Als vertikale Gliederungselemente wirken flache, den Wänden vorgesetzte Pilaster, die die Türen und das linksseitig angeschnittene Fenster flankieren. Auf den graublau grundierten Felderungen finden sich Darstellungen von weinlaubumrankten Thyrsosstäben und Lorbeerkränzen im Stil des Spätempire. Die doppelflügeligen Türen, die von einem eigenen Rahmensystem umschlossen sind, sind in den längsrechteckigen Feldern der Füllungen mit Viktorienfiguren verziert, für die das Werk von Beunat als Vorlage gedient haben könnte (Beunat 1813 (1974), Taf. 12, N. 41, Taf. 86, N. 328). Beunat verwendete dieses Motiv als Türverzierung für seinen "Petit Salon" (Beunat 1813 (1974), Taf. 69). In den Quadratfeldern rufen die dargestellten Instrumente die Assoziation an Musik und Tanz hervor und verweisen damit möglicherweise auf Aktivitäten, die in dem Raum stattfinden sollten.
Anstelle eines Frieses wird die Wand von einer laubenartigen Spalierdekoration abgeschlossen. Aus den Pilasterkapitellen scheinen Weinstöcke zu wachsen, die die illusionistisch ausgeführten Spalierbögen umwinden. Entsprechend dem seit der Regence wirksamen Prinzip, der Decke eine freiere Realitätsebene als der Wand zuzuweisen (Börsch-Supan 1974, S. 301), ist hier ein Wolkenhimmel mit Vogeldarstellungen ausgeführt, der den Raum scheinbar nach oben hin öffnet. Trotz dieser illusionistischen Elemente verbleibt der Dekorationsentwurf in der Fläche. Eva Börsch-Supan stellte eine "silhouettenhaft-aperspektivische Reduktion", einen "Rückschlag ins Ornamentale" fest, der die "schablonierte Stubenmalerei des 19. Jahrhundert" ankündigt (Börsch-Supan 1974, S. 319). Diese Stilanalyse führt sie zu der Datierung der Zeichnung ans Ende der 1830er Jahre. Zweifelsohne zählt das Blatt zu den späteren, im Baubüro Bromeis entstandenen Entwürfen. Der Zuschreibung an Bromeis bei Börsch-Supan kann nicht gefolgt werden, da die ungenaue, flüchtige Technik gegen den Oberhofbaumeister spricht. Vielmehr wird ein Zeichner seines Baubüros die Ausführung übernommen haben.
Verglichen mit den in den 1820er Jahren entstandenen Entwürfen lassen sich deutliche Unterschiede in der Behandlung der Wandflächen feststellen. So findet sich bei den früheren Entwürfen eine horizontale Schichtung der Wandflächen, bei der Lambris und Hauptgesims mit dem breiten Fries betont werden. Die Decken sind hier gefeldert und symmetrisch angelegt. Zumeist verwendete Bromeis dem Spätempire verpflichtete Dekorationsmotive, die er einem Vorlagenwerk entnahm, variierte und in einen neuen Motivzusammenhang stellte. Illusionistische Darstellungen sind die Ausnahme. Ein Beispiel dafür ist die Ende der 1820er Jahre von Bromeis entworfene Speisegalerie des Kasseler Residenzpalais, die sich in dieser Form von allen anderen Räumen unterschied. Bromeis verlieh ihr den Charakter eines Gartensaals, indem er über den Lisenen im Bereich der Deckenkehle eine laubenartige Spalierdekoration entwarf. Die Decke wies keine symmetrische Struktur auf, sondern hier zeigte sich eine zusammenhängende, naturalistische Malerei in Form eines illusionistischen Wolkenhimmels mit Vogeldarstellungen (Bidlingmaier 2000, S. 272-278). Bromeis hatte sich hierbei von der italienischen Renaissancemalerei anregen lassen. Die laubenartigen Deckenfresken mit Tieren in der Gartenloggia des Palazzo Rospigliosi-Pallavicini von Guido Reni und Paul Bril könnten eine Vorbildfunktion ausgeübt haben (Bidlingmaier 2000, S. 290).
Bei dem vorliegenden Entwurf entwickelte Bromeis das in den 1820er Jahre von ihm verwendete Konzept in der Form weiter, daß die Wandflächen durch scheinillusionistische Ausmalung einbezogen wurden. Demzufolge ist hier von einer späteren Arbeit auszugehen, die in den 1830er Jahren entstanden sein muß.
Stand: Mai 2005 [MH]


Literatur:
Börsch-Supan 1974, S. 319f.


Letzte Aktualisierung: 26.10.2023



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